OGH 9Os68/86

OGH9Os68/867.5.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.Mai 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner sowie Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Enzenhofer als Schriftführer in der Strafsache gegen Joachim K*** wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1, 129 Z 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Jugendschöffengericht vom 5.November 1985, GZ 22 Vr 1512/85-16, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Scheibenpflug, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und dessen Verteidigers zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Jugendschöffengericht vom 5.November 1985, GZ 22 Vr 1512/85-16, verletzt durch den Ausspruch, der Angeklagte habe den ihm zu Punkt I/2 des Schuldspruches zur Last liegenden Diebstahl "durch Einsteigen" begangen sowie durch die darauf beruhende rechtliche Beurteilung der dem Angeklagten zu Punkt I/1 und 2 des Urteilssatzes angelasteten Diebstähle (insgesamt) als Verbrechen des Diebstahls durch Einbruch, das Gesetz in der Bestimmung des § 129 Z 1 StGB. Dieses Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, wird in dem oben bezeichneten Ausspruch, ferner in der darauf beruhenden rechtlichen Beurteilung der dem Angeklagten laut Punkt I/1 und 2 des Urteilssatzes weiterhin zur Last fallenden Diebstähle (auch) als durch Einbruch begangenes Verbrechen gemäß § 129 Z 1 StGB sowie demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs nach § 38 StGB) aufgehoben; die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht Salzburg zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung gegen das bezeichnete Urteil wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem oben angeführten - auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch (von einem weiteren Diebstahlsvorwurf hinsichtlich eines Autoradios und zweier Reisedecken) enthaltenden - Urteil wurde der am 27.Juni 1967 geborene Joachim K*** des (in zwei Angriffen begangenen) Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1, 129 Z 1 StGB und des Vergehens des teils (nämlich in einem Fall) vollendeten, teils (und zwar in drei Fällen) versuchten unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 (erster Deliktsfall), 15 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten verurteilt. Der Angeklagte bekämpft dieses Urteil mit Berufung, über die vom Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht noch nicht entschieden wurde.

Maßgebend für die Annahme der (allein) verbrechensbegründenden und gleichzeitig strafsatzbestimmenden Diebstahlsqualifikation (durch Einbruch) nach § 129 Z 1 StGB war der Schuldspruch laut Punkt I/2 des Urteilssatzes, wonach der Angeklagte am 20.März 1985 in Großarl dem Johann G*** "durch Einsteigen in dessen Haus" einen Bargeldbetrag von 2.700 S mit Bereicherungsvorsatz weggenommen hat. Diese Tathandlung steht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Schuldspruch laut Punkt II/4 des Urteilssatzes, demzufolge der Angeklagte am selben Ort und zur selben Zeit den PKW (Marke Audi 80 C) des Johann G*** ohne Einwilligung des Berechtigten in Gebrauch genommen hat, wobei er sich die Gewalt über das Fahrzeug mit einem durch Einsteigen in das zuvor bezeichnete Haus des Johann G*** widerrechtlich erlangten Schlüssel verschaffte. Den wesentlichen Urteilsfeststellungen zufolge machte sich der Angeklagte nach seiner Tätigkeit als Disc-Jockey und einem anschließenden Gasthausbesuch gegen 3.30 Uhr des 20.März 1985 in erheblich alkoholisiertem Zustand auf den Heimweg. Als er beim Haus der Familie P*** vorbeikam und dort den vor der Garage abgestellten PKW der Marke Alfa Romeo Giuletta sah, beschloß er spontan, diesen PKW unbefugt in Gebrauch zu nehmen. Er setzte sich in das unversperrte Fahrzeug, mußte jedoch sein Vorhaben aufgeben, weil er den Startschlüssel nicht fand. Nachdem er schließlich aus dem PKW ein "Schweizer-Messer", zwei Musikkassetten und eine Gletscherbrille im Gesamtwert von ca. 350 S gestohlen hatte, begab er sich zu dem ca. 60 Meter entfernt gelegenen Parkplatz der Pension "H***", wo er den unversperrt abgestellten PKW des Rolf C*** in Betrieb nehmen wollte. Da er auch hier keinen Startschlüssel fand, verließ er das Fahrzeug und ging zur Pension "L***", wo er in mehrere Fahrzeuge einzudringen versuchte, um sie in Betrieb zu nehmen. Sein Vorhaben scheiterte jedoch, weil die ins Auge gefaßten Kraftwagen versperrt waren.

Daraufhin ging er zum ca. 30 m entfernten Haus des Hauptschuldirektors Johann G***. Dort öffnete er die unversperrte Garage. Als er merkte, daß am unversperrten PKW der Marke Audi 80 C kein Startschlüssel steckte, entschloß er sich, in das Haus einzudringen. Nachdem er zuerst von außen über die Terrasse vergeblich in das Haus gelangen wollte, stieg er schließlich durch das links neben der Haustür gelegene und nicht verriegelte Fenster nach (dessen) Aufdrücken in den Abstellraum ein. Von dort gelangte er in das Vorhaus und nach Einschalten des Lichtes über die Stiege in den ersten Stock, wo er auf einer Konsole den Autoschlüssel und eine Brieftasche liegen sah. Aus dieser stahl er einen Betrag von

2.700 S, nahm dann den Autoschlüssel an sich und entfernte sich auf dem "Anmarschweg". Hernach startete er den PKW mit dem widerrechtlich erlangten Schlüssel und fuhr damit eine größere Wegstrecke, wobei das Fahrzeug (durch Kollisionen) erheblich beschädigt wurde.

Die Generalprokuratur vermeint dazu in der von ihr gegen das bezeichnete Urteil erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes, es ergebe sich aus der sprachlichen Fassung der Urteilsgründe, also aus den zuvor wiedergegebenen Urteilskonstatierungen, daß nach der Annahme des Jugenschöffengerichtes das Einsteigen des Angeklagten in das Haus des Johann G*** ausschließlich zum Zweck erfolgte, um dort nach dem Startschlüssel für das in der Garage stehende Auto zu suchen, sich ihn anzueignen und dann (durch dessen Einsatz) mit dem Wagen wegfahren zu können; die Geldwegnahme sei hingegen nach den erstgerichtlichen Konstatierungen eine spontane Tat des Angeklagten gewesen, die er aus einer momentanen Eingebung heraus begangen habe, nachdem er zusätzlich eine Brieftasche mit Geld entdeckt hatte. Diese Ansicht findet jedoch weder im Wortlaut des Urteils noch in der Verantwortung des Angeklagten eine eindeutige Stütze. Demnach kann der Beschwerde in sachverhaltsmäßiger Beziehung nur dahin gefolgt werden, daß das Urteil jedenfalls keinen Aufschluß darüber gibt, ob der Vorsatz des Angeklagten zum Zeitpunkt des Einsteigens in das Haus des Johann G*** (auch) auf eine (wie immer geartete) Sachwegnahme mit Bereicherungsvorsatz gerichtet war.

Rechtliche Beurteilung

Schon daraus ergibt sich aber, daß das Urteil des Landesgerichtes Salzburg insoweit, als der Angeklagte damit zu Punkt I des Urteilssatzes des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch schuldig erkannt wurde, das Gesetz in der Bestimmung des § 129 Z 1 StGB verletzt; denn die Annahme dieser Qualifikation setzt voraus, daß der Täter bereits bei der tatqualifizierenden Tätigkeit (hier: Einsteigen) mit Diebstahlsvorsatz handelt; demzufolge müßte also das Einsteigen in das Gebäude schon zu dem Zweck erfolgt sein, um fremde bewegliche Sachen mit Bereicherungsvorsatz wegzunehmen. Ein etwaiger dolus superveniens des zunächst aus anderen Gründen in das Haus eingedrungenen Täters vermag diesen Vorsatz nicht zu ersetzen (vgl. EvBl. 1969/190, SSt. 11/13; Kienapfel BT II § 129 RN 7).

Wegen des Fehlens der für eine Unterstellung unter § 129 Z 1 StGB erforderlichen eindeutigen Feststellungen ist das Urteil insoweit mit dem materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 10 StPO behaftet. In Stattgebung der von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher diese Gesetzesverletzung wie im Spruch festzustellen. Da sie dem Angeklagten zum Nachteil gereicht, war im Sinn des § 292 letzter Satz StPO zunächst der davon betroffene Teil des relevierten Urteils aufzuheben. Da jedoch, entgegen der Meinung der Generalprokuratur, nach der Aktenlage - insbesondere im Hinblick auf das (allgemein gehaltene) Geständnis des Angeklagten in der Hauptverhandlung und den Umstand, daß im PKW, aus dem er die von Punkt I/1 des Urteilssatzes erfaßten Gegenstände gestohlen hat, "ein paar Kabel lose herunterhingen" (vgl. S 19) - die Feststellbarkeit eines beim Angeklagten schon zum Zeitpunkt des Einsteigens vorgelegenen Diebstahlsvorsatzes (mit zureichender Begründung) jedenfalls nicht ausgeschlossen erscheint, war nicht sogleich in der Sache selbst (durch Ausschaltung der bezeichneten Verbrechensqualifikation) zu erkennen, sondern die Verfahrenserneuerung (im Umfang der Urteilsaufhebung) anzuordnen. Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte