OGH 5Ob30/86

OGH5Ob30/868.4.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr.Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Mietrechtssache des Antragstellers Fritz S***, Kaufmann, Wien 7., Mariahilferstraße 96, vertreten durch Dr. Alfons Adam, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegner 1.) Dr. Hans N***, Rechtsanwalt, Wien 3., Uchatiusgasse 4, 2.) Hubert H***, Baumeister, Wien 1., Rotenturmstraße 5-9, dieser vertreten durch den Erstantragsgegner, wegen § 37 Abs.1 Z 2, § 6 Abs.2 MRG infolge Revisionsrekurses der Antragsgegner gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 22.Oktober 1985, GZ 41 R 616/85-38, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 16. Mai 1985, GZ 47 Msch 29/82-32, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Antrag der Rechtsmittelwerber auf Zuspruch von Anwaltskosten wird abgewiesen.

Text

Begründung

Nachdem sich die Antragsgegner mit der dem Antrag des Antragstellers stattgebenden Entscheidung der Schlichtungsstelle nicht zufriedengegeben und fristgerecht das Erstgericht angerufen hatten, trug ihnen (auch) dieses mit Sachbeschluß vom 28.7.1983, ON 10, gemäß § 6 Abs.1 MRG auf, die Gasleitungen des Hauses Wien 7., Mariahilferstraße 96, durch einen behördlich konzessionierten Professionisten instandsetzen zu lassen, wobei diese Arbeiten binnen 4 Wochen ab Rechtskraft der Entscheidung in Angriff zu nehmen und in einem Zug, längstens jedoch binnen weiterer 5 Wochen, durchzuführen seien.

Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Sachbeschluß am 20.12.1983 (ON 17).

Am 22.5.1984 beantragte der Antragsteller beim Erstgericht die Bewilligung der (Zwangs-)Verwaltung gemäß § 6 Abs.2 MRG, weil die Antragsgegner dem ihnen gemäß § 6 Abs.1 MRG erteilten Auftrag bisher nicht nachgekommen seien.

Das Erstgericht wies diesen Antrag mit Sachbeschluß vom 16.5.1985, ON 32, ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Mit dem am 22.9.1984 in Rechtskraft erwachsenen Bescheid der MA 37 (Baupolizei) vom 27.7.1984 wurde den Antragsgegner gemäß § 129 Abs.4 BO für Wien der Auftrag erteilt, binnen 12 Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides sämtliche Baulichkeiten der Liegenschaft EZ 641 KG Nebau Wien 7., Mariahilferstraße 96, räumen und nach erfolgter Räumung abtragen zu lassen. Gleichzeitig wurde für diese Gebäude gemäß § 68 Abs.3 AVG 1950 das aus der Bau- und Benützungsbewilligung erfließende Recht auf die konsensgemäße Benützung aufgehoben. Die Antragsgegner wurden verpflichtet, bis zur erfolgten Räumung und Abtragung alle jene Vorkehrungen zu treffen, die zur Hintanhaltung einer unmittelbaren Gefahr für die Benützer und Bewohner des Hauses sowie für die Anrainer und Straßenpassanten erforderlich sind. Schließlich wurde ausgesprochen, daß der Auftrag zur Räumung und Abtragung auch dann als erfüllt gilt, wenn innerhalb derselben Frist anstelle der Räumung und Abtragung die gegenständlichen Baulichkeiten entsprechend der Bauordnung für Wien instandgesetzt werden.

Nach dem im zu 42 C 245/76 des Erstgerichtes gegen den Antragsteller anhängigen Kündigungsverfahren wegen Abbruchsreife am 28.6.1982 erstatteten Sachverständigengutachten ist das Haus Wien 7., Mariahilferstraße 96, technisch und wirtschaftlich abbruchsreif.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus:

Da das Mietrecht des Antragstellers im Hinblick auf den rechtskräftigen baupolizeilichen Räumungs- und Abtragungsauftrag vom 27.7.1984 gemäß § 1112 ABGB untergegangen sei, fehle dem Antragsteller die Aktivlegitimation (zur Antragstellung nach § 6 Abs.2 MRG). Die den Antragsgegnern im genannten baupolizeilichen Auftrag eingeräumte Möglichkeit, die Baulichkeiten innerhalb der für die Räumung und Abtragung gesetzten Frist instandzusetzen, wirke sich deshalb nicht im Sinne der Entscheidung MietSlg.25.236 zugunsten des Antragstellers aus, weil diese Instandsetzung den Antragsgegnern technisch und wirtschaftlich nicht mehr zumutbar sei. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers am 22.10.1985 (ON 38) Folge und änderte den erstgerichtlichen Sachbeschluß dahin ab, daß er zu lauten habe:

"Zum Zweck der Durchführung der mit Sachbeschluß vom 28.7.1983, ON 10, rechtskräftig aufgetragenen Arbeiten im Hause Wien 7., Mariahilferstraße 96, der Aufnahme und Tilgung des erforderlichen Kapitals und der ordentlichen Erhaltung und Verwaltung des Hauses bis zur Tilgung des Kapitals wird gemäß § 6 Abs.2 MRG ein Verwalter bestellt. Die Auswahl des Verwalters bleibt dem Erstgericht vorbehalten."

Das Rekursgericht begründete seine Entscheidung wie folgt:

Nach Lehre und Rechtsprechung führe ein rechtskräftiger Abbruchsbescheid den rechtlichen Untergang des Bestandobjektes und das Erlöschen des Bestandverhältnisses im Sinne des § 1112 ABGB herbei, soweit auch die in den Bescheiden gesetzte Räumungsfrist abgelaufen sei (MietSlg.34.242 f.). Zumindest im Zeitpunkt der Entscheidung des Rekursgerichtes sei dies der Fall. Für die Dauer des aufrechten Bestandverhältnisses sei der Vermieter grundsätzlich verpflichtet, den bedungenen Gebrauch der Bestandsache zu gewährleisten und ernste Schäden - unter anderem solche, welche die Unbenützbarkeit von Anlagen des Hauses, welche die Energieversorgung sicherten, zur Folge hätten - zu beheben (Würth-Zingher, MRG 2 Anm.10 zu § 3).

Aber nicht nur bis zum Erlöschen des Bestandvertrages bestehe die genannte Verpflichtung, sondern auch für die Dauer eines faktischen Räumungsaufschubes nach rechtlichem Erlöschen des Bestandvertrages im Ausmaß des bisher zustehenden Gebrauches. Wenngleich § 34 Abs.2 MRG für die Dauer einer nach § 34 Abs.1 MRG verlängerten Räumungsfrist sowie früher § 38 Abs.2 MG zwar nicht eine Erneuerung des Bestandvertrages, wohl aber das Fortbestehen eines solchen und der damit verbundenen Rechte und Pflichten hieraus fingiere und die Rechtsprechung diesen Grundsatz ganz allgemein in Fällen angewendet habe, in denen der Mieter nach Auflösung des Bestandverhältnisses die Sache weiterbenütze (Würth in Rummel, ABGB, Rdz 3 zu § 34 MRG; Swoboda, Kommentar zum MG 2 , 305), könne es dahingestellt bleiben, ob dieser Grundsatz des § 34 Abs.2 MRG auch in vergleichbaren Fällen Anwendung finden könne. Gewisse Pflichten des Vermieters aus dem Bestandvertrag bestünden nämlich jedenfalls aufgrund der Fürsorgeverpflichtung des Vermieters, solange der Mieter erlaubterweise - sei es infolge Gewährung eines Räumungsaufschubes, sei es infolge Nichtgeltendmachung eines Räumungsanspruches - das Objekt nach Beendigung des Vertrages weiterbenütze, für die Dauer des faktischen Räumungsaufschubes fort. Dazu sei aber die Verpflichtung zur Durchführung der privilegierten Arbeiten im Sinne des § 3 Abs.3 Z 2 MRG jedenfalls zu zählen, welche erst den Gebrauch im bisherigen notwendigen Ausmaß gewährleiste. Da daher gewisse Pflichten aus dem Bestandvertrag weiterbestünden, finde auch § 6 Abs.2 MRG Anwendung und habe die Durchsetzung dieses Anspruches im außerstreitigen Verfahren nach § 37 MRG zu erfolgen.

In einem Verfahren nach § 6 Abs.2 MRG wie früher bei Bewilligung der Ersatzvornahme im Verfahren nach § 8 Abs.2 MG sei grundsätzlich nur zu prüfen, ob die für die Durchführung der Arbeiten gesetzte Frist fruchtlos verstrichen sei und ob der Antrag im Exekutionstitel Deckung finde. Eine aktenkundige objektive Unmöglichkeit der begehrten Leistung werde bei Bewilligung des Antrages allerdings zu berücksichtigen sein (Heller-Berger-Stix 185 f.). Von einer tatsächlichen oder rechtlichen Unmöglichkeit oder einer objektiven Unmöglichkeit könne aber bei Vorliegen eines Demolierungsbescheides noch keine Rede sein.

Eine Unwirtschaftlichkeit sei im Bewilligungsverfahren ohne Bedeutung (5 Ob 55/85). Ebenso seien die Gründe für die Nichtdurchführung oder die nicht rechtzeitige Ausführung der Arbeiten in der Regel ohne Bedeutung (MietSlg.5.735, 29.266). Ob ein Einstellungsgrund vorliege, sei im Zeitpunkt der Bewilligung schon wegen der Einseitigkeit des Bewilligungsverfahrens nicht zu berücksichtigen.

Gegen den abändernden Sachbeschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegner mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Sachbeschlusses. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Antragsteller hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt. Der Entscheidung über den gegenständlichen Antrag nach § 6 Abs.2 MRG ist die Sachlage im Zeitpunkt der erstgerichtlichen Entscheidung zugrundezulegen. In diesem Zeitpunkt war die Frist, innerhalb welcher die Antragsgegner entweder die Räumung und Abtragung oder die Instandsetzung der Baulichkeiten zu veranlassen hatten, noch nicht abgelaufen. Es war daher auch die Benützungsbewilligung und das Mietrecht des Antragstellers noch nicht erloschen (MietSlg.19.140/5, 20.168/25, 20.386, 21.208, 27.196/7; vgl. auch Würth in Rummel, ABGB, Rdz 4 zu § 1112).

Zu 5 Ob 55/85 wurde ausgesprochen, daß im Sinne des § 3 Abs.3 Z 2 lit. a bis c MRG privilegierte Arbeiten wie die gegenständlichen unabhängig von der Deckung des hiefür erforderlichen Aufwandes oder von deren Wirtschaftlichkeit aufzutragen sind (vgl. Würth-Zingher, MRG 2 , 23 Anm.23 zu § 3, 34 Anm.2 zu § 6; Würth in Rummel, ABGB, Rdz 4 zu § 6 MRG). Kommt der Vermieter diesem Auftrag nicht fristgerecht nach, so ist jeder Mieter des Hauses oder die Gemeinde zur Antragstellung nach § 6 Abs.2 MRG berechtigt. Selbst wenn man den Standpunkt vertreten wollte, ein solcher Antrag sei kraft Größenschlusses abzuweisen, wenn bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag ein Einstellungsgrund nach § 6 Abs.3 MRG gegeben ist (vgl. dazu Würth aaO Rdz 5 zu § 6 MRG; Krejci in Korinek-Krejci, Handbuch zum MRG 224 und 226), würde dies im vorliegenden Fall zu keinem anderen Ergebnis führen, weil im maßgeblichen Zeitpunkt nicht feststand, daß die verfahrensgegenständlichen Arbeiten wegen mangelnder Finanzierbarkeit oder aus sonst unüberwindbaren Hindernissen nicht durchgeführt werden können.

Es war daher schon aus diesen Erwägungen dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen. Der Beurteilung der Frage, ob sich die Sachlage seit dem Zeitpunkt der erstgerichtlichen Entscheidung derart geändert hat, daß mit einer Einstellung der (Zwangs-)Verwaltung im Sinne des § 6 Abs.3 MRG vorzugehen ist, wird hiemit nicht vorgegriffen.

Die Abweisung des Antrages auf Zuspruch der Kosten rechtsfreundlicher Vertretung beruht auf § 37 Abs.3 Z 19 MRG.

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