OGH 9Os138/85

OGH9Os138/8518.12.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Dezember 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak (Berichterstatter), Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Hausmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Heinz H*** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach §§ 15, 202 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Angeklagten Heinz H*** und Peter H*** gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 12.Juni 1985, GZ 7 Vr 938/84-54, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Strasser und der Verteidiger Dr. Kloss und Dr. Tobler jedoch in Abwesenheit der Angklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1. Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Peter H*** wird zur Gänze, jener des Angeklagten Heinz H*** teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt - hinsichtlich des Angeklagten Zeljko K*** gemäß § 290 Abs. 1 StPO - im Schuldspruch der genannten Angeklagten wegen des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach §§ 15, 202 Abs. 1 StGB (Punkt I./2. des Urteilssatzes) und demgemäß im gesamten Strafausspruch aufgehoben und im Umfang der Aufhebung gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Heinz H***, Zeljko K*** und Peter H*** haben durch

das zu Punkt I. des Urteilssatzes einleitend beschriebene Verhalten August F*** und Elke F*** durch Gewalt zu Handlungen und Unterlassung, nämlich dem Anhalten bzw. zur Unterlassung der Weiterfahrt mit dem Kraftfahrzeug zu nötigen versucht. Sie haben hiedurch das Vergehen der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB begangen und werden hiefür sowie für die ihnen überdies zur Last fallenden Vergehen der versuchten schweren Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 2 StGB und der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs. 1 Z 7 StGB gemäß §§ 28, 84 Abs. 2 StGB zu Freiheitsstrafen verurteilt, und zwar Heinz H*** in der Dauer von 18 (achtzehn) Monaten, Zeljko K*** in der Dauer von 9 (neun) Monaten und Peter H*** unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB auf die Urteile des Landesgerichtes Eisenstadt vom 11.Oktober 1984, AZ 7 e Vr 921/84, und vom 8.Jänner 1985, AZ 7 e Vr 1112/84, zu einer Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 6 (sechs) Monaten. Die über Zeljko K*** verhängte Freiheitsstrafe wird gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren bedingt nachgesehen.

Die Vorhaftanrechnung wird aus dem Ersturteil übernommen.

2. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Heinz H*** verworfen.

3. Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten H*** und H*** auf die zu Punkt 1. getroffene Entscheidung verwiesen.

4. Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten H*** und H*** auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der 30-jährige Heinz H***, der 19-jährige Zeljko K*** und der nunmehr 22-jährige Peter H*** (zu I./1) des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 2 StGB, (zu I./2) des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach §§ 15, 202 Abs. 1 StGB und (zu II.) des Vergehens der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs. 1 Z 7 StGB schuldig erkannt. Darnach haben die Angeklagten am 30.September 1984 im Gemeindegebiet von Neufeld und Steinbrunn in bewußtem und gewolltem Zusammenwirken als Mittäter

I. dadurch, daß sie nach vorangegangener Vereinbarung, August F*** niederzuschlagen und Elke F*** zu vergewaltigen, mit einem Personenkraftwagen wiederholt im Zuge von Überholmanövern die Fahrlinie des von August F*** gelenkten Kraftfahrzeuges schnitten, den Wagen F*** seitlich touchierten und das Fahrzeug in den Straßengraben zu drängen suchten, sowie dadurch, daß sie an das stehende Fahrzeug anfuhren, an der Tür des Personenkraftwagens zerrten, über ein vorerst geöffnetes Seitenfenster in dessen Inneres zu gelangen trachteten und das geschlossene Fenster der Beifahrertür zu zertrümmern suchten

1. August F*** vorsätzlich am Körper zu verletzen versucht, wobei die Tat von drei Personen in verabredeter Verbindung begangen wurde;

2. Elke F***, sohin eine Person weiblichen Geschlechts, mit Gewalt zum außerehelichen Beischlaf zu nötigen versucht;

II. Anläßlich der zu Punkt I. beschriebenen Tat die dort angeführten Personenkraftwagen, sohin fremde Sachen, jeweils durch Eindellen beschädigt, wobei sie eine Sachbeschädigung begingen, wodurch die Täter an der Sache einen 5.000 S übersteigenden Schaden herbeiführten und zwar

1. am Personenkraftwagen des August F*** einen Schaden von zumindest 9.000 S und

2. am Personenkraftwagen der Viktoria B*** einen Schaden von 8.000 S.

Während der Angeklagte K*** diesen Schuldspruch in Rechtskraft erwachsen ließ, wird er von Heinz H*** aus den Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO zur Gänze, von Peter H*** aus der Z 5 der genannten Gesetzesstelle lediglich in Ansehung des Schuldspruches wegen §§ 15, 202 Abs. 1 StGB bekämpft.

Rechtliche Beurteilung

Hinsichtlich des zuletzt angeführten Schuldspruchs sind beide Nichtigkeitsbeschwerden begründet.

Ob ein Täterverhalten ausführungsnah im Sinne des § 15 Abs. 2 StGB ist, ist für jedes Delikt gesondert unter Berücksichtigung der deliktsspezifischen Besonderheiten zu beurteilen, weil nur von der Fassung der einzelnen Tatbilder ausgehend beurteilt werden kann, ob - objektiv gesehen - das Verhalten sowohl nach seiner aktionsmäßigen als auch nach seiner zeitmäßigen Beziehung zur Ausführung im unmittelbaren Vorfeld des Tatbildes liegt (Kienapfel, Strafrecht AT Z 21 RN 20; Leukauf-Steininger, Kommentar 2 § 15 RN 9).

Davon kann aber - stellt man das Tatbild des § 202 Abs. 1 StGB in Rechnung - bei dem vom Erstgericht konstatierten Täterverhalten mit Bezug auf die geplante Nötigung der Elke F*** zum Beischlaf (noch) nicht gesprochen werden; denn dieses Verhalten (Verfolgen des Kraftwagens, in dem Elke F*** saß; Schneiden der Fahrlinie dieses Kraftwagens; Touchieren und Abdrängen desselben in den Straßengraben; Zerren an der Wagentür udgl.) konnte noch nicht unmittelbar, d.h. ohne weitere Zwischenakte - wie etwa Öffnen der PKW-Türe; Veranlassung des Mädchens, das Fahrzeug zu verlassen; Niederschlagen des F***, um das Mädchen zunächst schutzlos und sodann mit Gewalt oder weiteren Drohungen gefügig zu machen (siehe dazu S 311 und 313) - in die Verwirklichung des Tatbildes des § 202 Abs. 1 StGB einmünden.

Bezogen auf dieses (durch Willensbeugung zu verwirklichende Sittlichkeits-)delikt kann mithin nach dem Gesagten ein ausführungsnahes Verhalten - entgegen der von der Generalprokuratur geteilten Meinung des Erstgerichtes, das seine Rechtsansicht in erster Linie mit Entscheidungen zu einem (wenn auch mit Gewalt zu verübenden) Vermögensdelikt belegt - nicht angenommen werden. Nur der Vollständigkeit halber wird zusätzlich zu der von der Generalprokuratur (vgl die Seiten 6, 10 und 11 des Croquis) ansatzweise vertretenen Ansicht, daß vorliegend bereits mit Ausführungshandlungen zum Delikt nach § 202 Abs. 1 StGB begonnen worden sei (wonach sich das Problem der Ausführungsnähe im Sinne des § 15 Abs. 2 StGB gar nicht stellte) bemerkt, daß sich die gebrauchte Gewalt (gegen den PKW des F***) objektiv noch nicht als solche (gegen Elke F***) zum Beischlaf manifestierte, weil Nötigungshandlungen zum Beischlaf begrifflich nur solche sein können, die auf die Beugung eines dagegen gerichteten Willens abzielen. Da § 202 StGB (im Gegensatz zu § 201 StGB) kein zweiaktiges Delikt ist, kann in der mit den Mitteln der Nötigung (hier: durch gewaltsame Habhaftmachung der Person des Opfers) unternommenen Herbeiführung eines - zum deliktischen Verhalten (der Nötigung zum Beischlaf) noch nicht in unmittelbarer sinnfälliger Beziehung stehenden - Zustandes "psychischer Einschüchterung" (Croquis S 11) - vergleichbar der Widerstandsunfähigkeit im Sinne des § 201 Abs. 1 StGB - noch nicht der Beginn einer (im Sinne des § 202 Abs. 1 StGB) eigentlichen Ausführungshandlung erblickt werden. In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten H*** und H*** war daher - hinsichtlich des Angeklagten K***, der kein Rechtsmittel ergriffen hat, gemäß § 290 Abs. 1 StPO - der Schuldspruch wegen des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf zu kassieren.

Da das festgestellte äußere Verhalten der Angeklagten und deren (vorerst auch) auf Anhaltung des von August F*** gelenkten Personenkraftwagens bzw. auf Verhinderung der Weiterfahrt gerichtete dolus den Tatbestand des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB erfüllen, war sogleich in diesem Sinne zu entscheiden.

Soweit sich die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten H*** auch gegen die Schuldsprüche wegen der Vergehen der versuchten schweren Körperverletzung und der schweren Sachbeschädigung richtet, kann ihr Berechtigung allerdings nicht zuerkannt werden. Entgegen den Ausführungen in seiner Mängelrüge (Z 5) zum Schuldspruch wegen des Vergehens der versuchten schweren Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 2 StGB ist die Feststellung sowohl des Verletzungsvorsatzes als auch der Verabredung, d.h. des gemeinsamen Tatentschlusses, mängelfrei begründet.

Findet doch die Konstatierung, die Täter hätten vereinbart, August F*** niederzuschlagen, in den Geständnissen der Angeklagten (vgl S 279 bis 281) volle Deckung, wobei es - der Beschwerde zuwider - nicht darauf ankommt, ob von der Verabredung der von den einzelnen Angeklagten konkret zu leistende jeweilige Tatbeitrag erfaßt wurde, weil für die Qualifikation einer Körperverletzung als verabredete Verbindung nach § 84 Abs. 2 Z 2 StGB ausreicht, daß (wenigstens) drei Personen ausdrücklich oder konkludent gemeinschaftlich vor der Tat den Entschluß gefaßt haben, am Tatort gegenüber dem Opfer - mag auch nur einer der Täter tatsächlich tätlich werden - als Einheit aufzutreten (vgl Kienapfel BT I 2 § 84 RN 64-66). Daß aber dies im vorliegenden Fall zutraf, kann - abgesehen vom ausdrücklichen Geständnis des Angeklagten H***, wonach alle drei Täter F*** schlagen wollten

(S 281) - schon angesichts der Rollenverteilung der drei Angeklagten bei der Verfolgung F*** und des Versuchs, gewaltsam in sein Auto einzudringen, nicht bezweifelt werden.

Denkrichtig und lebensnah ist aber auch der Tatsachenschluß des Erstgerichtes (vgl S 311), die Angeklagten hätten mit der Vereinbarung des "Niederschlagens" in Kauf genommen und sich damit abgefunden, daß August F*** durch sie schwer verletzt werden würde. Die diese Konklusion ohne weitere Begründung in Frage stellende Beschwerde wendet sich daher insoweit lediglich gegen die schöffengerichtliche Beweiswürdigung und bedarf es hiezu keiner weiteren Einlassungen.

Wenn der Angeklagte H*** aber in seinen Ausführungen zum Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a behauptet, es sei lediglich festgestellt worden, daß die drei Angeklagten den Zeugen F*** körperlich attackieren wollten, nicht aber der Vorsatz, ihn hiebei zu verletzen, führt er die Rechtsrüge, die ein Festhalten am konstatierten Sachverhalt erfordert, nicht gesetzmäßig aus, weil er dabei die oben zitierte Feststellung (S 311 unten) neglegiert. Was endlich die vom Angeklagten H*** auch in diesem Faktum bekämpfte Ausführungsnähe des Versuchs anlangt, kann hier dem Erstgericht durchaus beigetreten werden. Denn spezifisch bezogen auf das Tatbild der Körperverletzung muß wohl vor allem das festgestellte hartnäckige Bemühen der Täter, gewaltsam ins Innere des Kraftfahrzeuges zu gelangen, um gegen F*** gewalttätig zu werden, als ein Verhalten beurteilt werden, das tatplangemäß unmittelbar und ohne weitere ins Gewicht fallende Zwischenakte in die Tatausführung nach § 83 Abs. 1 StGB übergehen konnte und sollte. In seiner Mängelrüge (Z 5) zum Faktum II. bemüht sich der Angeklagte H*** darzutun, daß der festgestellte Gesamtschaden von 17.000 S überhöht sei. Abgesehen nun davon, daß der insoweit geständige Beschwerdeführer (vgl zuletzt S 279) niemals in Abrede stellte, daß der an den beiden Kraftfahrzeugen festgestelltermaßen entstandene Totalschaden insgesamt 5.000 S überschritt, allein dies aber und nicht die Frage, in welchem Ausmaß der genannte strafsatzbestimmende Betrag überstiegen wurde, von rechtlicher Relevanz ist, findet die Schadenshöhe von 9.000 S im Falle des Fahrzeuges F*** in dessen Zeugenaussage (S 113, 224, 279) volle Deckung, weshalb es sich erübrigt, auf die Beschwerdeausführungen im Zusammenhang mit den am PKW B*** entstandenen Schaden weiter einzugehen.

Bezüglich der beiden zuletzt abgehandelten Fakten war demnach die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten H*** zu verwerfen. Die mit der Kassierung des Schuldspruchs wegen §§ 15, 202 Abs. 1 StGB notwendig verbundene Aufhebung des Strafausspruches machte hinsichtlich sämtlicher Angeklagten eine Strafneubemessung erforderlich. Hiebei konnten die vom Erstgericht im wesentlichen zutreffend konstatierten Strafzumessungsgründe - naturgemäß mit den durch die Umqualifikation des Faktums I./1 erforderlich gewordenen Modifikationen - mit der Ergänzung übernommen werden, daß die Angeklagten H*** und K*** im Tatzeitpunkt das

einundzwanzigste Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, ihre Taten unter Einwirkung des Angeklagten H*** begangen wurden (§ 34 Z 4 StGB) und daß H*** seine Verfehlungen unter dem Einfluß eines abnormen Geisteszustandes (§ 34 Z 1 StGB) verübte (S 265). Hievon ausgehend erschienen dem Obersten Gerichtshof die aus dem Spruch ersichtlichen Unrechtsfolgen tatschuldgerecht. Die Anwendbarkeit des § 37 Abs. 1 StGB scheitert beim Angeklagten H*** daran, daß es bei ihm angesichts seines einschlägig getrübten Vorlebens und der Wirkungslosigkeit der bisherigen Abstrafungen nach Überzeugung des Senates der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe bedarf um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.

Ähnliche Erwägungen standen bei dem einschlägig mehrfach vorbestraften Angeklagten H*** der von ihm begehrten bedingten Strafnachsicht zwingend entgegen.

Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten H*** und H*** auf die Strafneubemessung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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