OGH 13Os161/85

OGH13Os161/8528.11.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.November 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann (Berichterstatter) und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Huber als Schriftführers in der Strafsache gegen Patricia Herta A und Herbert B wegen des Verbrechens der versuchten Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Herbert B, die Berufung der Angeklagten Patricia Herta A und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengerichts vom 23.Juli 1985, GZ 19 Vr 2341/84-139, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Ersten Generalanwalts Dr. Knob, des Angeklagten Herbert B und der Verteidiger Dr. Doczekal und Dr. Witt, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten Patricia Herta A, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird teilweise Folge gegeben und die über den Angeklagten Herbert B verhängte Strafe auf 22 (zweiundzwanzig) Monate erhöht.

Der Angeklagte Herbert B wird mit seiner Berufung auf diese Entscheidung verwiesen.

Im übrigen wird der Berufung der Staatsanwaltschaft nicht Folge gegeben.

Die Berufung der Angeklagten Patricia Herta A wird zurückgewiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten Herbert B und Patricia Herta A die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden im zweiten Rechtsgang (vgl. 13 Os 76/85) der am 19.Juni 1943 geborene beschäftigungslose Herbert

B des Verbrechens der versuchten schweren Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1, 145 Abs 1 Z. 1 StGB und die Prostituierte Patricia Herta A des Verbrechens der versuchten Erpressung nach §§ 12, dritter Fall, 15, 144 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Darnach haben sie in Feldkirch mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung den Schweizer Staatsbürger Paul C durch gefährliche Drohungen zur Übergabe von 4.200 sfr zu nötigen versucht, und zwar

1. Herbert B am 20.September 1984, indem er gegenüber Romy

C telefonisch erklärte, wenn ihr Schwager (Paul C) nicht bezahle, werde in den nächsten Tagen in ihrer Familie etwas passieren

(a) und am 4.Oktober 1984, indem er Paul C telefonisch erklärte, entweder er erkläre sich mit der Bezahlung von 5.000 sfr einverstanden oder man müsse weitergehen, in der Verwandtschaft und in seinem Bekanntenkreis etwas über die Angelegenheit ein bißchen verlautbaren und er wisse nicht, ob das gut für das Geschäft sei; er drohte sonach mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz und der gesellschaftlichen Stellung, und

2. Patricia Herta A, indem sie am 11.Oktober 1984 den (bereits rechtskräftig verurteilten - vgl. 13 Os 76/85) German

D die Telefonnummer des Paul C zur Verfügung

stellte, mit diesem telefonierte und am Folgetag Norbert E zwecks Abholung des Geldbetrags auf den in Aussicht genommenen Autobahnrastplatz verständigte, einen Tatbeitrag geleistet.

Nur der Angeklagte Herbert B bekämpft den Schuldspruch mit einer - der Sache nach - auf § 281 Abs 1 Z. 5 und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Das Beschwerdevorbringen zur Mängelrüge erschöpft sich seinem Inhalt und seiner Zielsetzung nach in einer unzulässigen Kritik an der schöffengerichtlichen Beweiswürdigung. Die Tatrichter stützten nämlich ihre, für die im zweiten Rechtsgang allein noch offene Qualifikationsfrage (§ 145 Abs 1 Z. 1 StGB) wesentlichen Sachverhaltsfeststellungen auf die als vollkommen glaubwürdig beurteilte Zeugenaussage des Paul C in der Hauptverhandlung (S. 679 bis 683), der seine soziale Stellung als angesehener Geschäftsmann in einer kleinen Gemeinde der Schweiz schilderte und darlegte, daß ein Bekanntwerden des Umstandes, daß er mit einer ehemaligen Prostituierten - der früheren Lebensgefährtin BS - zusammenlebe, und auch mit der Prostituierten A intime Beziehungen unterhalten habe, zur Vernichtung seiner wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stellung führen könnte. Das Erstgericht stellte auf dieser unbedenklichen Beweisgrundlage unter Berücksichtigung der besonderen schweizerischen Verhältnisse und das Wissen des Angeklagten um das Vorleben seiner ehemaligen Lebensgefährtin durchaus schlüssig fest, daß die Drohung, den Umgang des Zeugen mit Prostituierten in seinem Heimatort publik zu machen, beim Adressaten den Eindruck erwecken mußte, der Erpresser könnte ihn in seiner wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stellung vernichten und daß diese Wirkung vom Vorsatz des Angeklagten B umfaßt war (S. 691, 692, 694). Wenn die Beschwerde nun mit dem Hinweis auf eine, aus dem Zusammenhang gerissene Aussagenpassage CS, es wären vielleicht 30 % seiner Geschäftsbeziehungen abgebrochen worden (S. 683), die Behauptung untermauern will, C habe höchstens eine Beeinträchtigung seiner

wirtschaftlichen Existenz und gesellschaftlichen Stellung zu befürchten gehabt und das Erstgericht hätte daher weder in objektiver noch in subjektiver Richtung einen der bekämpften Tatqualifikation entsprechenden Erklärungsinhalt annehmen dürfen, übergeht sie den übrigen, die Urteilskonstatierungen voll deckenden Aussageinhalt, macht damit keinen formellen Nichtigkeitsgrund im Sinne des § 281 Abs 1 Z. 5 StPO geltend, sondern den Versuch, Inhalt und Sinn der belastenden Zeugenaussage zu seinen Gunsten umzudeuten.

Es geht aber auch der rechtliche Einwand (LSK. 1982/3) fehl, die bloße Möglichkeit, daß die Verwirklichung der Drohung die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz und gesellschaftlichen Stellung des Bedrohten zur Folge haben könnte, reiche für die Annahme der Tatqualifikation nach § 145 Abs 1 Z. 1 StGB nicht aus. Wenn derartige Drohungen zwar so geartet sein müssen, daß aus ihnen die ernst zu nehmende Absicht der Herbeiführung des angedrohten Übels im wörtlichen Sinn und nicht etwa bloß eine großsprecherische Übertreibung zu entnehmen ist (Leukauf-Steininger 2 , RN. 11 zu § 145 StGB), kann bei der festgestellten Konstellation die Eignung der Bekanntgabe eines im Lebenskreis des Bedrohten als höchst unmoralisch qualifizierten Lebenswandels, beim Bedrohten gegründete Besorgnis auch in der Richtung zu erwecken, daß er wirtschaftlich und gesellschaftlich ruiniert werde, nicht negiert werden. Dies unabhängig davon, ob C nur mit der Möglichkeit oder der Gewißheit des Eintritts dieses Erfolgs gerechnet hat, und der Täter das angekündigte Übel auch tatsächlich verwirklichen wollte. Genug daran, daß die Drohung im Wortsinn ernst gemeint schien (Kienapfel, BT. I 2 , RN. 42 bis 45 zu § 105 StGB und die dort zitierte Judikatur).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verhängte über Herbert B nach §§ 28, 145 Abs 1 StGB eine unbedingte Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten und über Patricia Herta A nach § 144 Abs 1 StGB eine bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe von sieben Monaten. Bei der Strafbemessung war bei B die Bestimmung des (Mittäters) German D, die Wiederholung des Erpressungsversuchs und die einschlägige Vorstrafe, bei A nichts erschwerend, mildernd hingegen bei B nur, daß es (zufolge des Einschreitens der Gendarmerie) beim Versuch geblieben ist, dies ebenso bei A und weiters deren Unbescholtenheit, untergeordnete Beteiligung und Alter unter 21 Jahren.

Mit ihren Berufungen streben der Angeklagte B die Herabsetzung, die Staatsanwaltschaft hingegen die Erhöhung der über beide Angeklagten verhängten Strafen und weiters die Ausschaltung der bedingten Strafnachsicht hinsichtlich der Angeklagten A (die ihre angemeldete Berufung nicht ausführte) an. Nur der Berufung der Staatsanwaltschaft kommt teilweise Berechtigung zu.

Die Anklagebehörde stellt mit Recht heraus, daß sich die Tathandlung im Milieu des Dirnen- und Zuhälterunwesens in Vorarlberg zugetragen hat, einem Milieu, dem Gewalttaten aller Art keinesfalls fremd sind. Dazu kommt, daß der Angeklagte B nicht nur - wie das Erstgericht meinte - eine Vorstrafe (wegen § 105 StGB) aufweist, sondern darüber hinaus schon dreimal wegen Körperverletzungsdelikten (§§ 152, 411 StG. 1945 und § 91 Abs 1 StGB) einschlägig (§ 71 StGB) bestraft wurde und sich in diese Sache ohne Grund offensichtlich nur deshalb eingemengt hatte, weil er auf Paul C nicht gut zu sprechen war, seit ihm dieser seine ehemalige Gefährtin, Waltraud F, entfremdet hatte. Das aber zeigt, daß die vom Schöffengericht nur wenig über der Strafuntergrenze ausgemessene Unrechtsfolge vor allem in spezialpräventiver Hinsicht nicht ausreicht, um den Angeklagten in Zukunft von Straftaten dieser Art abzuhalten. Die Strafe war daher, wie aus dem Spruch ersichtlich, schuld- und tatangemessen zu erhöhen. Auf diese Entscheidung war der Angeklagte B mit seiner Berufung zu verweisen. Wenn er neben den vom Erstgericht ohnehin gewürdigten Milderungsumständen darauf verweist, daß er sich seit der letzten Verurteilung jahrelang wohlverhalten habe, so kann die von der Bezahlung der damals noch verhängten Geldstrafe (23.Juni 1981) bis zur Tatbegehung (September/Oktober 1984) verstrichene Zeit noch nicht als längeres Wohlverhalten im Sinn des § 34 Z. 18 StGB qualifiziert werden.

Wenngleich die Angeklagte A - offensichtlich

freiwillig - der Prostitution nachging und bereits (von Verwaltungsbehörden verhängte) Freiheitsstrafen verbüßen mußte (auch zur Hauptverhandlung wurde sie aus der Haft vorgeführt: S. 674), kann den Tatrichtern noch gefolgt werden, wenn sie im Fehlen gerichtlicher Vorverurteilungen, im Alter und in der untergeordneten Tatbeteiligung ausreichende Prognosedaten für die Annahme künftigen Wohlverhaltens erblickten. Der Oberste Gerichtshof sah sich daher nicht veranlaßt, die Strafe zu erhöhen oder die bedingte Strafnachsicht aus dem Ersturteil auszuschalten.

Patricia Herta A meldete am Ende der Hauptverhandlung neben der - bereits rechtskräftig zurückgewiesenen

(ON 146) - Nichtigkeitsbeschwerde auch Berufung an, ohne aber anzuführen, inwieweit sie sich durch den Strafausspruch beschwert erachtet. Da auch eine schriftliche Ausführung der Berufung unterblieb, war sie zurückzuweisen (§ 294 Abs 4 StPO).

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