OGH 7Ob9/86

OGH7Ob9/8613.3.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch, Dr.Warta und Dr.Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*** Insurance Comp. N.V., Theo-Mann-Bouwmeesterlaan 3, N-2597 GV's Gravenhage, Niederlande, vertreten durch Dr. Friedrich Harrer, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei S***-D***-P*** Aktiengesellschaft, Wien 1., Kärntnerring 7, vertreten durch Dr.Walter Lanner, Rechtsanwalt in Steyr, wegen 303.278,32 S s.A. infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 28. November 1985, GZ 5 R 170/85-31, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom 24.April 1985, GZ 3 b Cg 210/83-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 8.976 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 816 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 16. September 1981 unternahm der Werkmeister der beklagten Partei Josef S*** im Rahmen eines der beklagten Partei von der Firma Het Z*** B.V., Transporte, Hoge Zandschel 1, Kaatsheuvel, Niederlande (im folgenden nur Firma Z***) erteilten Reparaturauftrages mit deren Sattelschlepper der Marke Fiat 170, pol. Kennzeichen 41-SB-78, eine Probefahrt, bei der es zu einem Unfall kam. Hiebei wurde der Sattelschlepper beschädigt. Unbestritten trifft den Werkmeister der beklagten Partei ein Verschulden an dem Unfall.

Die klagende Partei behauptet, als Kaskoversicherer des Sattelschleppers ihrem Versicherungsnehmer hfl 47.451 geleistet zu haben, und begehrt den Ersatz dieses Aufwandes zum Schillinggegenwert am Fälligkeitstag.

Die beklagte Partei bestritt die Höhe des Aufwandes, dessen Fälligkeit und die Aktivlegitimation der klagenden Partei. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Nach den vom Berufungsgericht ergänzten Feststellungen hatte die Firma Z*** für den Sattelschlepper mit der klagenden Partei eine Kaskoversicherung abgeschlossen. Ferner hatte die Firma Z*** bei der Versicherungsgesellschaft I*** (im folgenden nur Firma I***) eine Rechtsschutzversicherung. Die klagende Partei bezahlte der Firma Z*** zur Schadensliquidierung hfl 47.451. Sie beauftragte die Firma I***, die den Verdienstentgang der Firma Z*** geltend zu machen hatte, auch mit der Geltendmachung der erbrachten Versicherungsleistung. Die Firma I*** bediente sich ihrerseits des internationalen Schadensregulierungsbüros A*** (im folgenden nur Firma A***). Mit Schreiben vom 23.Juni 1982 teilte diese der S***-V***-S*** GmbH (im folgenden nur S*** GmbH), deren sich wieder die beklagte Partei zur Schadensabwicklung bedient, mit, daß der Haftpflichtversicherer des am Unfall beteiligten anderen Fahrzeuges jede Schadensleistung abgelehnt habe. Die Firma A*** ersuchte ferner um Mitteilung, ob bereits eine Schadensmeldung an die Firma I***, den Haftpflichtversicherer für das bei der Probefahrt verwendete Probefahrtkennzeichen, gemacht worden sei. Mit Antwortschreiben vom 29.Juli 1982 bejahte die S*** GmbH die Erstattung einer Schadensmeldung und gab die Schadensnummer bekannt, unter der der Vorfall behandelt wurde. Nach Erhalt dieses Schreibens richtete die Firma A*** am 11.August 1982 ein Schreiben an die Firma I***, laut dem "sie namens der Firma I*** die Ansprüche der Firma Z*** wie folgt geltend zu machen habe: Kaskoaufwendungen der A*** laut beiliegendem Gutachten hfl 47.451, Direktansprüche der Firma

Z*** - Selbstbehalt - hfl 1.000."

Nach Auffassung des Erstgerichtes sei die Fälligkeit des Ersatzanspruches jedenfalls zum 15.August 1982 gegeben gewesen, weil auf Grund der Korrespondenz anzunehmen sei, daß der Anspruch nach dem Schreiben der S*** GmbH vom 29.Juli 1982 unverzüglich geltend gemacht worden sei. Ein Schadenersatz sei immer in österreichischer Währung zuzusprechen, wobei der Umrechnung der Kurs zum Fälligkeitstag zugrunde zu legen sei. Die Umrechnung habe nach dem Warenkurs der Ö*** N*** zu erfolgen. Dieser habe

zum 15.August 1982 639,14 S betragen, sodaß sich ein Anspruch der klagenden Partei von 303.278,32 S ergebe.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es erörterte auch die Frage des für den Forderungsübergang anzuwendenden Rechtes mit dem Ergebnis, daß die Lösung dieser Frage offen bleiben könne, weil beide in Betracht kommenden Rechtsordnungen zum selben Ergebnis führten. Sowohl nach § 67 VersVG als auch nach Art. 284 des Niederländischen Handelsgesetzbuches trete der Versicherer, der den Schaden an einem versicherten Gegenstand ersetzt habe, ex lege in alle Rechte ein, die der Versicherte auf Grund des Schadens gegenüber Dritte habe. Der Schadenersatzanspruch der Firma Z*** gegen die beklagte Partei sei kraft Gesetzes auf die klagende Partei als Kaskoversicherer übergegangen. Einer ausdrücklichen Behauptung eines solchen Forderungsüberganges durch die klagende Partei habe es nicht bedurft, ergebe sich doch schlüssig aus dem Klagsvorbringen, daß ein auf den Versicherer übergegangener Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers geltend gemacht werde. Das Berufungsgericht bejahte auch die Fälligkeit, weil mit Schreiben vom 11.August 1982 der Anspruch ziffernmäßig geltend gemacht worden sei. Daß die Geltendmachung gegenüber der Firma I*** erfolgt sei, schade nicht. Die S*** GmbH habe in ihrem Schreiben vom 29.Juli 1982 selbst darauf hingewiesen, daß der Schadensfall von der I*** abgewickelt werde. Ein Zuspruch in ausländischer Währung sei von der klagenden Partei nie begehrt worden.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt. Wesentlicher Bestandteil jeder Klage ist neben dem Klagebegehren das Vorbringen der Tatsachen, auf die sich der Anspruch gründet. Das Vorbringen der rechtserzeugenden Tatsachen muß kurz, aber vollständig sein. Es gilt für die österreichische Zivilprozeßordnung die Substantiierungstheorie, eine rechtliche Qualifikation des erhobenen Anspruchs hat der Kläger nicht vorzunehmen (Fasching III 36 f). Ein Klagebegehren ist daher rechtlich schon dann schlüssig, wenn das Begehren des Klägers als Rechtsfolge aus den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen abgeleitet werden kann (6 Ob 640/84). Im Falle des § 67 VersVG ist der gesetzliche Forderungsübergang die an den gesetzlich umschriebenen Tatbestand geknüpfte Rechtsfolge und bedarf daher, entgegen der Meinung der Revisionswerberin, keiner ausdrücklichen Behauptung. Nichts anderes kann auch für den Art. 284 des Handels- und Gesellschaftsrechtes der Niederlande gelten, auch wenn es sich hiebei um eine ausländische Norm handelt: Die Auffindung der zu einer rechtlichen Beurteilung notwendigen Rechtsnorm, ihre Auslegung und die Beurteilung, ob die begehrte Rechtsfolge aus dieser Norm abgeleitet werden kann, ist ein Akt der rechtlichen Beurteilung (vgl. Fasching IV 321), die, wie schon oben dargelegt wurde, dem Gericht und nicht der klagenden Partei obliegt. Da somit die von der beklagten Partei behauptete Unschlüssigkeit der Klage nicht vorliegt, erübrigt es sich, zu dem Vorwurf Stellung zu nehmen, das Berufungsgericht hätte die Unschlüssigkeit nicht durch ergänzende Beweisaufnahme beheben dürfen. Nicht gefolgt werden kann der beklagten Partei auch darin, daß der Zuspruch von Zinsen erst ab dem Zeitpunkt der Zustellung der Klage gerechtfertigt sei. Es ist zwar richtig, daß der Anspruch auf Verzugszinsen einer Schadenersatzforderung erst mit der Einforderung eines ziffernmäßig bestimmten Schadens durch den Geschädigten entsteht (SZ 54/119 mwN) und eine solche Einforderung der beklagten Partei gegenüber nicht erfolgte. Nach § 10 der A*** ist jedoch der Versicherer Bevollmächtigter des Versicherungsnehmers zur Schadensregulierung. Diese Bevollmächtigung bezieht sich auf alle mit der Schadensregulierung zusammenhängenden Maßnahmen und auch auf die Entgegennahme von Erklärungen des Geschädigten (vgl. Pienitz-Flöter, AKB 4 , 80 § 10 S 18). Dies hat zur Folge, daß die ziffernmäßige Einforderung beim Versicherer auch gegenüber dem Versicherungsnehmer wirkt und die Verzugsfolgen auch ihm gegenüber eintreten (vgl. Stiefel-Hofmann, Kraftfahrtversicherung 13 , Rdz 137 zu § 10 AKB). Die ziffernmäßige Einforderung gegenüber der I*** am 11.August 1982 war daher auch gegenüber der beklagten Partei wirksam. Daß die Firma A*** auch die Ansprüche der klagenden Partei einmahnte, ergibt sich aus dem Inhalt des Schreibens, in dem klar zwischen den Direktansprüchen der Firma Z*** und den "Kaskoaufwendungen" der klagenden Partei differenziert wird. Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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