OGH 13Os198/85

OGH13Os198/8530.1.1986

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.Jänner 1986 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller (Berichterstatter), Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Huber als Schriftführers in der Strafsache gegen Friedrich S*** wegen des Verbrechens des Diebstahls nach §§ 127 ff. StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 15.November 1985, GZ 7 a Vr 10374/85-28, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Presslauer, und des Verteidigers Dr. Schöniger-Hekele, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 25.Juli 1964 geborene, zuletzt ohne Beschäftigung gewesene Friedrich S*** wurde des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z. 4, 129 Z. 3, 130, erster Fall, StGB schuldig erkannt. Darnach hat er in Wien gewerbsmäßig (§ 70 StGB) von Anfang August bis 27.August 1985 namentlich nicht bekannten Eigentümern insgesamt 14 im Urteil näher bezeichnete Fahrräder im Gesamtwert von mindestens 7.000 S (1) und am 28.August 1985 der Zorka G*** ein Damenfahrrad der Marke A*** (5 Gänge) im Wert von 2.000 S nach Aufbrechen der Fahrradsperre gestohlen.

Der Angeklagte bekämpft dieses Urteil mit einer nominell auf § 281 Abs 1 Z. 5, 8 und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, deren auch im Rahmen von Berufungsausführungen bezeichnetes Anfechtungsziel laut abschließender Antragstellung die Ausschaltung der angenommenen Qualifikationen des Diebstahls durch Einbruch und Gewerbsmäßigkeit ist.

Rechtliche Beurteilung

Zur Einbruchsqualifikation steht fest, daß der Angeklagte beim Damenfahrrad der Zorka G*** am Tatort die eingebaute Fahrradsperre weggebogen und aufgebrochen hatte und sodann mit dem Rad weggefahren war.

Für das damit verwirklichte Aufbrechen einer Sperrvorrichtung (§ 129 Z. 3 StGB) ist es ohne Bedeutung, ob der Mechanismus bei der vom Täter vorgenommenen Bewegung des versperrten Rads verbogen wurde und das Schloß danach ohne besondere Mühe mit der Hand abgebrochen werden konnte, weshalb weder rechtliche noch tatsächliche Gründe eine nähere Befassung mit der bezüglichen Verantwortung des Angeklagten (S. 118 f.) erforderten. Die Eigenschaft des eingebauten Fahrradschlosses als Sperrvorrichtung ergibt sich aus seiner Funktion, im versperrten Zustand das Wegschieben oder Wegfahren zu verhindern. Dabei kommt es nicht darauf an, daß sich dieses Schloß beim dennoch unternommenen Gebrauch des gesicherten Rads verbiegen und danach - angeblich unter Ausnützung einer mangelhaft geschweißten und gelöteten Stelle - ohne Beschädigung des Fahrradrahmens abbrechen läßt. Maßgebend ist nur der von der Sperrvorrichtung der Sachwegnahme entgegengesetzte Widerstand. Dessen Überwindung macht entweder eine Nachsperre oder den Vorgang des "Aufbrechens" (Abbrechens) notwendig, der seiner Natur nach ein gewaltsamer ist. Sonach büßt die Sperrvorrichtung ihre Eigenschaft (§ 129 Z. 3 StGB) wegen Überwindbarkeit mit einfache Methoden nicht ein.

Die Annahme, daß der Angeklagte (durch Bewegen des blockierten Rads) die Beseitigung der Sperre angestrebt hat, ist durch seine Verantwortung gedeckt (S. 25, 57 a verso, 118 f.), wogegen die Beschwerdebehauptung, es habe sich um eine unabsichtliche Beschädigung des Fahrradschlosses gehandelt, eine unbeachtliche Neuerung darstellt.

Soweit der Beschwerdeführer mit dem Hinweis, beim Diebstahlsfaktum 2 sei ihm vom Ankläger die Einbruchsqualifikation gar nicht zur Last gelegt worden, eine Anklageüberschreitung (§ 281 Abs 1 Z. 8 StPO) reklamiert, verkennt er den angerufenen Nichtigkeitsgrund. Dieser greift nur ein, wenn der Schuldspruch eine von der Anklage nicht bezeichnete Tat erfaßt, keineswegs aber bei der Annahme einer von der Staatsanwaltschaft nicht herangezogenen Qualifikation, die ja bloß ein zusätzlicher, die "Tat" belastender Umstand ist. Das folgt aus dem Wortlaut der im § 281 Abs 1 Z. 8 StPO angeführten §§ 262, 263 und 267 StPO ("Tatsachen", "Tat" im § 262 StPO, "Tat" mehrmals im § 263 Abs 1 StPO, "Tat" im § 267 StPO).

Die Beurteilung als gewerbsmäßiger Diebstahl beruht auf den Konstatierungen, daß es dem Beschwerdeführer bei den Angriffen darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung solcher Diebstähle eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Zu dieser Überzeugung gelangte das Schöffengericht auf Grund der zahlreichen Fahrraddiebstähle innerhalb einiger Wochen und der Erwägung, daß der Angeklagte aus dem Verkauf der Beute seinen Lebensunterhalt bestritten hatte. Ferner nahm das Erstgericht darauf Bedacht, daß der Nichtigkeitswerber die Verkaufsstelle der gestohlenen Fahrräder gewechselt hatte, als in einem Geschäft der Ankauf eingestellt worden war, sowie darauf, daß er weitere Fahrraddiebstähle erst nach Schwierigkeiten beim Verkauf der Beute und nach einer polizeilichen Vernehmung zum Diebstahlsverdacht unterlassen hatte (S. 127, 128). Das hiezu erstattete Beschwerdevorbringen stellt überwiegend eine unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung der Tatsacheninstanz dar, denn mit der sinngemäßen Behauptung, aus den Verfahrensergebnissen hätte der für den Angeklagten günstigere Schluß gezogen werden müssen, die diebischen Angriffe seien nur für einen Zeitraum von wenigen Wochen und überhaupt nur bis zur Erlangung eines Arbeitsplatzes geplant gewesen, wird weder ein Begründungsmangel noch ein anderer Nichtigkeitsgrund aufgezeigt. Als Rechtsrüge ist die in diese Richtung gehende Darlegung untauglich, weil nicht von den Urteilsfeststellungen, sondern von einem entscheidungsfremden Sachverhalt ausgegangen wird.

Hinsichtlich der verbleibenden Beschwerdepunkte genügt die Erwiderung, daß es keinen für die Subsumtion relevanten Umstand betrifft, ob der Angeklagte sparsam oder verschwenderisch gelebt hat, ob er nur gelegentlich oder immer wieder Kaffeehäuser besucht hat und ob das Zerwürfnis mit seinen Eltern entsprechend den Urteilskonstatierungen auf seine Arbeitslosigkeit oder auf eine andere Ursache zurückgegangen ist. Abgesehen davon, daß die letztgenannte Feststellung dem Vorwurf des Beschwerdeführers zuwider in seiner Verantwortung volle Deckung findet (S. 116), gehen sämtliche Einwände mangels sachlicher oder rechtlicher Relevanz für die Beurteilung der Gewerbsmäßigkeit ins Leere.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten eine Freiheitsstrafe von fünfzehn Monaten. Dabei waren erschwerend die einschlägigen Vorstrafen, der überaus rasche Rückfall nach der erstinstanzlichen Verurteilung vom 16.Juli 1985 (7 a E Vr 5895/85, Hv 4682/85 des Landesgerichts für Strafsachen Wien) und die mehrfache Qualifikation, mildernd war hingegen nur das reumütige Geständnis.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe an. Auch ihr bleibt ein Erfolg versagt. Dem Einwand, es fehle an einer mehrfachen Qualifikation, ist mit der Verwerfung der Nichtigkeitsbeschwerde der Boden entzogen. Der Angeklagte selbst hat einbekannt, daß es "keine echte Not" war, mit der er zu kämpfen hatte (S. 117). Das diesbezügliche Berufungsvorbringen scheitert an den Feststellungen des Gerichts über die Lebensführung des Angeklagten, die im regelmäßigen Konsum von Barbituraten und im ständigen Besuch von Kaffeehäusern einen überflüssigen Aufwand erkennen läßt (S. 125, 126). Die notorische Auswirkung der Inflation bei unveränderten Wertgrenzen auf die Strafbarkeit wertqualifizierter Delikte ist unbeachtlich, weil hier nur die vom Berufungswerber in der Überschreitung der Wertgrenze des § 128 Abs 1 Z. 4 StGB unbestrittene Sach- und Rechtslage zur Tatzeit zählt. Das Schöffengericht hat eine durchaus ausgewogene Sanktion verhängt, die dem auf das Tatunrecht bezogenen Verschulden des Angeklagten gerecht wird. Zu einer Reduzierung des Strafmaßes besteht daher keine Veranlassung.

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