Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die Ehe der Eltern wurde am 18.4.1985 geschieden. Noch vor dem Scheidungsausspruch beantragten beide Elternteile, die elterlichen Rechte dem jeweiligen Antragsteller zu übertragen.
Das Erstgericht sprach aus, daß die elterlichen Rechte dem Vater Robert Franz A zustünden. Es stellte fest, die Minderjährige sei das einzige Kind aus der geschiedenen Ehe. Die Mutter sei schon am 5.3.1985 aus der Ehewohnung in Mannhartsbrunn ausgezogen, habe das Kind jedoch zurücklassen müssen. Sie habe es jedoch am 22.5.1985 vom Kindergarten abgeholt; seither lebe es bei ihr in der Wohnung ihrer Eltern in der Großfeldsiedlung in Wien-Floridsdorf. Während die Existenz des Vaters als Filialleiter der Julius Meinl AG gesichert sei, befinde sich die Mutter auf Stellensuche. Sie wohne gemeinsam mit ihren Eltern und dem Kind in einer Gemeindewohnung mit nur zwei Schlafräumen. Dagegen sei die Ehewohnung im Haus der Eltern des Vaters in einem Zubau untergebracht und befinde sich dort in ländlich ruhiger Gegend. Bei der Betreuung des Kindes wirkten die Eltern der Mutter mit; wäre das Kind beim Vater, müßten es dort während dessen berufsbedingter Abwesenheit gleichfalls die Großeltern versorgen. Anzeichen für eine Gefährdung des Kindeswohls bei Unterbringung bei einem der Elternteile hätte das Verfahren nicht erbracht; in jedem Fall sei die Betreuung in einem Kindergarten bzw. durch die jeweiligen Großeltern erforderlich. Da die Verhältnisse bei beiden Elternteilen sonst gleichwertig wären, müßten die günstigeren Wohnungsbedingungen des Vaters den Ausschlag geben.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß. Es sei Erfahrungstatsache, daß Kleinkinder möglichst bei der Mutter untergebracht werden sollten; dieser Grundsatz lasse jedoch keinen Schluß auf ein Vorrecht der Mutter unabhängig von den Verhältnissen im Einzelfall zu. Vielmehr seien einander die Umstände bei den beiden Elternteilen in ihrer Gesamtheit gegenüberzustellen; dabei seien neben den materiellen Voraussetzungen auch jene für eine möglichst gute Erziehung und Beaufsichtigung sowie für eine günstige seelische und geistige Entwicklung zu beachten. Dem für die Beurteilung dieser Frage völlig ausreichenden gerichtsärztlichen Gutachten könne nicht entnommen werden, daß die in dieser Richtung zu wertenden Umstände bei dem einen oder dem anderen Elternteil als günstiger angesehen werden könnten. Der Mutter gebühre auch insoweit kein Vorzug, als auch sie eine Beschäftigung aufzunehmen gedenke und das Kind während ihrer berufsbedingten Abwesenheit der Fremdpflege überlassen müsse. Aus der Befragung eines viereinhalbjährigen Kindes seien weitere Aufschlüsse, die für eine Zuteilung wesentlich sein könnten, nicht zu erwarten. Zu Recht habe das Erstgericht auch die selbst von der Mutter nicht bestrittenen günstigeren Wohn- und Einkommensverhältnisse des Vaters in seine für die Zuteilung der Elternrechte bestimmenden Erwägungen miteinbezogen. Die von ihm getroffene Lösung entspreche auch dem von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz, eine Änderung der Pflege- und Erziehungsverhältnisse nach Möglichkeit zu vermeiden. Selbst wenn man in Betracht ziehe, daß sich das Kind nun schon etwa fünf Monate bei der Mutter befinde, dürfe nicht außer acht gelassen werden, daß sich das Kind zumindest vier Jahre lang im Haus des Vaters und dessen Eltern aufgehalten habe, so daß die Kontinuität der Pflege und Erziehung im väterlichen Haushalt gewährleistet erscheine.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Mutter ist unzulässig.
Das Rechtsmittel gegen eine bestätigende Entscheidung des Rekursgerichtes ist im Verfahren außer Streitsachen nur soweit zulässig, als es sich auf die im § 16 Abs 1 AußStrG genannten Anfechtungsgründe stützen kann, und zurückzuweisen, wenn aus dem Schriftsatz nicht erkennbar ist, worin eine offenbare Gesetzwidrigkeit, Aktenwidrigkeit oder Nullität gelegen sein soll. Die Mutter macht zwar Nichtigkeit und (zu ergänzen: offenbare) Gesetzwidrigkeit des bekämpften Beschlusses geltend, zeigt in ihren Ausführungen jedoch derartige Anfechtungsgründe nicht auf. Als Nullität rügt sie, das Erstgericht habe den Beschluß über die Zuteilung der elterlichen Rechte gefaßt, ehe die von ihm den Eltern zur Stellungnahme zu dem von ihm eingeholten gerichtsärztlichen Gutachten bestimmte Frist abgelaufen sei. Es ist zwar richtig, daß das Rekursgericht diesen von der Mutter schon im Rechtsmittel an die zweite Instanz als Verfahrensmangel geltend gemachten Umstand nicht ausdrücklich erörtert hat, doch ist die Beiziehung der Parteien zu Beweisaufnahmen und Ermittlungen im Gesetz nicht vorgeschrieben (EFSlg 1966/14 u.v.a.). Im Vorgehen des Erstgerichts, den verfahrensbeendenden Beschluß zu erlassen, ehe die von ihm den Parteien zur Äußerung zum Gutachten bestimmte Frist abgelaufen war, liegt umso weniger eine Verletzung des rechtlichen Gehärs und damit ein Verfahrensmangel im Gewicht einer Nullität
(EFSlg 44.689 u.v.a.), als die Mutter ohnedies vom Erstgericht vernommen und vom Sachverständigen persönlich befragt wurde. Mit den Rügen, das Erstgericht hätte sich von den beiderseitigen Wohnverhältnissen unmittelbare Kenntnis verschaffen müssen und sich nicht mit der Befragung des Kindes durch den Sachverständigen begnügen dürfen, führt die Mutter Verstäße gegen die gerichtliche Stoffsammlungspflicht gemäß § 2 Abs 2 Z 5 AußStrG ins Treffen, die gleichfalls keine Nullität bewirken könnten; das Verfahren außer Streitsachen kennt das Gebot der unmittelbaren Beweisaufnahme nicht. Das Rechtsmittel läßt im übrigen auch nicht erkennen, welche für die Mutter günstigeren Beweisergebnisse die vermißten Erhebungen zeitigen würden. Die Behauptung, die Vorinstanzen hätten den Antrag, einen weiteren Sachverständigen zu hären, übergangen, ist aktenwidrig, weil das Rekursgericht das vom Erstgericht eingeholte Gutachten ausdrücklich für ausreichend erachtet hat. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit erblickt die Rechtsmittelwerberin in der Mißachtung der Erfahrungstatsache, daß Kleinkiner möglichst bei der Mutter unterzubringen seien; demgegenüber hätten die Vorinstanzen den Wohn- und Einkommensverhältnissen der Eltern einen zu großen Stellenwert beigemessen. Die Zuteilung der elterlichen Rechte kann als Ermessensentscheidung mit einem nach § 16 Abs 1 AußStrG zu beurteilenden Revisionsrekurs nur dann mit Erfolg bekämpft werden, wenn die Vorinstanzen das Kindeswohl außer Acht ließen und deshalb willkürlich vorgingen (EFSlg 44.657 u.v.a.). Die Vorinstanzen haben aber dargelegt, daß an sich - soweit man von den Wohnverhältnissen absehe - der Pflege und Erziehung weder beim Vater noch bei der Mutter der Vorzug zu geben wäre, die Wohnverhältnisse des Vaters aber wesentlich günstiger seien und dieser Umstand für die Entscheidung ausschlaggebend sei. In einer solchen Beurteilung kann keine willkürliche Ermessensausübung und damit auch keine offenbare Gesetzwidrigkeit erblickt werden. Keinesfalls kann es beim Vergleich der beiderseitigen Verhältnisse auf die bisherigen Umstände ankommen, sondern welche Voraussetzungen das Kind in Hinkunft vorfinden wird. Auf die erstmals im Revisionsrekurs unter Berufung auf die unterbliebene Alimentierung behauptete mangelnde Eignung des Vaters zur Wahrnehmung der elterlichen Rechte ist nicht einzugehen, weil Neuerungen im Rahmen eines Revisionsrekurses nach § 16 Abs 1 AußStrG unbeachtlich sind (EFSlfg.44.637 u.v.a.). Der Revisionsrekurs ist als unzulässig zurückzuweisen.
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