OGH 13Os187/85

OGH13Os187/8520.2.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.Februar 1986 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Walenta, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer (Berichterstatter) als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Huber als Schriftführers in der Strafsache gegen Franz K*** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Franz K*** und Ing.Mag. Dr.Anton F***, sowie über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten Gottfried K*** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 26.Juli 1985, GZ 5 a Vr 1142/85-86, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Stöger, und der Verteidiger Dr. Lesigang, Dr. Lehner und Dr. Oehlzand, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird teilweise Folge gegeben und die über Ing. Mag. Dr.Anton F*** verhängte Freiheitsstrafe auf 6 (sechs) Jahre erhöht.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft im übrigen und den Berufungen der Angeklagten Franz K*** und Gottfried K*** wird nicht Folge gegeben.

Ing. Mag. Dr.Anton F*** wird mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten Franz K***, Gottfried K*** und Ing. Mag. Dr.Anton F*** die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem in Beschwerde gezogenen Teil des angefochtenen Urteils wurden Franz K*** und Ing.Mag. Dr.Anton F*** des Verbrechens der absichtlich schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und 2 (erster Fall) StGB, der Letztgenannte auch in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach § 15 StGB schuldig erkannt.

Darnach haben:

Franz K*** und Gottfried K*** (der keine Nichtigkeitsbeschwerde erhoben hat) als Mittäter am 17.Jänner 1985 in Wien den Gabor B*** durch mehrere Messerstiche mit zwei, eine Klingenlänge von etwa 12 cm aufweisenden Messern in den Bereich des rechten Ellbogens, der linken Achselhöhle, der linken Lendengegend sowie der Lendenwirbelkörper 1 und 2, eine Eröffnung der Gelenkshöhle des rechten Ellbogens sowie Verletzungen des großen Brustmuskels und der autochthonen Rückenmuskulatur mit Muskelnekrose und damit eine schwere Körperverletzung absichtlich zugefügt, wobei die Tat infolge einer Nervenläsion und der Muskelnekrose im Bereich der linken Lendengegend eine schwere Dauerfolge nach sich gezogen hat (A I) und Ing. Mag. Dr.Anton F*** im November und Dezember 1984 den Helmut J*** unter Übergabe von 60.000 S und der Zusage, weitere 80.000 S nach der Tatausführung zu bezahlen, erfolglos anzustiften getrachtet, seinem Geschäftspartner Gabor B*** einen "Denkzettel" zu verpassen, wodurch dieser für zwei bis drei Wochen "außer Gefecht gesetzt" werden sollte und sodann im Jänner 1985 den Gottfried K*** zur Ausführung der von diesem gemeinsam mit Franz K*** begangenen Tat (A I) in Kenntnis des Umstands, daß zur Tatausführung ein Messer verwendet und B*** ein Bauchstich versetzt werden sollte, dadurch angestiftet, daß er K*** zur Tatausführung mit der Erklärung drängte, B*** sollte nicht nur für zwei bis drei Wochen, sondern zwei bis drei Monate im Spital liegen (A II). Franz K*** und Ing. Mag. Dr.Anton F*** machen Urteilsnichtigkeit aus § 281 Abs 1 Z 5 und 10 (K*** irrig: Z 9) StPO geltend.

Franz K***, der sich in der Hauptverhandlung wiederholt im Sinn des späteren Schuldspruchs voll schuldig bekannt hat (ON 62; II. Bd S 89, 185), versucht in seiner Rüge (Z 5) darzutun, daß er dem B*** nur einen einzigen Messerstich in den Arm und nicht auch den allein mit einer schweren Dauerfolge verbundenen Stich in die linke Lende versetzt habe, ihm daher die daraus entstandene schwere Dauerfolge zu Unrecht (Z 10) angelastet worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Behauptung dieses Nichtigkeitswerbers, nur einen einzigen Messerstich gegen Gabor B*** geführt zu haben, findet selbst in den Angaben des Mittäters K***, der B*** gleichfalls nur einen Messerstich versetzt haben will (II. Bd S 106, 108, 113, 115) keine Deckung, weil B*** insgesamt vier Stichwunden aufwies (II. Bd S 216). Dem Beschwerdevorbringen kommt überdies auch aus rechtlichen Erwägungen keine Bedeutung zu, weil jeder Mittäter, was K*** in seiner Rechtsrüge (Z 10) verkennt, für den gesamten, vom gemeinsamen Vorsatz erfaßten Erfolg haftet. K*** verantwortet daher, wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat, auch die beim Tatopfer eingetretene schwere Dauerfolge, für die gemäß § 7 Abs 2 StGB die fahrlässige Herbeiführung genügt und absichtliches Handeln nicht erforderlich ist.

Auch die Nichtigkeitsbeschwerde des Ing. Mag. Dr.Anton F*** versagt. Mit seiner Mängelrüge wendet er sich dagegen, daß seine Absicht auf die Herbeiführung eines schweren Verletzungserfolgs bei Gabor B*** gerichtet gewesen sei und rügt die Zurechnung der beim Tatopfer eingetretenen schweren Dauerfolge im Sinn des § 87 Abs 2 StGB als rechtsirrig (Z 10).

Soweit sich der Beschwerdeführer darauf beruft (Z 5), es sei mit K*** bloß besprochen worden, daß die dem Gabor B*** zuzufügenden Verletzungen einen zwei- bis dreiwöchigen Spitalsaufenthalt nach sich ziehen sollten, übergeht er die mit mängelfreier Begründung auf die bezüglichen, vom Erstgericht für glaubwürdig beurteilten Angaben des Mitangeklagten K*** gestützte Urteilsfeststellung, derzufolge Ing. Mag. Dr.F*** die Ausschaltung des B*** für einen Zeitraum von zwei bis drei Monaten angestrebt hat und auf Grund von Einwänden des K*** sich auch mit einem Spitalsaufenthalt des Opfers von zwei bis drei Wochen begnügt hätte (II. Bd S 206, 214). Ein bis zu drei Monaten währender Spitalsaufenthalt des B*** lag sohin keineswegs außerhalb der Intentionen des Ing. Mag. Dr.F***. Abgesehen davon, war aber auch nach den auf die Angaben der Mitangeklagten K*** und K*** gestützten und insoweit von Ing. Mag. Dr.F*** unbekämpft gebliebenen Urteilsfeststellungen diesem aus Gesprächen mit K*** bekannt, daß B*** von K*** und einem zweiten Mann mit Messern attackiert und ihm ein Bauchstich zugefügt werden sollte. Eine Tatausführung unter Verwendung eines Messers entsprach daher durchaus den Vorstellungen des Anstifters. Aus all dem konnte das Erstgericht denkrichtig ableiten, daß die Absicht des Ing. Mag. Dr.F*** auf die Zufügung einer schon an sich schweren Verletzung des B*** gerichtet war (Bauchstich). Der von Ing. Mag. Dr.F*** angestrebten Dauer der Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit des Opfers kommt damit keine entscheidende Bedeutung zu. Für die Zurechnung der beim Tatopfer eingetretenen schweren Dauerfolge (§ 87 Abs 2 StGB) genügt, wie bereits in Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde des Franz K*** ausgeführt, zufolge der Bestimmung des § 7 Abs 2 StGB die fahrlässige Herbeiführung. Die Fahrlässigkeitsprüfung hat sich an § 6 StGB zu orientieren, wonach es für die (subjektive) Zurechnung der schweren Tatfolge auf deren Vorhersehbarkeit ankommt. Also trifft jeden Täter (§ 12, erster bis dritter Fall, StGB) die strafrechtliche Haftung für die besondere Tatfolge (hier: schwere Dauerfolge), wenn sie innerhalb des von ihm eingegangenen Gefahrenrisikos liegt und für ihn nach seinen konkreten persönlichen Verhältnissen vorhersehbar war (Burgstaller, WK Rz 22 zu § 7 StGB; Leukauf-Steininger 2 RN 32 und 33 zu § 7 StGB; LSK 1979/322, 1984/170). Daß diese Voraussetzungen auch beim Angeklagten Ing. Mag. Dr.F*** vorlagen, hat das Gericht bejaht. Es kann nicht gesagt werden, daß der Verletzungserfolg angesichts der diesem Angeklagten bekannten und von ihm beabsichtigten Tatausführung außerhalb des von ihm eingegangenen Gefahrenrisikos lag und der zu dessen Eintritt führende Kausalverlauf angesichts der vorgesehenen Tatausführung atypisch war (Burgstaller, WK Rz 62 und 63 zu § 6 StGB).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren damit unbegründet. Das Schöffengericht bestrafte nach § 87 Abs 2 (erster Strafsatz) StGB Franz K*** mit dreieinhalb, Gottfried K*** mit fünf und Ing. Mag. Dr.Anton F*** mit vier Jahren Freiheitsentzug.

Bei der Strafbemessung wurden als erschwerend gewertet: Bei K*** seine zwei einschlägigen Vorstrafen, bei Ing.Mag. Dr.F*** seine Stellung als Anstifter sowie die Anstiftung von zwei Personen und die Intensität seines Vorsatzes durch längere Zeit, bei Franz K*** kein Umstand. Mildernd fielen bei K*** und K*** das Geständnis ins Gewicht, bei K*** überdies dessen Alter unter 21 Jahren, bei Ing. Mag. Dr.F*** die bisherige Unbescholtenheit sowie der Umstand, daß es einmal beim Versuch blieb. In ihrer Berufung erachtet die Staatsanwaltschaft diese Strafen für zu gering, die genannten Angeklagten bekämpfen die jeweils über sie verhängte Strafe als zu hoch; Ing. Mag. Dr.F*** begehrt überdies die Gewährung der bedingten Strafnachsicht. Dem Berufungswerber Franz K*** hält schon die Staatsanwaltschaft in ihrer Rechtsmittelausführung zutreffend entgegen, daß Sorgepflichten grundsätzlich nicht mildernd sind (LSK 1975/118). Der Umstand, daß K*** seiner eigenen Einlassung in der Hauptverhandlung zufolge sogar das Karenzgeld seiner Gattin "angebracht" hat (II. Bd S 90) unterstreicht diesen Standpunkt. Gegen die von K*** reklamierte Unüberlegtheit, Unbesonnenheit und Gedankenlosigkeit spricht nicht nur sein absichtliches Vorgehen (§ 5 Abs 2 StGB), sondern der mit K*** abgesprochene und ausgeklügelte Tatplan.

Das volle Geständnis wurde uneingeschränkt als mildernd gewertet und daher als reumütig erachtet (§ 34 Z 17 StGB). Die Berufung des Franz K*** ist damit unbegründet.

Seine Diebstahlsvorstrafe und sein Rückfall in offener Probezeit (letzterer kein Erschwerungsgrund: LSK 1976/263) rechtfertigen aber auch, entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft, keine Straferhöhung, weil K*** von K*** als Helfer zur Tat ausersehen, von diesem nach ursprünglicher Weigerung (II. Bd S 215) erst überredet werden mußte, womit K*** der besondere Milderungsgrund des § 34 Z 4 StGB zustatten kommt.

Zu einer Strafänderung bei K*** bestand kein Grund. Weder K*** noch die Staatsanwaltschaft vermögen zusätzliche, vom Schöffengericht nicht herangezogene Strafzumessungsgründe zu nennen. K*** hat seinen Tatentschluß nicht, wie er behauptet, über Einwirkung des Ing. Mag. Dr.F*** gefaßt, sondern, im Gegenteil, von sich aus angeboten, "die Sache in die Hand zu nehmen", als feststand, daß Helmut J***, der Lebensgefährte seiner Schwester, nicht Vollstrecker des von Ing. Mag. Dr.F*** ausgeheckten Plans sein wollte (II. Bd S 214). Er hat sich dazu aus eigenem der Hilfe seines Bekannten Franz K*** versichert. Auch hat er dem Ing. Mag. Dr.F*** seine Vorstellungen über die Ausführung der Tat unterbreitet und ist nicht kritiklos - so die Berufung K*** - den Vorstellungen des Anstifters gefolgt.

Die beiden einschlägigen Vorstrafen des Gottfried K***, welche die Staatsanwaltschaft in ihrem Rechtsmittel nennt, wurden, wie die Berufungswerberin selbst einräumt, zutreffend als erschwerend genannt und angesichts der über K*** verhängten fünfjährigen Freiheitsstrafe auch ausreichend gewürdigt. Wie schon erwähnt, hat K*** die Tat unter Einwirkung des K*** begangen, was jenem als mildernd (§ 34 Z 4 StGB) zugute zu halten war, diesem aber darum noch nicht als erschwerend zur Last fällt, weil es dazu nach Lage des Falls keiner Verführung bedurfte (§ 33 Z 3 StGB). Sicherlich war sowohl bei K***, als auch bei K*** das Geldanbot des Anstifters Motiv für die Tat. Doch bildet der Anreiz des Gelds vorliegend weder einen Milderungsgrund (s § 34 Z 4 StGB), noch einen besonderen Erschwerungsgrund.

Es hatte daher auch bezüglich K*** bei der vom

Schöffengericht geschöpften Strafe zu bleiben.

Ing. Mag. Dr.F*** wurde im Urteil als neurotisch gestört beschrieben (II. Bd S 218). Zu Recht wurde indes vom Schöffengericht daraus kein besonderer Milderungsgrud abgeleitet, weil Ing. Mag. Dr.F*** deshalb weder abnormen Geisteszustands, noch sonst schwach an Verstand ist (§ 34 Z 1 StGB). Was hier besonders schwer wiegt ist, daß ein Geschäftsmann geradezu in Unterweltsmanier seinen Geschäftspartner, der ihm solches trotz anfänglich vager Verdachtsgründe nicht zutraute (I. Bd, S 397, II. Bd S 194, 195), durch gedungene Gewalttäter geradezu auf Bestellung meuchlings niederstechen ließ, um ihn zumindest zeitweise kaltzustellen. Wenngleich die Anstiftung bei ihm nicht sonderlich erschwerend ins Gewicht fällt, weil diese, wie die Staatsanwaltschaft zu seinen Gunsten zutreffend ausführt, sein jeweiliger strafbarkeitsbegründender Tatbeitrag war, so lag doch seinem kriminellen Vorhaben eine geradezu schockierende, äußerst rücksichtslose (§ 32 Abs 3 StGB) Einstellung zugrunde, die nicht schon deshalb, weil der in ihr wurzelnde Tatplan bei Helmut J*** kein Gehör fand, in einem günstigeren Licht erscheint. Daß Ing. Mag. Dr.F*** trotz anfänglichen Scheiterns seines verbrecherischen Plans diesen nicht aufgab, sondern erfolgreich weiter betrieb, zeigt die Hartnäckigkeit seiner erschreckend kriminellen Neigung, der nur durch eine entsprechend erhöhte Freiheitsstrafe begegnet werden kann, die dem gesteigerten Unrechtsgehalt der kommerziell motivierten Provokation einer abscheulichen, abstoßenden, in ihren Auswirkungen entsetzlichen Untat gerecht wird.

In diesem Punkt hatte daher die Berufung der Staatsanwaltschaft Erfolg; Ing. Mag. Dr.F*** aber war mit seiner Berufung hierauf (auch auf § 43 Abs 2 StGB, dessen Anwendung eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe auf nicht über zwei Jahre vorausgesetzt hätte) zu verweisen.

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