OGH 1Ob16/86

OGH1Ob16/8614.5.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien

1. Katherina K***, Hausfrau, 2. Elisabeth K***,

Sekretärin, 3. Thomas K***, Arbeiter, sämtliche Wien 9., Pramergasse 10. alle vertreten durch Dr. Friedrich Weber, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen S 261.402,62 s.A. infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 14. Jänner 1986, GZ. 3 R 297/85-12, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 1. Juli 1985, GZ. 1 Cg 134/85-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.809,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger und Dr. Christian H*** sind Miteigentümer der Liegenschaften EZ 26 und EZ 65 KG Groß-Hollenstein, Gerichtsbezirk Waidhofen an der Ybbs. Es handelt sich um einen ca. 120 ha großen Gutsbesitz. Mit der am 28.1.1982 beim Kreisgericht St. Pölten zu 1 Cg 39/82 gegen Dr. Christian H*** eingebrachten Klage begehrten die Kläger die Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft durch öffentliche Versteigerung (Zivilteilung). Hilfsweise und für den Fall, daß das Gericht die Unmöglichkeit oder Untunlichkeit der Realteilung nicht annehme, stellten die Kläger ein Eventualbegehren auf Aufhebung der Gemeinschaft durch körperliche Teilung der Liegenschaften (Naturalteilung). Die Naturalteilung sei jedoch untunlich, weil sie zum Verlust der Eigenschaft als Eigenjagd und damit zu einer beträchtlichen Wertverminderung führe. Der Beklagte erhob die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes und wendete mangelnde aktive und passive Klagslegitimation ein. Er brachte vor, daß er sich nie gegen eine Realteilung gewehrt und insoweit keinen Anlaß zur Klagsführung gegeben habe. Die mit dem Hauptbegehren (Zivilteilung) geforderte Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft werde zur Unzeit und zu seinem Nachteil beantragt, weshalb sich die Kläger einen Aufschub gefallen lassen müßten. Nach Einholung von Gutachten über die Möglichkeit einer Realteilung sowie den Wert der Liegenschaft samt Baulichkeiten ließen die Kläger in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 29.6.1983 ihr Begehren auf Zivilteilung "fallen". In der nächsten Tagsatzung vom 22.7.1983 anerkannte der Beklagte der Begehren auf Naturalteilung; er begehrte Kostenersatz, weil er in Ansehung des Begehrens auf Naturalteilung keinen Anlaß zur Klagsführung gegeben habe. Die Kläger beantragten Fällung eines Anerkenntnisurteiles. Das Kreisgericht St. Pölten behielt sich die Fällung des Anerkenntnisurteiles vor und führte ein weiteres Beweisverfahren durch. Mit Urteil vom 20.9.1983 erkannte das Prozeßgericht unter Verwerfung der Einrede der örtlichen Unzuständigkeit im Sinne des Eventualbegehrens auf Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft durch körperliche Teilung. Es verpflichtete den Beklagten zum Ersatz der gesamten Verfahrenskosten. Über Rekurs des Beklagten änderte das Oberlandesgericht Wien die Kostenentscheidung mit Beschluß vom 24.5.1984, 15 R 17/84, dahin ab, daß die Prozeßkosten gegeneinander aufgehoben wurden. Die Anwendung des § 45 ZPO komme nicht in Betracht, weil das Begehren auf Realteilung nach Zurücknahme des Hauptbegehrens nicht sofort anerkannt worden sei. Da das Verfahren bis zur Rücknahme des Hauptbegehrens der Frage der Zulässigkeit der Realteilung gedient habe, sei eine Aufgliederung in zwei Verfahrensabschnitte angezeigt; im ersten Verfahrensabschnitt (bis zur Zurücknahme des Hauptbegehrens) sei der Beklagte, im zweiten Verfahrensabschnitt seien die Kläger siegreich gewesen. Ein wesentlicher Teil des Verfahrensaufwandes habe der Erörterung von Teilungsvarianten gedient; dieser Verfahrensaufwand wäre bei Prüfung der Teilungsmöglichkeiten im Exekutionsverfahrens nach Miteigentumsanteilen geteilt worden. Unter Berücksichtigung aller dieser Umstände erscheine die gegenseitige Kostenaufhebung als das insgesamt den Umständen des Falles angemessene Ergebnis. Mit der am 26.3.1985 eingebrachten Amtshaftungsklage begehren die Kläger den Ersatz der Verfahrenskosten vor dem Kreisgericht St. Pölten (S 255.850,58) und der ihnen auferlegten Rekurskosten (S 8.328,07). Die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien sei grob rechtswidrig, weil sich für die vorgenommene Kostenbestimmung keine Grundlage im Gesetz finde.

Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, es sei im Verfahren vor dem Kreisgericht St. Pölten zu umfangreichen Vergleichsgesprächen und Vorschlägen zur Realteilung gekommen. Es sei zwar kein gerichtlicher Vergleich abgeschlossen worden, doch sei eine analoge Anwendung des § 47 Abs. 1 ZPO zu erwägen. Im übrigen seien die Kläger mit ihrem Begehren auf Zivilteilung zur Gänze unterlegen und nur mit dem Evenutalbegehren durchgedrungen. Für eine Kostenaufhebung nach § 43 Abs. 1 ZPO genüge bereits eine annähernde Gleichwertigkeit. Die Kostenentscheidung des Oberlandesgerichtes Wien sei demnach zumindest vertretbar. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die in Frage stehende Entscheidung des Rekursgerichtes sei nicht verfehlt. Die Annahme des Rekursgerichtes, der Vorprozeß zerfalle in zwei Abschnitte, sei die einzig richtige Lösung. Wenn primär Zivilteilung und eventualiter Realteilung begehrt werde und das Begehren auf Realteilung gerechtfertigt sei, werde nach der Spruchpraxis ein Prozeßerfolg beider Teile angenommen. Dies sei hier umsomehr gerechtfertigt, als in Wahrheit nur das Hauptbegehren ernsthaft umkämpft gewesen sei. Der Umfang des Teilungsprozesses sei maßgeblich durch das primär gestellte Begehren auf Zivilteilung bedingt gewesen. Im ersten Abschnitt bis zur Rückziehung des Hauptbegehrens seien die Kosten der Streitteile zufolge Unterliegens der Kläger mit dem Hauptbegehren im Sinne des § 43 Abs. 1 ZPO verhältnismäßig zu teilen. Es biete sich ein Verhältnis des Hauptbegehrens zum Eventualbegehren von 3 : 1 an, weshalb die Kläger dem Beklagten die Hälfte der Kosten zu ersetzen hätten. Für den restlichen Verfahrensabschnitt bestünde zwar ein voller Kostenersatzanspruch der Kläger im Sinne des § 41 ZPO, doch seien bis zur Zurückziehung des Hauptbegehrens schon etwa zwei Drittel der Verfahrenskosten aufgelaufen gewesen. Da die Kläger dem Beklagten die Hälfte dieser Kosten zu ersetzen hätten, könne dieses Drittel mit dem Drittel der Gesamtkosten kompensiert werden, das den Klägern zustehe. Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung keine Folge. Es erklärte die Revision für zulässig. Eine Amtshaftung wegen eines bekämpften Kostenausspruches könne nur eintreten, wenn das Rechtsmittelgericht gegen eine positive Gesetzesvorschrift verstoßen habe, seine Auffassung rechtlich unvertretbar sei oder ein eingeräumtes Ermessen schuldhaft überschritten habe. Davon könne hier nicht gesprochen werden. Dem Erstgericht sei dahin beizupflichten, daß im Vorprozeß im wesentlichen nur das Hauptbegehren strittig gewesen sei. Dem Beklagten sei auch eine Anerkennung des Eventualbegehrens, über das erst nach Erledigung des Hauptbegehrens zu verhandeln und entscheiden sei, nicht möglich gewesen. Die Frage des Kostenersatzes bei Abweisung oder Zurückziehung des Hauptbegehrens und Stattgebung des Eventualbegehrens sei im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Die Judikatur habe sich nicht immer der Meinung Faschings, daß in einem solchen Fall stets der Kläger vollen Kostenersatz begehren könne, angeschlossen, sondern eine teilweise Kostenaufteilung im Sinne des § 43 Abs. 1 ZPO in unterschiedlichem Ausmaß vorgenommen. Dabei sei jeweils auf die Umstände des Einzelfalls Bedacht genommen worden. Bei der aufgezeigten Gewichtung des Begehrens auf Zivilteilung zum Eventualbegehren auf Naturalteilung erscheine das im Vorprozeß ermittelte Teilungsverhältnis angemessen. Eine ziffernmäßige Aufrechnung sei nicht erforderlich; es genüge die annähernde Wertigkeit der Begehren.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen Revision der Kläger ist im vollen Umfang zulässig, da die beiden Beträge, die Gegenstand des Klagebegehrens sind, im Zusammenhang stehen und demnach für die Frage der Revisionszulässigkeit zusammenzurechnen sind (§ 55 Abs. 1 lit a u. Abs. 4 JN); ihr kommt jedoch Berechtigung nicht zu.

Das Berufungsgericht führte zutreffend aus, daß nicht einmal jede an sich unrichtige Rechtsansicht eines Gerichtes bereits Amtshaftungsansprüche zur Folge hat. Im Amtshaftungsprozeß ist nicht wie in einem Rechtsmittelverfahren zu prüfen, ob die in Betracht kommende Entscheidung richtig war, sondern ob sie auf einer vertretbaren Gesetzesauslegung oder Rechtsanwendung beruht. Eine unrichtige, jedoch vertretbare Rechtsansicht vermag selbst dann keinen Amtshaftungsanspruch zu begründen, wenn die Entscheidung der bisherigen Judikatur widerstreitet. Entscheidend ist, ob bei pflichtgemäßer Überlegung die Entscheidung als vertretbar bezeichnet werden kann (SZ 52/56; 1 Ob 21/80; EvBl. 1977/16;

Loebenstein-Kaniak, AHG 2 142 f). Im vorliegenden Fall ist die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die vom Oberlandesgericht Wien getroffene Kostenentscheidung sei nicht nur vertretbar, sondern auch richtig gewesen, zu billigen. Die Kläger haben im Verfahren vor dem Kreisgericht St. Pölten primär die Zivilteilung der Liegenschaft begehrt und nur ein Eventualbegehren auf Naturalteilung gestellt. Das Beweisverfahren bis zur Rücknahme des Hauptbegehrens diente weitgehend der Klärung der Frage, ob und in welcher Form die Naturalteilung der Liegenschaft möglich wäre. Mit dem Hauptbegehren wären die Kläger bei dessen Aufrechterhaltung unterlegen. Wäre kein Eventualbegehren, über das vor Erledigung des Hauptbegehrens nicht zu verhandeln ist, gestellt worden, wären die Kläger dem Beklagten voll kostenersatzpflichtig gewesen (§ 237 Abs. 3 ZPO). Wenn sie das Hauptbegehren in Anbetracht der vorliegenden Beweisergebnisse "fallen" ließen, sind sie insoferne als unterlegen zu betrachten. Wohl wird in der Lehre die Rechtsansicht vertreten (Fasching, Kommentar II 329), daß eine inhaltliche oder umfängliche Veränderung des Klagsantrages während des Verfahrens beim Kostenspruch nicht zu berücksichtigen sei; § 41 ZPO und nicht § 43 ZPO finde Anwendung, wenn die Partei während des Rechtsstreits auf einen Teil ihrer Forderung verzichte und das Klagebegehren in diesem Umfang einschränke, aber mit dem aufrecht gebliebenen Begehren obsiege. Fasching verweist aber auch auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 22.12.1909, GlUNF 4845, in der im Falle einer Klagseinschränkung § 43 ZPO für anwendbar erachtet wurde, weil auch das durch Einschränkung fallen gelassene Begehren Aufwand verursacht habe; für eine Phasenbildung in diesem Sinne tritt richtigerweise auch Hule, ÖJZ 1973, 480, 483, ein. Findet aber § 43 Abs. 1 ZPO Anwendung, so ist bei nicht in Geld bestehenden Urteilsansprüchen vom Gericht das Verhältnis des erfolgreichen und des abgewiesenen Begehrens nach freiem Ermessen abzuwägen (Fasching a.a.O. 330). Da es sich beim Hauptbegehren auf Zivilteilung und bei jenem auf Realteilung um gleichwertige Begehren handelt und maßgebend für die Kostenersatzpflicht die Dauer des Verfahrens und der Umfang des Aufwandes in den beiden Verfahrensabschnitten ist, war die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien, das im Hinblick auf die Zurückweisung des einen Begehrens zu einer Kostenaufhebung gelangte, jedenfalls für die Kläger nicht nachteilig. Ein Schaden wurde ihnen damit nicht zugefügt. Das Klagebegehren ist, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten, nicht gerechtfertigt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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