Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Rekurskosten selbst zu tragen.
Text
Begründung
Der Kläger begehrte die Scheidung seiner am 2.8.1962 mit der Beklagten geschlossenen Ehe und zwar im ersten Rechtsgang gemäß § 49 EheG aus dem Verschulden der Beklagten, hilfsweise aus den Gründen der §§ 50 und 51 EheG. Im zweiten Rechtsgang, nachdem die Entscheidung des Erstgerichtes durch Beschluß des Berufungsgerichtes vom 17.8.1984 aufgehoben worden war, stützte der Kläger sein Begehren zusätzlich auf § 55 EheG wegen Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft seit mehr als drei Jahren und tiefgreifender unheilbarer Zerrüttung der Ehe.
Die Beklagte erhob zu 6 Cg 394/81 des Landesgerichtes Salzburg Widerklage und begehrte ihrerseits die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Klägers und Widerbeklagten, wobei sie - nach Verbindung der beiden Verfahren - in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 7.10.1981 ausführte, sie trage vor, wie in der Widerklage 6 Cg 394/81. Diese Widerklage zog die Beklagte in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 28.3.1984 zurück und beantragte nunmehr Abweisung des Begehrens des Klägers. Im ersten Rechtsgang wies das Erstgericht das Klagebegehren mangels sittlicher Rechtfertigung unter Hinweis auf § 49 Satz 2 EheG ab.
In dem daraufhin vom Berufungsgericht gefaßten Aufhebungsbeschluß wurde zum Ausdruck gebracht, daß die damals offene Frage, ob die Beklagte ihre Widerklage mit oder ohne Anspruchsverzicht zurückgezogen habe, und diese Klage somit im letzteren Falle unerledigt geblieben wäre, eher als eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens anzusehen sei, die von den Parteien hätte gerügt werden müssen. Die weitere Frage, ob tatsächlich Eheverfehlungen des Mannes in einer Weise im Vordergrund stünden, daß sein Begehren sittlich nicht gerechtfertigt sei, könne jedoch allenfalls erst nach dem Eingehen auf die in der Widerklage oder als Grundlage der Widerklage geltend gemachten weiteren Eheverfehlungen beantwortet werden. Umgekehrt würde die Aufrechterhaltung der Widerklage bedeuten, daß die Ehefrau selbst nicht mehr an der Ehe festhalten wolle. Dies könne allenfalls vom Standpunkt der sittlichen Rechtfertigung der Scheidungsklage des Mannes gegen die Ehefrau ausschlagen. Auf eine nähere Behandlung der vom Kläger erhobenen Beweisrüge ging das Berufungsgericht nicht ein. Im zweiten Rechtsgang erklärte die Beklagte in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 28.11.1984 "die (Wider-)Klage wird, beziehungsweise wurde unter Anspruchsverzicht zurückgezogen."
Hierauf erklärte der Kläger in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 13.3.1985, daß er sein Scheidungsbegehren "zusätzlich" auf § 55 EheG stütze.
Die Beklagte bestritt dieses Vorbringen und führte ihrerseits aus, daß sie nach wie vor an der Ehe festhalte. Ausdrücklich stellte sie keinen Verschuldensantrag nach § 61 Abs3 EheG. Sie hatte jedoch bereits im ersten Rechtsgang darauf hingewiesen, daß sie an der Zerrüttung der Ehe kein Verschulden treffe, und anläßlich ihrer Parteienvernehmung zum Ausdruck gebracht, wenn schon die Ehe gschieden werden sollte, hätte dies aus dem Verschulden des Mannes zu geschehen.
Im zweiten Rechtsgang sprach das Erstgericht über das Scheidungsbegehren nach §§ 49, 50 und 51 EheG nicht mehr ab, schied jedoch die Ehe nach § 55 EheG. Es ging davon aus, daß die Ehe der Streitteile tiefgreifend unheilbar zerrüttet sei. Die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft sei nicht zu erwarten. Die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten sei seit mehr als drei Jahren aufgehoben. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, daß die Beklagte weder einen Antrag nach § 55 Abs2 EheG noch einen Antrag auf Schuldausspruch nach § 61 Abs3 EheG gestellt habe. Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluß gab das Berufungsgericht der Berufung der Beklagten Folge, hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur fortgesetzten Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es übernahm die Feststellung des Erstgerichtes, daß die Wohnungsgemeinschaft seit mehr als drei Jahren aufgehoben sei, und teilte auch dessen Ansicht, daß die Ehe der Streitteile unheilbar zerrüttet sei. Das Berufungsgericht vertrat jedoch die Ansicht, im Verlangen auf Abweisung des Klagebegehrens sei ein schlüssiger Antrag auf Verschuldensfeststellung für den Fall zu erblicken, daß die Ehe doch nach § 55 EheG geschieden werden sollte. Ein solcher Verschuldensantrag könne nur dann nicht angenommen werden, wenn er von der Beklagten absichtlich unterlassen worden wäre. Dies sei hier aber auch nach dem Vorbringen im Rechtsmittel nicht anzunehmen. Auch hätte der Erstrichter die Beklagte im Sinne des § 182 ZPO auf die Möglichkeit des Unterliegens mit ihrem primären Antrag hinweisen und ihr Gelegenheit geben müssen, ein entsprechendes Eventualbegehren zu stellen. Soweit man derzeit ohne nähere Erörterung überhaupt von einem Verschulden ausgehen könne, würde jedenfalls ein Verschuldensausspruch die Annahme eines zumindest überwiegenden Verschuldens des Mannes an der Zerrüttung der Ehe fordern. Dazu bedürfte es aber Feststellungen, die nicht allein durch Bezugnahme auf die im ersten Rechtsgang gefällte Entscheidung getroffen werden könnten, von denen darüberhinaus das Berufungsgericht schon deshalb nicht ausgehen könne, weil der im zweiten Rechtsgang obsiegende Kläger bisher keinen Anlaß gehabt habe, diese Feststellungen zu bekämpfen. Soweit diese Feststellungen im ersten Rechtsgang getroffen worden seien und damals eine Beweisrüge vom Kläger erhoben worden sei, sei das Berufungsgericht, welches die Entscheidung des Erstgerichtes schon aus rein rechtlichen Gründen aufgehoben gehabt habe, nicht gehalten gewesen, darauf einzugehen. Nur unter diesem Gesichtswinkel komme zum Tragen, daß das Erstgericht mit seiner im zweiten Rechtsgang getroffenen Entscheidung das Klagebegehren gar nicht vollständig erledigt habe, obwohl das Begehren nach § 55 EheG nur "zusätzlich" gestellt worden sei. Über die nur teilweise Erledigung des Klagebegehrens hätte sich nur der Kläger bschweren können, der aber keine Berufung erhoben habe. Die bloß teilweise Erledigung des Klagebegehrens komme nur insoweit zum Tragen, als es damit an verbindlichen Feststellungen zur Lösung der Verschuldenskomponente im Rahmen der Scheidung nach § 55 EheG fehle. Soweit in der Widerklage enthaltene Prozeßbehauptungen bisher noch nicht zur Gänze zum Gegenstand von Beweisaufnahmen gemacht worden seien, komme es darauf an, auf welche Tatsachen die Beklagte ihren allfälligen Verschuldensantrag stütze beziehungsweise habe stützen wollen. Würde man einer solchen Entscheidung die bisher vom Erstgericht im ersten Rechtsgang zur Frage des Verschuldens getroffene Feststellungen zu Grunde legen, müsse man wohl von einem bedeutend überwiegenden Verschulden des Klägers sprechen, ohne daß gesagt werden könne, das Verschulden der Frau trete völlig in den Hintergrund. Bereits ein überwiegendes Verschulden würde aber eine Verschuldensfeststellung nach § 61 Abs3 EheG im Rahmen einer Scheidung nach dem Zerrüttungsprinzip rechtfertigen. Angesichts einer solchen Beurteilung könnte aber das noch immer offene Begehren auf Scheidung der Ehe nach § 49 EheG eine Rolle spielen, während es bisher für den Kläger, da er mit einer Scheidung nach § 55 EheG ohne Verschuldensausspruch in erster Instanz durchgedrungen sei, wohl weithin an einer Beschwer gefehlt habe, auf sein ursprüngliches Begehren, die Ehe aus dem Verschulden der Frau zu scheiden, zurückzugreifen. Ohne Verschuldensausspruch hätte er nämlich seiner Gattin Unterhalt nur nach Billigkeit leisten müssen. Hingegen könnte eine Scheidung nach § 55 EheG mit Schuldausspruch nach § 61 Abs3 EheG den Ehemann nach den Bestimmungen der §§ 69 Abs2 EheG und § 94 ABGB härter treffen, als selbst eine solche nach § 49 EheG in Verbindung mit § 66 EheG. Inwieweit allenfalls Eheverfehlungen der Beklagten mit Verfolgungsideen zusammenhängen könnten (§§ 50 und 51 EheG), stehe übereinstimmend mit dem vorliegenden Sachverständigengutachten des Primarius Dr.Rainer auch mit der Tatfrage im Zusammenhang, welcher Partner in erster Linie mit Eheverfehlungen auf den Plan getreten sei. Eheverfehlungen aus medizinischen Gründen würden wohl bei der Abwägung des Mitverschuldens völlig in den Hintergrund treten. Deshalb an der Prozeßfähigkeit der ohnehin anwaltlich vertretenen Beklagten zu zweifeln, habe das Erstgericht mit Recht keinen Anlaß gehabt. Das Erstgericht werde jedenfalls die Sach- und Rechtslage mit den Parteien zu erörtern und klarzustellen haben, ob die Beklagte einen Mitverschuldensantrag nach § 60 EheG beziehungsweise § 61 Abs3 EheG stelle beziehungsweise habe stellen wollen.
Gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs des Klägers mit den Anträgen, den Beschluß aufzuheben und in der Sache selbst zu erkennen, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde, allenfalls den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Beklagte hat sich am Rekursverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Der Kläger wendet sich ausschließlich gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß über die Frage eines Schuldausspruches nach § 61 Abs3 EheG noch verhandelt und entschieden werden müsse. Dagegen bestehen keine Bedenken.
Gemäß § 61 Abs3 EheG ist im Falle der Scheidung nach § 55 EheG, wenn der klagende Teil die Zerrüttung allein oder überwiegend verschuldet hat, dies auf Antrag des beklagten Teiles im Urteil auszusprechen. Ein ausdrücklicher Antrag in dieser Richtung liegt nicht vor. Die Beklagte hat das Scheidungsbegehren gemäß § 55 EheG lediglich bestritten und ihrerseits ausgeführt, daß sie nach wie vor an der Ehe festhalte. Damit hat sie die Abweisung des Klagebegehrens aus dem Grunde des § 55 EheG beantragt. Schon zu § 61 Abs2 EheG aF wurde aber ausgesprochen, daß ein Antrag auf Schuldigerklärung des Klägers auch darin liegt, wenn der beklagte Ehegatte unter Berufung auf das Verschulden des die Scheidung begehrenden Ehegatten der Scheidung widerspricht, sofern nicht besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, daß ein solcher ausdrücklicher Antrag absichtlich unterlassen wurde (JBl1976, 152; SZ 43/82; JBl1960, 75). Diese Rechtsansicht wurde auch für den Schuldspruch im Sinne des § 61 Abs3 EheG aufrechterhalten (RZ 1981/28). Entgegen der Ansicht, im Rekurs kann nicht davon die Rede sein, daß die Beklagte einen Antrag nach § 61 Abs3 EheG absichtlich unterlassen habe. Sie hat, nachdem der Kläger sein Scheidungsbegehren in der letzten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung zusätzlich auf § 55 EheG gestützt hatte, das Vorbringen des Klägers bestritten und ausgeführt, die Ehe sei nicht zerrüttet, die Beklagte halte nach wie vor an der Ehe fest. Damit hat sie die Abweisung des Klagebegehrens aus dem Grunde des § 55 EheG beantragt. Sie hat auch in ihrer Berufung gegen das Ersturteil mehrfach vorgebracht, für den Fall, daß eine Zerrüttung der Ehe vorliegen sollte, wäre diese vom Kläger allein verschuldet worden. Lediglich im Zusammenhang mit den Ausführungen des Erstgerichtes, die Beklagte habe weder einen Antrag nach § 55 Abs2 EheG noch einen solchen nach § 61 Abs3 EheG gestellt, hat sie darauf verwiesen, daß es nach ihrer Rechtsansicht eines gesonderten Antrages nach § 55 Abs2 EheG nicht bedürfe und sie einen Antrag nach § 61 Abs3 EheG nicht gestellt habe, weil die häusliche Gemeinschaft nicht seit drei Jahren aufgehoben gewesen sei und eine Zerrüttung der Ehe nicht vorliege. Aus diesem Vorbringen kann daher nicht abgeleitet werden, die Beklagte strebe keinen Ausspruch über das Verschulden des Klägers an. Das Erstgericht wäre daher im Sinne der Ausführungen des Berufungsgerichtes verpflichtet gewesen, die Frage des Verschuldens des Klägers mit den Parteien zu erörtern. Hingegen kann dem Berufungsgericht nicht beigepflichtet werden, wenn es die Ansicht vertritt, auch das Begehren auf Scheidung der Ehe nach § 49 EheG sei noch offen. Der Kläger, der sich auf mehrere Scheidungsgründe beruft, hat die Wahl, ob er sie gleichwertig nebeneinander oder aber in bestimmter Reihenfolge geltend machen will. An die gewählte Reihenfolge sind die Gerichte gebunden. Stellt der Kläger die Reihenfolge nicht einwandfrei klar, ist anzunehmen, daß die Verschuldensgründe vor den anderen den Vorrang haben sollen (Pichler a.a.O., Rz 3 zu § 46 EheG, SZ 43/150 u.a.). Letzteres war hier der Fall. Der Erstrichter hätte daher zunächst über den Scheidungsgrund nach § 49 EheG entscheiden müssen. Er hat jedoch nur über das "zusätzlich" gestellte Begehren auf Scheidung der Ehe nach § 55 EheG entschieden. Der Kläger war hiedurch entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes beschwert, weil im Falle der Scheidung nach § 49 EheG die rechtliche Stellung des obsiegenden Klägers günstiger ist (EFSlg.36.346). Bei einer Scheidung der Ruhe nach § 49 EheG aus dem alleinigen oder überwiegenden Verschulden der Beklagten hätte diese nämlich keinen Unterhaltsanspruch gegenüber dem Kläger, während ihr auch bei einer Scheidung nach § 55 EheG ohne Verschuldensausspruch ein Anspruch auf Unterhalt nach § 69 Abs3 EheG nach Billigkeit zustünde. Da das Urteil des Erstgerichtes nicht rechtskräftig wurde, mußte der Kläger darüberhinaus auch noch damit rechnen, daß es bei einer Scheidung nach § 55 EheG zu einem Verschuldensausspruch und damit zu einem Unterhaltsanspruch der Klägerin gemäß § 69 Abs2 EheG kommen könnte. Der Kläger war daher durch die Vorgangsweise des Erstgerichtes beschwert und hätte das Urteil mit Berufung bekämpfen können. Da er dies unterlassen hat, ist der Scheidungsgrund des § 49 EheG aus dem Verfahren ausgeschieden (vgl.EFSlg.8934). Der Fall ist anders gelagert, als der der Entscheidung 8 Ob 619/85 zugrundegelegene. In jenem Rechtsstreit hatte das Erstgericht über die Scheidung der Ehe nach § 55 EheG durch Teilurteil entschieden und im Spruch darauf hingewiesen, daß der Verschuldensausspruch der Endentscheidung vorbehalten bleibe. Damit war klargestellt, daß auf die offen gebliebenen weiteren Scheidungsgründe nach den §§ 47 und 49 EheG noch eingegangen werden wird. Im vorliegenden Fall hat jedoch das Erstgericht klar zu erkennen gegeben, daß es mit seiner Entscheidung das Scheidungsbegehren zur Gänze, also einschließlich der Frage des Verschuldens erledigen wollte. Der Kläger hätte daher, wenn er weiterhin am Scheidungsbegehren nach § 49 EheG festhalten wollte, das Ersturteil bekämpfen müssen.
Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.
Der Ausspruch über die Rekurskosten gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)