OGH 11Os9/86

OGH11Os9/8617.3.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 17.März 1986 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Breycha als Schriftführer in der Strafsache gegen Albin V*** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 5. August 1985, GZ 12 Vr 1.118/85-12, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalanwaltes Dr. Tschulik als Vertreter der Generalprokuratur und des Verteidigers Dr. Stanek-Noverka, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, in seinem schuldigsprechenden Teil nach dem § 290 Abs. 1 StPO, zur Gänze aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 1.März 1927 geborene Baumeister Albin V*** des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit a (richtig nur Abs. 1) FinStrG, begangen durch Verkürzung der bescheidmäßig festgesetzten Umsatzsteuer für 1981 im Betrag von 381.561 S, schuldig erkannt. Von der weiteren Anklage, vom Jänner bis Dezember 1982 wissentlich unter Verletzung seiner Verpflichtung zur Abgabe von (dem § 21 UStG 1972 entsprechenden) Voranmeldungen durch Nichterklärung von Betriebseinnahmen eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer im Betrag von 658.818 S bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiß gehalten zu haben und hiedurch das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs. 1 und Abs. 2 lit a (richtig nur Abs. 2) FinStrG begangen zu haben, wurde Albin V*** gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Rechtliche Beurteilung

Mit ihrer auf § 281 Abs. 1 Z 5 StPO gestützten, allein den freisprechenden Teil des Urteils bekämpfenden Nichtigkeitsbeschwerde ist die Staatsanwaltschaft im Recht.

Tatsächlich sind für den Ausspruch, die Verantwortung des Angeklagten, nicht wissentlich, sondern irrtümlich gehandelt zu haben, sei durch das Beweisverfahren nicht widerlegt, im Urteil nur offenbar unzureichende Gründe angegeben. Gegen die Annahme einer wissentlichen Verkürzung von Umsatzsteuervorauszahlungen wird vom Erstgericht nämlich nur ins Treffen geführt, daß es sich um Teilrechnungen der Gemeinde Steuerberg gehandelt habe. Dem zuwider ist dem Bericht des Finanzamtes Klagenfurt, auf welchen sich der in der Hauptverhandlung vernommene, als Betriebsprüfer eingesetzt gewesene Zeuge Franz B*** in seiner Aussage bezog, zu entnehmen, daß das betreffende Bauvorhaben der Gemeinde Steuerberg mit der Rechnungslegung am 4.November 1982 abgeschlossen war und (spätestens) in die Umsatzsteuervoranmeldung für den Monat November 1982 aufzunehmen gewesen wäre (S 111 e und f in Verbindung mit S 142, 143). Auf die diesem Bericht zugrundeliegenden Erhebungen des Finanzamtes nahm das Gericht in der Urteilsbegründung zwar pauschal Bezug (S 147 oben), setzte sich damit aber inhaltlich nicht auseinander. Da die Rechnungen für D***, F*** und den S*** O*** (SCO) schon durch den Schuldspruch wegen

Verkürzung der bescheidmäßig festgesetzten Umsatzsteuer erfaßt sind, gewinnt der Hinweis der Staatsanwaltschaft auf die darin enthaltenen Mehrwertsteuerbeträge, deren Voranmeldung im Jahr 1981 ebenfalls unterblieben war, auch im Zusammenhang mit dem Teilfreispruch an Bedeutung. Das Erstgericht erachtete nämlich in Ansehung dieser Beträge die - selbständig zu beurteilende - innere Tatseite des Tatbestandes der Abgabenhinterziehung für gegeben, in bezug auf die unterbliebenen Umsatzsteuervorauszahlungen im Jahr 1982 billigte es dem Angeklagten aber Irrtum zu und schloß damit nicht bloß wissentliches Verkürzen der Vorauszahlung, sondern vorsätzliche Tatbegehung schlechthin aus (vgl hiezu Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, Komm zum FinStrG, E 36 und 37 zu § 33). Für diese unterschiedliche Beurteilung des Tatvorsatzes blieb das Erstgericht sohin jede Begründung schuldig, weshalb das Urteil in seinem freisprechenden Teil mit Nichtigkeit nach dem § 281 Abs. 1 Z 5 StPO behaftet ist und der Aufhebung anheimfallen mußte. Die (zum Nachteil des Angeklagten erhobene) Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft enthält aber in ihrer Begründung den zutreffenden Hinweis, daß bei Feststellung eines Wertbetrages von nur 381.561 S das Gericht gar nicht zur Ahdnung des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung zuständig gewesen wäre und kein Schuldspruch wegen eines gerichtlich strafbaren Finanzdeliktes hätte ergehen dürfen. Gemäß dem zum Zeitpunkt des Urteiles erster Instanz noch ausschlaggebenden § 53 Abs. 1 lit b FinStrG aF (vgl die durch die Finanzstrafgesetznovelle 1985, BGBl 571/1985, geänderte in diesem Verfahren nicht anzuwendende Fassung) sind die Gerichte zur Ahndung vorsätzlich begangener Finanzvergehen - von den hier nicht in Betracht kommenden Fällen des § 53 Abs. 1 lit a, Abs. 2 bis Abs. 4 FinStrG abgesehen - nur dann zuständig, wenn der strafbestimmende Wertbetrag (bzw die Summe der strafbestimmenden Wertbeträge aus mehreren Finanzvergehen) 500.000 S übersteigt. Diese Voraussetzungen müssen nicht nur bei Erhebung der Anklage, sondern auch noch bei Urteilsfällung gegeben sein (Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, Komm zum FinStrG, E 1 zu § 53). Bei der Beurteilung, ob ein Finanzvergehen vom Gericht oder von der Verwaltungsbehörde zu ahnden ist, kommt es demnach - der Meinung des Schöffengerichts zuwider - nicht bloß auf den Anklagevorwurf, sondern auch auf die vom Gericht getroffene Sachverhaltsfeststellung an. Fiele darnach die Tat in die verwaltungsbehördliche Zuständigkeit, so wäre ein Freispruch gemäß dem § 214 FinStrG zu fällen (ÖJZ-LSK 1985/104; EvBl 1981/89 ua). Aus Anlaß der von der Staatsanwaltschaft ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß dem § 290 Abs. 1 (in Verbindung mit § 289) StPO von amtswegen wahrzunehmen, daß der unangefochten gebliebene Schuldspruch des Angeklagten wegen Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach dem § 33 Abs. 1 FinStrG - für sich betrachtet - mangels gerichtlicher Zuständigkeit ebenfalls nichtig ist (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO), er war mitaufzuheben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und der Angeklagte mit seiner Berufung auf diese kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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