OGH 1Ob22/85

OGH1Ob22/8515.1.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Gamerith, Dr.Hofmann und Dr.Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A ÄLTERE MÜB, Wasserwerksgenossenschaft, 8020 Graz,

Köstenbaumgasse 17, vertreten durch Dr.Richard Kaan, Dr.Franz Schreiner, Dr.Helmut Cronenberg und Dr.Hans Radl, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagten Parteien 1) C Gemeinnützige Alpenländische Gesellschaft für Wohnungsbau und Siedlungswesen m. b.H., Graz, Steyrergasse Nr. 5, vertreten durch Dr.Guido Held, Rechtsanwalt in Graz, 2) Emma D, Hausfrau, 3) Dorothea D, Angestellte, 4) Helga D, Angestellte, zweit- bis viertbeklagte Parteien wohnhaft Graz, Wienerstraße 97, 5) Elfriede E, Angestellte, Graz, Fichtestraße 68, zweit- bis fünftbeklagte Parteien vertreten durch Dr. Josef Friedrich, Rechtsanwalt in Graz, wegen Unterlassung und Leistung (Streitwert 30.000 S) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Berufungsgerichtes vom 17.April 1985, GZ 27 R 46/85-28, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 30.Oktober 1984, GZ 7 C 1057/83-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit 3.309,75 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 257,25 S Umsatzsteuer und 480 S Barauslagen) und den zweit- bis fünftbeklagten Parteien die mit 3.777,18 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 321,56 S Umsatzsteuer und 240 S Barauslagen) binnen 14 Tagen per Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei ist Eigentümerin des Grundstückes 2593/1 KG Lend, in Natur rechtsseitiger Mühlgang. Nachbargrundstücke sind auf der einen Seite die im Wohnungseigentum stehenden Grundstücke 1460/1 und 1460/4 (Häuser Graz Wienerstraße 91 und 93), auf der anderen Seite das Grundstück 1459, das im Alleineigentum der erstbeklagten Partei steht. Dieses Grundstück ist mit einem Fruchtnießungsrecht zu Gunsten der zweit- bis fünftbeklagten Parteien belastet. Im Bereich der genannten Grundstücke ist der im Eigentum der klagenden Partei stehende rechtsseitige Mühlgang mit einer Betondecke überspannt. Auf dem Grundstück 1459 befinden sich Garagen, die von den zweit- bis fünftbeklagten Parteien vermietet wurden. Zu diesen Garagen fuhren die Mieter über die Betonüberdeckung des Grundstückes der klagenden Partei zu. Anläßlich der Bauverhandlung vor Errichtung der Garagen war dagegen von der klagenden Partei kein Einwand erhoben worden. Vereinbarungen über die Benützung der Betonüberdeckung bestehen nicht. Im nördlichen Bereich der Mühlgangsüberdeckung und dem daran anschließenden östlichen Rand des Grundstückes 1459 wurden für die Wohnungseigentümer der Häuser Wienerstraße 91 und 93, deren Verwalterin die erstbeklagte Partei ist, zwei Teppichklopfstangen errichtet. Da die Betonüberdeckung einsturzgefährdet ist, wurde der klagenden Partei mit Bescheid des Magistrates Graz vom 20.Oktober 1982, GZ A 10/3-K II-18.946/81, die Behebung der Schäden der Betonfläche, soweit sie auf ihrem Grund steht, aufgetragen. Mit Schreiben des Magistrates Graz vom 10.Jänner 1983 wurde der klagenden Partei die Ersatzvornahme angedroht.

Die klagende Partei begehrt das Urteil, die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig, die Benützung des Grundstückes 2593/1 zwischen den Grundstücken 1460/1 und 1460/2 (richtig wohl 1460/1 und 1460/4) und 1459 zu unterlassen und durch Absperrmaßnahmen dafür Sorge zu tragen, daß der durch eine Betonkonstruktion überdeckte Teil des Grundstückes 2593/1 durch Dritte nicht betreten oder befahren werde; sie seien weiters schuldig, die Betonüberdeckung zu entfernen und das Ufer und Uferprofil in einem dem Stand der Technik entsprechenden Zustand wiederherzustellen. Das Bauwerk sei von der erstbeklagten Partei und der Rechtsvorgängerin der zweit- bis fünftbeklagten Parteien ohne Rechtstitel aufgeführt und rechtstitellos benützt worden. Ein Zufahrtsrecht sei nicht ersessen worden. Die Beklagten hätten auch als Halter gemäß § 1319 ABGB für die Erhaltung des gefahrlosen Zustandes aufzukommen. Was die Fundamente der Überdeckung betrifft, brachte die klagende Partei einerseits vor, die Mühlgangsüberdeckung sei nicht Teil des Grundstückes 1459, sondern Teil des Grundstückes 2593/1 (Seite 30 des Aktes), andererseits, die Mühlgangsüberdeckung sei nur mit den Grundstücken 1459 einerseits und 1460/1 und 1460/4 fest verbunden, weshalb die Überdeckung Zubehör dieser drei Grundstücke sei (Seite 85).

Die beklagten Parteien wendeten ein, die klagende Partei sei Eigentümerin der über dem Mühlgang errichteten Baulichkeiten. Der Mühlgang sei schon vor der Jahrhundertwende von der klagenden Partei selbst überdeckt worden. Die Sanierungspflicht der zur Gänze auf dem Grund der klagenden Partei befindlichen Mühlgangsüberdeckung treffe diese selbst. Wiederholungsgefahr bestehe nicht, da die beklagten Parteien alle Maßnahmen getroffen hätten, um eine Weiterbenützung der Betonüberdeckung hintanzuhalten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es könne nicht festgestellt werden, wann und von wem die Überdeckung errichtet worden sei. Sie sei jedenfalls 1909 in ihrem derzeitigen Umfang vorhanden gewesen. Die Rechtsvorgängerin der zweit- bis fünftbeklagten Parteien hätte 1948 Erneuerungsarbeiten vorgenommen und im Jahre 1953 anläßlich der Errichtung der Garagen die Überdeckung asphaltiert. Die zweit- bis fünftbeklagten Parteien hätten die Verträge mit den Garagenmietern gekündigt, die Garagenschlüssel seien abgegeben worden, es sei bei der Einfahrt zum Hofraum in der Papiermühlgasse ein Gitter aufgestellt worden. Derzeit werde die Mühlgangsüberdeckung nur von Bewohnern der Häuser Wienerstraße 91 und 93 benützt, um zum Teppichklopfplatz zu gelangen. Das Begehren auf Entfernung der Überdeckung scheitere daran, daß die klagende Partei die Errichtung des Bauwerkes durch die beklagten Parteien nicht habe nachweisen können. Wiederholungsgefahr liege nicht vor.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteige. Es übernahm nach ergänzender Verlesung der Bauakten des Magistrates Graz die Feststellungen des Erstgerichtes. Die klagende Partei habe den ihr obliegenden Beweis, daß die beklagten Parteien oder deren Rechtsvorgänger die Überdeckung errichtet hätten, nicht erbracht. Wäre die klagende Partei selbst Eigentümerin der Mühlgangsüberdeckung, wäre schon dadurch ihrem Entfernungsbegehren der Boden entzogen. Zu Recht habe für diesen Fall das Erstgericht die Wiederholungsgefahr verneint. Ginge man aber vom Vorbringen der klagenden Partei aus, die Mühlgangsüberdeckung wäre lediglich mit den Nachbargrundstücken fest verbunden und daher "Zubehör" der Nachbargrundstücke, wäre zwar die Überdeckung als unselbständiger Bestandteil der Nachbargrundstücke anzusehen und stünde im Miteigentum der Eigentümer der Nachbargrundstücke; auf Entfernung hätten aber dann nur sämtliche Miteigentümer geklagt werden können, was nicht geschehen sei. Eine Halterhaftung käme schon deswegen nicht in Betracht, weil kein Schadenersatzanspruch gestellt worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt. Soweit die Revisionswerberin rechtliche Schlüsse daraus ableiten will, daß Brücken mit ihren auf fremdem Grund befindlichen Widerlagern fest verbunden seien und sie daher im Eigentum der Ufereigentümer stünden, übersieht sie, daß sie dazu widersprüchliches Tatsachenvorbringen erstattete; die Tatsacheninstanzen haben auch - von der klagenden Partei unbekämpft - keine Feststellungen getroffen, daß sich das Fundament der Überdeckung auf fremdem Grund befände. Die Revisionswerberin führt zutreffend aus, ihr stehe, da niemand ein Recht an der Anlage behaupte, die Befugnis zu, die Überdeckung zu entfernen. Daraus folgt aber nicht, wie sie rechtsirrig meint, daß sie von den Eigentümern der Nachbargrundstücke - die nur die schon bestehende Überdeckung benutzenden Fruchtgenußberechtigten wären für das Entfernungsbegehren passiv nicht legitimiert - die Entfernung ihrer eigenen Anlage begehren könnte. Der klagenden Partei gelang weder der Beweis, daß die Überdeckung durch Rechtsvorgänger der beklagten Parteien errichtet wurde, noch daß die Überdeckung mit ihrem Fundament auf fremdem Grund ruht; damit fehlt es an den tatsächlichen Voraussetzungen für den Erfolg des gestellten Entfernungsbegehrens. Da sich das Grundeigentum auch auf den Raum über der Grundfläche erstreckt (SZ 55/105) und auf eigenem Grund für Dauer bestimmte Bauwerke unselbständige Bestandteile der Liegenschaft werden (Spielbüchler in Rummel ABGB, Rdz 4 zu § 354 ABGB), ist es daher Sache der klagenden Partei, die Anlage zu entfernen. Auf schadenersatzrechtliche Bestimmungen kann das Entfernungsbegehren schon mangels Eintrittes eines Schadens nicht gestützt werden.

Obwohl die Revision nach ihrem Antrag auch die Bestätigung der Abweisung des Unterlassungsbegehrens bekämpft, enthält sie hiezu keine Ausführungen. Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt, wie der Oberste Gerichtshof prüfte (§ 510 Abs 3 ZPO), nicht vor.

Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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