Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 10.198,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 927,15 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit seiner am 26.7.1984 eingebrachten Klage beantragte der Kläger die Feststellung, daß der am 7.11.1949 zwischen den Parteien abgeschlossene Erbvertrag "gänzlich entkräftet sei". Er brachte vor, im genannten Erbvertrag, bei dessen Abschluß die Streitteile noch verheiratet gewesen seien, habe der Kläger die Beklagte als Universalerbin bezüglich drei Viertel seines Nachlasses vertraglich und hinsichtlich des letzten Viertels testamentarisch eingesetzt. Die Tochter des Klägers aus erster Ehe, Erika W***, sei auf den Pflichtteil gesetzt worden. Entgegen den bei Abschluß des Erbvertrages durchaus berechtigten Annahmen sei am 12.7.1955 als eheliche Tochter der Streitteile Ivonne R*** geboren worden. An einen derartigen Umstand sei bei Abschluß des Erbvertrages nicht gedacht und daher für einen derartig später entstandenen Noterben im Erbvertrag keine Vorkehrung getroffen worden. Gemäß § 778 ABGB, der analog auch auf Erbverträge angewendet werden müsse, sei der Erbvertrag daher ex lege entkräftet worden. Da die Beklagte trotzdem sich ihrer Rechte aus dem Erbvertrag berühme, bestehe ein Interesse an der Feststellung, daß der Erbvertrag nicht mehr dem Rechtsbestand angehöre.
Die Beklagte bestritt das Klagsvorbringen und beantragte, das Klagebegehren abzuweisen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne weiteres Verfahren ab. Es vertrat die Rechtsansicht, das auf § 778 ABGB gestützte Begehren sei zunächst schon deshalb verfehlt, weil der Kläger bereits bei Abschluß des Erbvertrages ein Kind gehabt habe, weshalb diese Bestimmung nicht anwendbar sei. Überdies sei nach § 778 ABGB der letzte Wille nicht ex lege entkräftet, sondern unterliege nur der Anfechtung mit Rechtsgestaltungsklage. Die vorliegende Feststellungsklage sei daher kein geeigneter Rechtsbehelf zur Bekämpfung des bloß anfechtbaren Erbvertrages. Schließlich räumten die §§ 777 f ABGB nur dem verkürzten Noterben, nicht aber dem Testator ein Anfechtungsrecht ein.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000, nicht aber S 300.000,- übersteigt und die Revision zulässig sei. Es teilte die Ansicht des Erstgerichtes, daß § 778 ABGB deshalb nicht anwendbar sei, weil der Kläger bei Abschluß des Erbvertrages bereits ein Kind gehabt habe, und daß nur der verkürzte Noterbe den Erbvertrag bekämpfen könne. Dem Erstgericht sei auch zuzustimmen, daß es, selbst wenn man das Klagsvorbringen auch als Anfechtung wegen Irrtums, unabhängig von der Sonderregel des § 778 ABGB auffasse, einer Rechtsgestaltungsklage und nicht einer Feststellungsklage bedurft hätte. Daß der Kläger nicht zu einer solchen angeleitet worden sei, begründe keinen Verfahrensmangel, weil sich aus der Berufung ergebe, daß der Kläger ungeachtet der Begründung des Ersturteiles darauf beharre, der Erbvertrag sei ex lege unwirksam geworden und daher das Feststellungsbegehren berechtigt. Daß der Kläger sein Begehren auf Anfechtung des Erbvertrages nicht allgemein auf den Willensmangel des Irrtums habe stützen wollen, erscheine auch verständlich, weil er in diesem Fall die Einwendung der Verjährung zufolge Ablaufes der im § 1487 ABGB normierten Frist hätte befürchten müssen, eine Einwendung, die den Berufungsausführungen folgend, in der Berufungsbeantwortung auch erhoben worden sei.
Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit den Anträgen, das Urteil im Sinne einer Klagsstattgebung abzuändern, oder es aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, allenfalls ihr nicht Folge zu geben. Die Revision ist zwar zulässig, weil die Frage, ob ein Erbvertrag auch bei Vorhandensein von Kindern wegen (weiterer) nachgeborener Kinder angefochten werden kann und ob dies auch ein Vertragspartner kann - soweit überblickbar - bisher noch nicht entschieden wurde.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.
Gemäß § 1254 ABGB kann der Erbvertrag zum Nachteil des anderen Gatten, mit dem er geschlossen worden ist, nicht widerrufen, sondern nur nach Vorschrift des Gesetzes entkräftet werden. Den Noterben bleiben ihre Rechte wie gegen eine andere letzte Anordnung vorbehalten. Ein Erbvertrag kann daher einerseits wegen Willensmängeln nach Vertragsrecht angefochten werden (Petrasch in Rummel ABGB Rdz 4 zu § 1249 und Rdz 1 zu § 1254; Ehrenzweig-Kralik, Erbrecht 108; Weiß in Klang-Komm. 2 , V, 939 FN 6), andererseits besteht die Möglichkeit einer Entkräftung analog § 778 ABGB, wegen Übergehen eines nachgeborenen Noterben, dessen nicht schon im Erbvertrag gedacht wurde (Petrasch, aaO Rdz 2 zu § 1254; Weiß, aaO, 940). Eine Anfechtung analog § 778 ABGB scheitert im vorliegenden Fall schon daran, daß der Kläger im Zeitpunkt des Abschlusses des Erbvertrages bereits eine Tochter hatte, die er auf den Pflichtteil setzte, er also nicht kinderlos im Sinne dieser Bestimmung war. Als Anfechtungsgrund wegen Willensmängeln käme unabhängig davon die Anfechtung wegen Irrtums über die Möglichkeit weiterer Nachkommenschaft in Frage.
Auch wenn man unterstellt, daß im Vorbringen des Klägers eine derartige Behauptung enthalten sei, ist für ihn nichts gewonnen. Aus der Todesbezogenheit des Rechtsgeschäftes von Todes wegen ergeben sich nämlich wesentliche Einschränkungen für die Anfechtung von Erbverträgen zu Lebzeiten des Erblassers. Sie wird nur möglich sein, wenn es sich nicht um Irrtümer handelt, die noch vor dem Tode des Erblassers heilen können. Der Irrtum des Erblassers über die Möglichkeit, daß ihm künftig Kinder geboren werden, ist aber nur dann relevant, wenn diese Kinder im Zeitpunkt seines Todes noch leben, erbfähig sind und den ihnen zugedachten Erbteil annehmen. Es erlangen auch gemäß § 778 letzter Satz ABGB die entkräfteten Anordnungen des letzten Willens wieder ihre Kraft, wenn der Noterbe vor dem Erblasser verstorben ist. Daraus kann der Grundsatz abgeleitet werden, daß ein im Irrtum vorgenommenes Rechtsgeschäft dann nicht mehr anfechtbar ist, wenn die irrig angenommene Sachlage nachträglich doch noch rechtzeitig - im Falle letztwilliger Verfügungen also im Zeitpunkt des Todes des Erblassers - eingetreten ist (Kralik, Das Testamentum ruptum und das Pflichtteilsrecht des unehelichen Kindes, JBl 1973, 541 ff, insbesondere 545). Dieser Grundsatz kann auch auf Irrtümer angewendet werden, welche Umstände der Person betreffen, die der Erblasser statt des Ehegatten bedacht wissen will. Aus diesem Grunde ist die Anfechtung eines Erbvertrages durch einen Vertragsteil wegen eines solchen Irrtums nicht zulässig. Ließe man nämlich die Anfechtung des Erbvertrages zu Lebzeiten des Erblassers durch diesen selbst zu, dann könnte dieser nach Beseitigung des Erbvertrages über sein Vermögen frei, also auch zugunsten einer Person verfügen, über die er bei Abschluß des Erbvertrages in keinerlei Irrtum befangen war (Ehrenzweig-Kralik, aaO 110). Ob der Erblasser die Möglichkeit hat, zugunsten des später geborenen Kindes testamentarisch zu verfügen und diesem die Anfechtung zu überlassen (Ehrenzweig-Kralik aaO), braucht in diesem Zusammenhang nicht erörtert werden. Ebenso ist für die vorliegende Entscheidung nicht wesentlich, ob § 778 ABGB nur eine besondere Beweislastregel neben der allgemeinen Regel des § 572 ABGB aufstellt oder Anfechtungen nur nach den Sonderbestimmungen der §§ 777 f ABGB möglich sind (vgl. dazu Kralik, JBl.1973, 546 und 548;
Koziol-Welser, Grundriß 7 II 291; Weiß in Klang-Komm. 2 . III, 288;
Welser in Rummel ABGB Rdz 5 zu § 572). Ebenso erübrigt es sich, auf die von den Vorinstanzen behandelte Frage einzugehen, ob der Erbvertrag nur durch Rechtsgestaltungsklage hätte angefochten werden können und ob das Erstgericht seiner Anleitungspflicht nachgekommen ist.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)