Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit 5.977,85 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 320 S Barauslagen und 514,35 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war bei der beklagten GesmbH seit 26.November 1979 als kaufmännischer Angestellter beschäftigt. Mit Schreiben vom 14. Februar 1984 erklärte er seinen vorzeitigen Austritt, weil eine mit 1.Jänner 1984 wirksam gewordene kollektivvertragliche Gehaltserhöhung von 3,5 % bis zum Ablauf der von ihm gesetzten Nachfrist nicht ausgezahlt worden sei. Er begehrt nunmehr von der beklagten Partei insgesamt 131.247,46 S brutto sA an Kündigungsentschädigung (einschließlich der anteiligen Sonderzahlungen), Urlaubsentschädigung und Abfertigung.
Die beklagte Partei hat dieses Begehren nur dem Grunde nach bestritten. Eine rechtzeitige Überweisung der Gehaltserhöhung sei wegen Überlastung der mit der Lohnverrechnung befaßten Steuerberatungskanzlei nicht möglich gewesen. Die beklagte Partei habe dies ihren Arbeitnehmern mitgeteilt und zugleich darauf hingewiesen, daß sie den Anspruch selbstverständlich erfüllen werde; sie wäre auch zur Auszahlung eines Vorschusses bereit gewesen. Bei einem Gesamtbezug des Klägers von monatlich 12.275,10 S netto sei die verzögerte Auszahlung eines Betrages von nur 199,11 S netto kein wichtiger Austrittsgrund im Sinne des § 26 Z 2 AngG.
Außer Streit steht, daß die mit 1.Jänner 1984 wirksam gewordene kollektivvertragliche Gehaltserhöhung des Klägers 559 S brutto (= 199,11 S netto) betragen hat.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und stellte folgenden Sachverhalt fest:
Das Monatsgehalt des Klägers hatte bis zum 31.Dezember 1983 16.534 S brutto betragen.
Während die von der beklagten Partei mit der Lohnverrechnung beauftragte Steuerberatungskanzlei Dr. F*** in den vorangegangenen Jahren kollektivvertragliche Gehaltserhöhungen ohne besonderen Auftrag berücksichtigt hatte, teilte sie im Jänner 1984 der beklagten Partei mit, daß infolge Arbeitsüberlastung die mit 1. Jänner 1984 in Kraft getretene Gehaltserhöhung im Jännergehalt noch nicht berücksichtigt worden sei.
Nachdem der Kläger auf Grund seines Kontoauszuges festgestellt hatte, daß bei der Gehaltszahlung für Jänner 1984 die kollektivvertragliche Erhöhung nicht berücksichtigt worden war, richtete er gemeinsam mit anderen Arbeitnehmern eine schriftliche Aufforderung an die beklagte Partei, die Nachzahlung prompt durchzuführen. Dieses Schreiben wurde dem Geschäftsführer der beklagten Partei, Guido Z***, nicht persönlich überreicht, sondern auf den Schreibtisch gelegt. Daraufhin teilte die Sekretärin des Geschäftsführers noch am selben Tag den Angestellten mit, daß es sich bei der Gehaltszahlung für Jänner 1984 nur um eine Akontozahlung gehandelt habe. Der Kläger und andere Belegschaftsmitglieder forderten hierauf den Geschäftsführer der beklagten Partei mit Schreiben vom 3.Februar 1984 auf, die Nachzahlung so vorzunehmen, daß sie spätestens Freitag, den 10. Februar 1984 den ausstehenden Differenzbetrag erhalten würden. Guido Z*** trug seiner Sekretärin abermals auf, sie solle den Angestellten sagen, daß das Rechnungsbüro die Abrechnung noch nicht durchgeführt habe und daher die Auszahlung später erfolgen werde; gleichzeitig meinte er, es sei "am gescheitesten", diese Nachzahlung zusammen mit dem Februargehalt vorzunehmen, um eine zweimalige Anweisung zu vermeiden. Persönlich hat der Geschäftsführer der beklagten Partei mit dem Kläger über diese Angelegenheit nicht gesprochen.
Nachdem der Kläger die Nachzahlung bis zum 14.Februar 1984 nicht auf sein Gehaltskonto überwiesen erhalten hatte, erklärte er noch am selben Tag seinen vorzeitigen Austritt gemäß § 26 AngG und verlangte die Abrechnung seiner Ansprüche bis spätestens 29.Februar 1984. Mit Schreiben vom 15.Februar 1984 sprach die beklagte Partei die Entlassung des Klägers wegen Arbeitsverweigerung und Vertrauensunwürdigkeit aus.
Die Neuberechnung der Gehälter erhielt die beklagte Partei von der Steuerberatungskanzlei Dr. F*** am 14.Februar 1984.
Rechtlich meinte das Erstgericht, daß bei einem Gesamtmonatsbezug von 16.534 S brutto ein Rückstand von 559 S brutto oder 199,11 S netto dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist keineswegs unzumutbar mache; angesichts der Äußerungen der beklagten Partei hätte der Kläger zumindest bis zur nächsten Gehaltsauszahlung zuwarten müssen. Da die beklagte Partei mit Grund angenommen habe, die Gehaltsdifferenz für Jänner 1984 gemeinsam mit dem Februargehalt nachzahlen zu können, fehle es auch an einer subjektiven Pflichtwidrigkeit der Arbeitgeberin.
Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Das Berufungsgericht führte die Verhandlung gemäß § 25 Abs. 1 Z 3 ArbGG von neuem durch und kam dabei zu den gleichen Tatsachenfeststellungen wie das Ersturteil. Davon ausgehend, billigte es auch die rechtliche Beurteilung dieses Sachverhalts durch das Prozeßgericht erster Instanz: Von einem Vorenthalten des Entgelts im Sinne des § 26 Z 2 AngG und damit von einer wesentlichen Vertragsverletzung des Arbeitgebers, welche dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht, könne hier schon deshalb nicht gesprochen werden, weil es sich um einen einmaligen Vorfall gehandelt habe, welcher dem Kläger keinen Anlaß zu einer ernstlichen Besorgnis gegeben habe, er werde das ihm gebührende Entgelt nicht bekommen. Auf Grund der ihm bekannten Umstände - dem Kläger sei ebenso wie allen anderen Arbeitnehmern zweimal mitgeteilt worden, daß die Erhöhung mit der nächsten Gehaltsauszahlung rückwirkend überwiesen werde, wobei die beklagte Partei sogar Akontozahlungen angeboten habe - wäre dem Kläger ein Zuwarten bis zum nächsten Gehaltstermin durchaus zumutbar gewesen.
Das Urteil des Berufungsgerichtes wird seinem ganzen Inhalt nach vom Kläger mit Revision aus dem Grunde des § 503 Abs. 1 Z 4 ZPO bekämpft. Der Kläger beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß seinem Zahlungsbegehren stattgegeben werde; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Gemäß § 26 Z 2 AngG ist als ein wichtiger Grund, der den Angestellten zum vorzeitigen Austritt berechtigt, insbesondere anzusehen, wenn der Dienstgeber das dem Angestellten zukommende Entgelt ungebührlich schmälert oder vorenthält. Im Zusammenhang damit hat der Oberste Gerichtshof schon mehrfach darauf verwiesen, daß nicht schlechthin jede, sondern nur eine wesentliche Vertragsverletzung, die dem Angestellten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar macht, zur vorzeitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses berechtigt (Arb. 7644 = SozM I D 375; Arb. 7838 = SozM I A d 543; Arb. 9897 = SozM I A d 1242 ua). Ob diese Voraussetzungen zutreffen, kann immer nur auf Grund der Umstände des Einzelfalles beurteilt werden (Arb. 10.147); eine einmalige kurzfristige Verzögerung der Entgeltzahlung wird in der Regel nicht als ungebührliches Vorenthalten im Sinne des § 26 Z 2 AngG gewertet werden können, sofern der Arbeitnehmer nicht ernstlich annehmen muß, er werde das ihm gebührende Entgelt nicht bekommen (EvBl 1953/116; SozM I A d 1037; im gleichen Sinn auch 4 Ob 106/84). Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen eine wesentliche Vertragsverletzung im dargestellten Sinn mit Recht verneint. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils hatte Guido Z*** dem Kläger - ebenso wie allen anderen Arbeitnehmern - durch seine Sekretärin mitteilen lassen, daß es sich bei der Gehaltszahlung für Jänner 1984 nur um eine Akontozahlung gehandelt habe. Die weitere tatsächliche Annahme des Berufungsgerichtes, daß dem Kläger zweimal mitgeteilt wurde, die Erhöhung werde mit der nächsten Gehaltsauszahlung rückwirkend nachgezahlt werden, wobei die beklagte Partei sogar Akontozahlungen angeboten habe, ist in dritter Instanz gleichfalls unbeanstandet geblieben. Unter diesen Umständen bedeutet aber der einmalige Verzug mit der Auszahlung der kollektivvertraglichen Gehaltserhöhung von 3,5 % des letzten Bruttobezuges keine so schwerwiegende Vertragsverletzung, daß der Kläger darauf nur mit der Setzung einer 7-tägigen Nachfrist und nach deren Ablauf mit dem vorzeitigen Austritt reagieren konnte. Im Sinne der zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils wäre es ihm vielmehr zumutbar gewesen, nicht auf der sofortigen Zahlung des Differenzbetrages zu bestehen, sondern mit allfälligen dienstrechtlichen Schritten bis zur Auszahlung des Februargehalts zuzuwarten.
Die Revisionsbehauptung des Klägers, er habe schon in zweiter Instanz eine Vielzahl gleichartiger Verletzungen sowie wiederholte Unregelmäßigkeiten bei der Gehaltsauszahlung aufgezeigt, deren Berücksichtigung das Verhalten der beklagten Partei in einem ganz anderen Licht erscheinen ließe, findet in seinem Berufungsvorbringen keine Deckung. Daß der Kläger - die Richtigkeit dieses Vorbringens vorausgesetzt - der beklagten Partei mehrfach Geldbeträge zur Bezahlung gelieferter Waren vorstrecken mußte, ist für die Beurteilung der jetzt zur vorzeitigen Vertragsauflösung führenden Verzögerung der Entgeltzahlung ebensowenig von Bedeutung wie Differenzen über den Ersatz von bei einer Bulgarienreise aufgelaufenen Spesen. Daß die beklagte Partei jemals mit einer Gehaltszahlung an den Kläger in Verzug geraten wäre, wurde in der Berufung nicht behauptet; bei den vom Kläger in diesem Zusammenhang angeführten Verzögerungen der Entgeltzahlung an seine Arbeitskollegen R*** und E*** war es nach seinem eigenen Vorbringen um unterschiedliche Auffassungen über die Berechnung kollektivvertraglicher Gehaltserhöhungen gegangen. Soweit aber in der Berufung eine Reihe von "Indizien" angeführt werden, welche auf wirtschaftliche Schwierigkeiten, ja vielleicht sogar auf eine bevorstehende Zahlungsunfähigkeit der beklagten Partei hingedeutet hätten, handelt es sich auch dabei nicht um solche Umstände, daß der Kläger mit Grund hätte befürchten müssen, bei einem Zuwarten um weitere 14 Tage den ausstehenden Erhöhungsbetrag von nur rund 200 S netto zu verlieren.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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