Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die betreibende Partei hat die Kosten des Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Mit für vollstreckbar erklärtem Versäumungsurteil des Bezirksgerichtes Kufstein vom 18.10.1984, 4 C 601/84, wurde die Demokratische Volksrepublik A*** verurteilt, der L***-W*** Verwaltungsgesellschaft m.b.H.& Co.KG binnen 14 Tagen 61.889,08 S samt Zinsen und Kosten zu zahlen.
Auf Grund dieses Versäumungsurteils bewilligte das Erstgericht der betreibenden Partei zur Hereinbringung der ihr zuerkannten Forderung samt Nebengebühren die Pfändung der der verpflichteten Partei gegen den Drittschuldner C***-B*** aus dem
laufenden Kontoführungsvertrag über das Girokonto 0020-76636/00 zustehenden Forderungen in unbekannter Höhe.
In ihrem Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung, in dem die verpflichtete Partei in erster Linie die Abweisung des Exekutionsantrages beantragte, behauptete sie im wesentlichen, daß die betreibende Partei nicht einmal behauptet habe, das gepfändete Botschaftskonto sei nicht für hoheitliche Zwecke der verpflichteten Partei gewidmet. Schon deshalb wäre der Exekutionsantrag abzuweisen. Im Rekurs bezog sich die verpflichtete Partei auf eine beim Bundesministerium für Justiz hinterlegte Bestätigung ihrer Botschaft in Wien vom 11.12.1985, daß das auf "Algerische Botschaft" lautende Konto 20-76636/00 bei der C***-B*** in Wien ein
offizielles Konto für hoheitliche Zwecke und nicht für private Angelegenheiten der Botschaft sei.
In einem dem Erstgericht vom Bundesministerium für Justiz übermittelten Schreiben des Bundesministeriums für Auswärtige Angelegenheiten an das Bundesministerium für Justiz vom 6.12.1985, GZ.6.01.2/6-I.1b/85, wird darauf hingewiesen, daß Forderungen aus einem laufenden allgemeinen Bankkonto der Botschaft eines fremden Staates, das im Empfangsstaat bestehe und zur Deckung der Ausgaben und Kosten der Botschaft bestimmt sei (operating account), keinesfalls der Zwangsvollstreckung durch den Empfangsstaat unterliegen.
Am 16.12.1985 teilte der Drittschuldner dem Erstgericht mit, daß die verpflichtete Partei Inhaberin des mehrfach genannten Kontos sei, das als "Botschafterkonto" geführt werde, und daß alle Überweisungsaufträge beziehungsweise Überweisungseingänge beim Drittschuldner über dieses Konto abgewickelt würden. Das Rekursgericht wies den Exekutionsantrag ab, weil es sich der Rechtsmeinung der Rekurswerberin anschloß, daß die Exekutionsbewilligung gegen das Völkerrecht verstoße, zumal das hoheitlichen Zwecken des verpflichteten Staates gewidmete Konto der Exekution entzogen sei.
Rechtliche Beurteilung
Das Rekursgericht sprach mit Recht aus, daß der (Revisions-)Rekurs (nach § 502 Abs.4 Z 1 ZPO) zulässig sei, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der im Hinblick auf den völkerrechtlichen Bezug zur Wahrung insbesondere der Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt.
Der in erster Linie auf Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung, allenfalls auf Aufhebung der Rekursentscheidung gerichtete Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist zwar zulässig (§ 78 EO und §§ 502 Abs.4 Z 1 und 528 Abs.2 ZPO), aber nicht begründet.
Der Oberste Gerichtshof hat schon in seiner Entscheidung vom 6.8.1958, 6 Ob 126/58, teilweise veröffentlicht in Neuhold-Hummer-Schreuer, Österr.Handbuch des Völkerrechts, Band 2:
Materialienteil D 121, ausgeführt, daß auf exterritoriale Sachen jegliche Zwangsvollstreckung ausgeschlossen sei (Walker, Internationales Privatrecht 5 ,180). Gegen Exterritoriale, also auch gegen ausländische Staaten (SZ 3/32 u.a.), sei die Erlassung eines Zahlungsverbotes oder eines Drittverbotes nur unter den Voraussetzungen des Art.IX Abs.2 EGJN möglich (MGA EO, 1953,942). Erhebungen in der Richtung, ob es sich bei dem Bankkonto um eine exterritoriale Sache oder um ein Konto aus kommerziellen privatrechtlichen Geschäften oder zu deren Abwicklung handle, seien nicht vorgenommen worden, obwohl davon abhänge, ob die (im damaligen Fall beantragte) einstweilige Verfügung überhaupt bewilligt werden könne. Aus dem Umstand allein, daß das Bankkonto zugunsten des beklagten ausländischen Staates "beziehungsweise deren Gesandtschaft" bestehe, könne noch nicht zwingend geschlossen werden, daß hier ein Konto zum ausschließlichen Zweck der Ausübung der Souveränitätsrechte (Auslandsvertretung) eines ausländischen Staates, nicht aber etwa ein auch privatrechtlichen Zwecken dienendes Vermögen vorliege, was nunmehr insbesondere durch Einholung einer Erklärung nach Art.IX Abs.3 EGJN aufzuklären sein werde.
Unter Berufung auf diese Entscheidung kommentieren Heller-Berger-Stix I 355, Vermögen des ausländischen Staates, das Hoheitszwecken diene, sei der inländischen Gerichtsbarkeit entzogen, so insbesondere auch Bankguthaben, die solchen Zwecken (Personal- und Sachaufwand einer diplomatischen Vertretung) dienten. Ein solches Bankguthaben könne daher auch bei einer zulässigen Klage gegen den fremden Staat nicht durch eine einstweilige Verfügung gesperrt werden.
Neuhold-Hummer-Schreuer, Österreichisches Handbuch des Völkerrechts, Band I: Textteil, führen aus, daß hoheitliches Vermögen eines fremden Staates von Vollstreckungsmaßnahmen ausgenommen sei. Ob ein bestimmter Vermögenswert dem hoheitlichen Vermögen zuzuzählen sei, hänge, anders als die Abgrenzung der Gerichtsbarkeit, nicht von der Art der Innehabung, sondern von der Zweckbestimmung des Vermögens ab. Es sei also nicht schon eine Zwangsvollstreckung in jedes Bankguthaben eines ausländischen Staates deshalb zulässig, weil er auch Privatguthaben besitzen könnte (Rdz 747). Das zur Vollstreckung aufgeforderte Gericht müsse aber Nachforschungen darüber anstellen können, ob ein Vermögenswert eines ausländischen Staates hoheitlichen oder nicht hoheitlichen Zwecken gewidmet sei. Diesbezüglich wird auch die oben zitierte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zustimmend erwähnt (Rdz 748). Verdross-Simma, Universelles Völkerrecht 3 ,770 f. lehren, daß die Rechtsprechung im Vollstreckungsverfahren auf den Zweck des Vermögens des fremden Staates abstelle und berufen sich diesbezüglich auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichtes vom 13.12.1977, BVerfGE 46,342 (388), NJW 1978/485, auch teilweise wiedergegeben in Neuhold-Hummer-Schreuer, a.a.O., Band 2, Materialienteil D 122, die diese Entscheidung im Band 1: Textteil Rdz 748 allerdings als "wohl zu zurückhaltend" beurteilen. Nach Meinung des Bundesverfassungsgerichtes habe es im Zeitpunkt seiner Entscheidung an einer Übung der Staaten, die noch hinreichend allgemein oder von der notwendigen Rechtsüberzeugung getragen gewesen wäre, gefehlt, um eine allgemeine Regel des Völkerrechts zu begründen, nach der dem Gerichtsstaat die Zwangsvollstreckung gegen einen fremden Staat schlechthin verwehrt wäre. Es bestehe aber eine allgemeine Regel des Völkerrechts, wonach die Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsstaat aus einem gerichtlichen Vollstreckungstitel gegen einen fremden Staat, der über ein nicht hoheitliches Verhalten (acta iure gestionis) dieses Staates ergangen sei, in Gegenständen dieses Staates, die sich im Hoheitsbereich des Gerichtsstaates befänden oder dort belegen seien, ohne Zustimmung des fremden Staates unzulässig sei, soweit diese Gegenstände im Zeitpunkt des Beginns der Vollstreckungsmaßnahme hoheitlichen Zwecken des fremden Staates dienten. Bei Maßnahmen der Sicherung oder Zwangsvollstreckung gegen einen fremden Staat dürfe von Völkerrechts wegen nicht auf die zum gegebenen Zeitpunkt seiner diplomatischen Vertretung zur Wahrnehmung ihrer amtlichen Funktionen dienenden Gegenstände zugegriffen werden (ne impediatur legatio). Wegen der Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Beurteilung einer Gefährdung dieser Funktionsfähigkeit und wegen der latent gegebenen Mißbrauchsmöglichkeiten ziehe das allgemeine Völkerrecht den Schutzbereich zugunsten des fremden Staates sehr weit und stelle auf die typische, abstrakte Gefahr, nicht aber auf die konkrete Gefährdung der Funktionsfähigkeit der diplomatischen Vertretung ab. Forderungen aus einem laufenden, allgemeinen Bankkonto der Botschaft eines fremden Staates, das im Gerichtsstaat bestehe und zur Deckung der Ausgaben und Kosten der Botschaft bestimmt sei, unterlägen daher nicht der Zwangsvollstreckung durch den Gerichtsstaat. Es würde eine völkerrechtswidrige Einmischung in die ausschließliche Angelegenheit des Entsendestaates darstellen, diesem ohne seine Zustimmung von seiten der Vollstreckungsorgane des Empfangsstaates anzusinnen, das Bestehen oder die früheren, gegenwärtigen oder künftigen Verwendungszwecke von Guthaben auf einem solchen Konto näher darzulegen. Es bleibe offen, ob und nach welchen Maßstäben, Forderungen und sonstige Rechte aus anderen Konten eines fremden Staates bei Banken im Gerichtsstaat, etwa aus besonderen Konten im Zusammenhang mit Beschaffungskäufen oder Anleihebegebungen oder aus Konten ohne besondere Zweckbestimmung, als hoheitliche oder nicht hoheitliche Vermögensgegenstände zu qualifizieren seien, und welche völkerrechtlichen Grenzen gegebenenfalls für das Beweisrecht insoweit zu beachten seien. Dem privaten Einzelnen, der in privatwirtschaftliche Beziehungen zu einem fremden Staat treten wolle, bleibe es unbenommen, etwa durch die Vereinbarung über die Art und Weise der Abwicklung der Leistungen, über das Verfahren im Streitfall, insbesondere über einen Verzicht der Immunität, der grundsätzlich unwiderruflich sei, oder über Sicherheiten seine Interessen soweit als möglich zu wahren.
Weiters zitierten Verdross-Simma in diesem Zusammenhang auch die schon mehrfach genannte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes und die Entscheidung des britischen Court of Appeal vom 24.10.1983 im Falle Alcom Ltd v.Colombia et al, ILM 22 (1983), Seite 1307 ff; AJIL 78 (1984), Seite 451 f.
Der erkennende Senat hält die in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 6 Ob 126/58 gemachte Einschränkung, daß die Exekution auf ein bei einem inländischen Kreditinstitut laufendes Konto der Vertretung eines ausländischen Staates nur dann unzulässig ist, wenn dieses Konto ausschließlich dem Zweck der Ausübung der Souveränitätsrechte (Auslandsvertretung) des ausländischen Staates diene, nicht aber auch dann, wenn es auch privatrechtlichen Zwecken diene, nicht aufrecht. Er schließt sich vielmehr insbesondere wegen der diesbezüglichen Abgrenzungsschwierigkeiten der auch in der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes vertretenen Meinung an, daß das allgemeine Völkerrecht den Schutzbereich zugunsten des fremden Staates sehr weit zieht und auf die typische, abstrakte Gefahr für die Funktionsfähigkeit seiner diplomatischen Vertretung abstellt. Forderungen auf einem laufenden allgemeinen Bankkonto der Vertretungsbehörde eines fremden Staates im Inland, das (auch) zur Deckung der Ausgaben und Kosten der Vertretungsbehörde bestimmt ist, unterliegen daher der Zwangsvollstreckung im Inland ohne Zustimmung des fremden Staates nicht.
Diese Meinung deckt sich übrigens auch mit dem im erwähnten Schreiben des Bundesministeriums für Auswärtige Angelegenheiten an das Bundesministerium für Justiz vom 6.12.1985 vertretenen Rechtsstandpunkt.
Wegen dieses der Exekution auf Bankkonten ausländischer Vertretungsbehörden im Inland im allgemeinen entgegenstehenden Hindernisses hätte die betreibende Partei im Sinn des § 54 Abs.1 Z 3 EO behaupten und nach § 55 Abs.2 EO beweisen müssen, daß das in Exekution gezogene Konto der verpflichteten Partei (ihrer Botschaft in Wien) ausschließlich privatrechtlichen Zwecken dient und daher ausnahmsweise nicht der Exekution entzogen ist. Das Fehlen dieser wesentlichen Angaben und Beweise bildet einen Abweisungsgrund (Heller-Berger-Stix, I 619 f.), ohne daß ein Zweifesfall im Sinn des Art.IX Abs.3 EGJN oder eine Nichtigkeit im Sinn des § 42 JN vorlägen. Dem unbegründeten Revisionsrekurs ist daher nicht Folge zu geben. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 74 und 78 EO sowie den §§ 40, 41 und 50 ZPO.
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