OGH 12Os194/85

OGH12Os194/8513.2.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.Februar 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, HONProf. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Gruber als Schriftführerin in der Strafsache gegen Helmut M*** wegen des Vergehens der versuchten Täuschung nach §§ 15, 108 Abs 1 und Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Jugendschöffengericht vom 14.Oktober 1985, GZ 15 Vr 1343/85-11, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tschulik, des Angeklagten und des Verteidigers Rechtsanwalt Dr. Strommer zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird dahin Folge gegeben, daß der Strafausspruch aufgehoben wird und der Ausspruch und die Vollstreckung der zu verhängenden Strafe gemäß § 13 Abs 1 JGG für eine Probezeit von 2 (zwei) Jahren vorläufig aufgeschoben werden.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 20.Dezember 1967 geborene Maschinenschlosserlehrling Helmut M*** des Vergehens der versuchten Täuschung nach §§ 15, 108 Abs 1 und Abs 2 StGB schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, in Laakirchen und Steyrermühl versucht zu haben, dem Staat in seinen Rechten dadurch absichtlich einen Schaden zuzufügen, daß er Organe der Straßenaufsicht durch Täuschung über Tatsachen zur Duldung seiner Teilnahme am öffentlichen Verkehr ohne erforderliche Lenkerberechtigung und zur Unterlassung des Ausschlusses eines nicht zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeuges vom Straßenverkehr zu verleiten suchte, indem er 1./ am 28.Mai 1985 (richtig: am 18.Mai 1985) bei dem nicht zum Verkehr zugelassenen Moped der Marke VESPA PK 50 seines Bruders Thomas M*** den Originalzylinder (Hubraum 50 cm 3 ) ausbaute und einen Zylinder mit 104 cm 3 samt Kolben und Kurbelwelle einsetzte, wodurch die Bauartgeschwindigkeit von 39 km/h um ein wesentliches überschritten werden konnte und das Moped zum Motorrad wurde, und am 24.Mai 1985 mit diesem Motorrad, ohne im Besitze einer dazu erforderlichen Lenkerberechtigung zu sein, auf öffentlichen Straßen fuhr,

2./ am 24.Mai 1985 das Kennzeichen O 298.547, das von der Behörde für sein Motorfahrrad der Marke HONDA MT 50 ausgegeben worden war, am nicht zum Verkehr zugelassenen und auch nicht haftpflichtversicherten Moped der Marke VESPA PK 50 seines Bruders Thomas M*** anbrachte und anschließend mit diesem Fahrzeug auf öffentlichen Straßen fuhr.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte Helmut M*** mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 9 lit a und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Der Strafausspruch wird mit Berufung angefochten.

Unter Anrufung des erstbezeichneten Nichtigkeitsgrundes zieht der Beschwerdeführer die Tatbestandsmäßigkeit seines Verhaltens mit der Argumentation in Zweifel, es mangle an einer konkreten Täuschungshandlung, weil die von ihm an dem nicht zum Verkehr zugelassenen Moped vorgenommene Veränderung durch Einsetzen eines Zylinders, an dem der Hubraum von 104 cm 3 ablesbar gewesen sei, bei Besichtigung für jedermann erkennbar gewesen wäre; zudem habe sich das Erstgericht mit der subjektiven Tatseite nicht auseinandergesetzt und übersehen, daß er das Fahrzeug seines Bruders lediglich zur Reparatur habe bringen wollen.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerdeeinwände versagen. Schon das Fahren auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr mit einem nicht zum Verkehr zugelassenen, durch den Einbau eines 104 cm 3 Motorzylinders veränderten und daher nach den Bestimmungen des KFG (§§ 2 Z 14, 15 und 15 a; 64 Abs 1, 65 Abs 1) als Motorrad geltenden Fahrzeug, das nicht mehr ohne Führerschein benützt werden durfte, sowie das Führen einer für ein bestimmtes anderes Moped ausgegebenen Kennzeichentafel auf diesem Fahrzeug, um einer Kontrolle bzw. Beanstandung im Zuge der Verkehrsüberwachung zu entgehen, stellt ein zur Täuschung von Straßenaufsichtsorganen geeignetes und auf eine solche Irreführung abzielendes Verhalten dar. Wenn der Täter ein derartiges Kraftfahrzeug, welches die Zulassungsvoraussetzungen für ein Motorrad - insbesondere das aufrechte Bestehen einer für diese Fahrzeuggruppe gültigen Haftpflichtversicherung - nicht erfüllt, ohne die erforderliche Lenkerberechtigung in Betrieb nimmt, erweckt er damit jedenfalls den Anschein, bloß ein den Zulassungsvoraussetzungen eines Mopeds entsprechendes Fahrzeug zu benützen, zu dessen Lenkung es keines Führerscheines bedarf. Ein Verhalten, wie es dem Angeklagten zum Vorwurf gemacht wird, stellt demnach eine im Sinne des § 15 Abs 2 StGB ausführungsnahe Betätigung des deliktischen Entschlusses dar, durch Täuschung über Tatsachen die Straßenaufsichtsorgane von einer Fahrzeug- und Führerscheinkontrolle abzuhalten und den Staat in dem konkreten Recht zu beeinträchtigen, Kraftfahrzeuge, welche den materiellen Zulassungsvoraussetzungen nicht entsprechen, und Lenker von Fahrzeugen, die nicht über die erforderliche Lenkerberechtigung verfügen, vom Straßenverkehr auszuschließen, wodurch nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (vgl. ZVR 1984/343 uva) der Tatbestand der Täuschung in der Erscheinungsform des Versuches verwirklicht wird.

Daran würde sich nichts ändern, falls bei einer Kontrolle und Besichtigung aus der auf dem Zylinder angebrachten Hubraumangabe leicht erkennbar gewesen wäre, daß in den Motor anstelle des Originalzylinders ein Zylinder mit 104 cm 3 samt Kolben und Kurbelwelle eingesetzt worden war, weil sich das Vorhaben des Angeklagten, Straßenaufsichtsorgane durch Täuschung zur Unterlassung einer Amtshandlung zu veranlassen, schon in der Lenkung eines wesentlich veränderten Fahrzeuges, welches dem äußeren Anschein nach den Eindruck eines ordnungsgemäß zum Verkehr zugelassenen, nicht führerscheinpflichtigen Mopeds erweckte, manifestiert hat. Aus diesem Grund ist es - entgegen der Meinung des Beschwerdeführers - ohne Bedeutung, daß die Möglichkeit einer Neutypisierung des Fahrzeuges bestanden hat und das Moped schon ohne die vorgenommenen Änderungen mangels Verkehrzulassung nicht im Straßenverkehr hätte verwendet werden dürfen.

Daß der Angeklagte Helmut M*** durch sein Tun Organe der Straßenaufsicht täuschen wollte und seine Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) darauf gerichtet war, eine Schädigung des Staates an seinem Recht auf Ausschluß nicht zum Verkehr zugelassener Fahrzeuge und von Lenkern ohne entsprechende Lenkerberechtigung vom Straßenverkehr herbeizuführen, ist vom Erstgericht ausdrücklich festgestellt worden (vgl. S 63 f. dA). Damit sind jedoch auch in bezug auf die innere Tatseite alle für das Delikt der Täuschung erforderlichen Konstatierungen getroffen worden. Daß der Angeklagte das Moped seines Bruders möglicherweise nicht fortdauernd benützen, sondern nur zur Reparatur bringen wollte, vermag ein Handeln mit Irreführungsvorsatz und Schädigungsabsicht nicht in Frage zu stellen. Ob der Angeklagte nur eine einmalige Ausfahrt oder weitere gleichartige Deliktsakte geplant hat, ist nämlich rechtlich ohne Bedeutung, sodaß aus dem Unterbleiben einer näheren Erörterung dieses Umstandes kein Begründungs- oder Feststellungsmangel abgeleitet werden kann.

Unter Anrufung des Nichtigkeitsgrundes der Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO reklamiert der Beschwerdeführer die Anwendung des § 42 StGB Die Voraussetzungen dieses Strafausschließungsgrundes liegen jedoch nicht vor, Straflosigkeit aus dem Grund mangelnder Strafwürdigkeit kommt einem Täter nämlich nur dann zustatten, wenn seine Schuld gering ist, sein tatbildmäßiges Verhalten also hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (vgl. ÖJZ-LSK 1984/5). Wie der Oberste Gerichtshof in ähnlich gelagerten Fällen schon mehrfach ausgesprochen hat (vgl. ÖJZ-LSK 1979/240; ZVR 1984/343), kann von geringer Schuld im Sinne des § 42 Abs 1 Z 1 StGB in Fällen, in denen jemand ein für ein anderes Fahrzeug zugewiesenes Kennzeichen auf ein nicht zum Verkehr zugelassenes und daher auch nicht haftpflichtversichertes Kraftfahrzeug montiert und mit letzterem ohne Lenkerberechtigung am öffentlichen Verkehr teilnimmt, bei Berücksichtigung der möglichen schweren Nachteile in gesundheitlicher und vermögensrechtlicher Hinsicht sowohl für den Lenker selbst, als auch für andere davon potentiell ohne konkrete Schutzmöglichkeit (§ 32 Abs 3 StGB) betroffene Verkehrsteilnehmer in der Regel nicht gesprochen werden; dies gilt insbesondere für das - mangels entsprechender theoretischer und praktischer Fahrkenntnisse erfahrungsgemäß mit hohem Unfallsrisiko verbundene - Lenken eines Motorrades durch jugendliche (im allgemeinen risikofreudige) Personen. Konkrete Umstände, welche seine Schuld nach der besonderen Lage des Falles deliktsspezifisch unter der Norm liegend erscheinen ließen, können dem Angeklagten auch dann nicht zugebilligt werden, falls er keine weiteren gleichartigen Rechtsverletzungen geplant und ihn an dem seine Fahrt beendenden Verkehrsunfall in concreto kein Verschulden getroffen haben sollte.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Helmut M*** war sohin zu verwerfen.

Das Jugendschöffengericht verhängte über den Angeklagten gemäß §§ 108 Abs 1 StGB, 11 JGG, 28 Abs 1 und 37 Abs 1 StGB eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen, für den Fall der Uneinbringlichkeit 30 Tage Ersatzfreiheitsstrafe. Der Tagessatz wurde mit 30 S bestimmt und der Vollzug der Strafe für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht den Umstand, daß der Angeklagte zwei strafbare Handlungen derselben Art begangen hat, als erschwerend und den ordentlichen Lebenswandel, das reumütige Geständnis, und daß die Tat beim Versuch geblieben ist, als mildernd. Mit seiner Berufung strebt Helmut M*** die Anwendung des § 12 JGG, in eventu des § 13 JGG, allenfalls eine Herabsetzung der Strafe an.

Der Berufung kommt Berechtigung zu, soweit eine bedingte Verurteilung nach § 13 JGG begehrt wird.

Zwar liegen die vom Beschwerdeführer geltend gemachten zusätzlichen Milderungsgründe nicht vor, denn das Erstgericht hat ohnehin den ordentlichen Lebenswandel als mildernd gewertet, somit den Milderungsgrund nach § 34 Z 2 StGB angenommen, der zur Voraussetzung hat, daß der Angeklagte bisher einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat, und die Tat mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch steht. Es hat ferner den Milderungsgrund nach § 34 Z 17 StGB als gegeben angesehen, weil der Angeklagte ein reumütiges Geständnis abgelegt hat. Nach dieser Gesetzesstelle steht aber der Beitrag zur Wahrheitsfindung dem reumütigen Geständnis gleich, bildet somit keinen zusätzlichen Milderungsgrund. Von einer Unbesonnenheit kann nicht gesprochen werden, denn der Angeklagte hat nicht nur am 24.Mai 1985 ein Kennzeichen an einem nicht zugelassenen Motorrad montiert und ist anschließend mit diesem Motorrad auf öffentlichen Straßen gefahren, er hat auch am 28.Mai 1985 mit erheblichem Arbeitsaufwand ein Moped in ein Motorrad umgebaut und ohne entsprechende Berechtigung auf öffentlichen Straßen benützt. Das Jugendschöffengericht hat somit die Strafbemessungsgründe richtig erfaßt. Es hat auch mit Recht vom Ausspruch einer Ermahnung nach § 12 Abs 2 JGG anstelle einer Geld- oder Freiheitsstrafe abgesehen, denn die Schuld des Täters ist im vorliegenden Fall keineswegs gering. Mit Rücksicht auf die Täterpersönlichkeit kann jedoch angenommen werden, daß der Schuldspruch allein genügen wird, um den unbescholtenen Angeklagten von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Falles und der vorliegenden Milderungsgründe erfordern auch nicht generalpräventive Erwägungen den Ausspruch und die Vollstreckung einer Strafe.

Es war somit der Berufung Folge zu geben, der Strafausspruch aufzuheben und eine bedingte Verurteilung nach § 13 Abs 1 JGG unter Setzung einer angemessenen Probezeit von zwei Jahren auszusprechen. Ein Eingehen auf den Eventualantrag auf Herabsetzung der verhängten Strafe erübrigt sich somit.

Die Kostenentscheidung beruht auf der angeführten Gesetzesstelle.

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