OGH 2Ob654/85 (2Ob655/85)

OGH2Ob654/85 (2Ob655/85)26.11.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Johann A, Pensionist, 8544 Pälfing-Brunn, Jagernigg 26 b, vertreten durch Dr. Gerulf Haßlinger, Rechtsanwalt in Deutschlandsberg, wider die beklagte und widerklagende Partei Magdalena A, Hausfrau, 8544 Pälfing-Brunn, Jagernigg 26 b, vertreten durch Dr. Franz Insam, Rechtsanwalt in Wien, als Verfahrenshelfer, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 10. Juli 1985, GZ 1 R 122,123/85-29, womit infolge Berufung der beklagten und widerklagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 25.April 1985, GZ 10 Cg 351/83-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte und Widerklägerin hat dem Kläger und Widerbeklagten die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 3o8,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der im Jahre 1918 geborene Kläger begehrt die Scheidung seiner am 13.1.1978 mit der im Jahre 1939 geborenen Beklagten geschlossenen Ehe gemäß § 49 EheG aus dem Alleinverschulden der Beklagten wegen der im einzelnen genannten Eheverfehlungen.

Die Beklagte bestritt die behaupteten Eheverfehlungen, beantragte Klagsabweisung und erhob eine Widerklage mit dem Antrag, die Ehe der Streitteile wegen Eheverfehlungen des Klägers und Widerbeklagten aus dessen Alleinverschulden zu scheiden. Hiezu brachte sie vor, der Widerbeklagte lege ein unleidliches Verhalten an den Tag, zeige kein Interesse für sie und halte sie wie eine Sklavin, was sie jedoch nicht beweisen könne, weil er nach außen hin den Schein der Gleichberechtigung wahre. Auch habe er eine Freundin und interesse sich für Männer, was sie daraus schließe, daß er Männer lieb anlache, während er das bei ihr nicht tue. Er sei immer bestrebt, das Gegenteil von dem zu machen, was sie wolle. Sie halte die Ehe ebenfalls für unheilbar zerrüttet. Zum Beweis ihres Vorbringens bezog sich die Beklagte auf ihre Vernehmung als Partei. Das Erstgericht gab der Klage des Ehemannes statt und schied die Ehe gemäß § 49 EheG aus dem Alleinverschulden der Beklagten. Über die Widerklage fällte es keine Entscheidung.

Das Berufungsgericht gab der von der Beklagten und Widerklägerin erhobenen, lediglich gegen die Stattgebung der Klage des Mannes gerichteten Berufung nicht Folge.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhebt die Beklagte und Widerklägerin Revision aus den Revisionsgründen des § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrage auf Abänderung dahin, daß das Klagebegehren des Klägers und Widerbeklagten abgewiesen und die Ehe in Stattgebung ihrer Klage aus dem Alleinverschulden des Ehemannes geschieden werde.

Der Kläger und Widerbeklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Nach den erstgerichtlichen Sachverhaltsfeststellungen hat die Beklagte schon seit einiger Zeit den ehelichen Haushalt vernachlässigt, sodaß der Kläger die wesentlichen Haushaltsarbeiten selbst besorgen muß; auch bei der Bearbeitung seines Ackers ist er auf die Hilfe einer Bekannten angewiesen. Die Beklagte liegt oft bis zum Nachmittag im Bett und lehnt Arbeiten im Haus oder Garten ab, obwohl sie keiner Berufstätigkeit nachgeht. Am 11.7.1982 schlug die Beklagte dem Kläger mit einem Kabelstecker auf den Kopf, wodurch er eine blutende Wunde erlitt. Im eingeleiteten Strafverfahren wurde gemäß § 259 Z 4 StPO wegen Geringfügigkeit der Sache ein Freispruch gefällt. Im Jahre 1983 schlug sie dem Kläger mit einem Holzkreuz auf den Kopf. In einem Wutanfall hat die Beklagte auch einmal Geschirr zerschlagen. Sie ist der Arbeit nicht besonders zugeneigt und hat erklärt, den Kläger nur deswegen geheiratet zu haben, damit er ihr den Kaffee an das Bett bringe. Sie äußerte auch, sie strebe die Scheidung der Ehe an, weil sie einen anderen Mann haben wolle. Der Kläger unterhält keine ehewidrigen Beziehungen zu anderen Frauen und auch 'keine Männerbekanntschaften'. In seiner Beweiswürdigung verwies das Erstgericht darauf, daß die Beklagte mit der nebulosen Behauptung, sie werde wie eine Sklavin gehalten, lediglich versuche, den Kläger Eheverfehlungen anzulasten. Nach dem Erscheinungsbild der Parteien sei davon auszugehen, daß die Beklagte zur Aggressivität neige, der Arbeit abgeneigt sei und im Verlaufe der Ehe ein Verhalten an den Tag gelegt habe, dem der etwas unbeholfene Kläger nicht gewachsen sei. Die Ehe der Streitteile erscheine somit aus dem Alleinverschulden der Beklagten unheilbar zerrüttet, woraus sich die Rechtsfolge der Scheidung aus ihrem Alleinverschulden ergebe. Das Berufungsgericht hielt die Rüge der unrichtigen Beweiswürdigung und unrichtigen Tatsachenfeststellung nicht für gerechtfertigt. Hiezu führte es u.a. aus, das Berufungsvorbringen, der Kläger habe der Beklagten kein ausreichendes Wirtschaftsgeld gegeben, sei durch keine diesbezüglichen erstinstanzlichen Behauptungen der Beklagten gedeckt. Darüberhinaus fehle es auch an derartigen Beweisergebnissen, zumal die Beklagte in ihrer Parteienvernehmung lediglich erklärt habe, der Kläger sei selbst schuld daran, daß sie nicht mehr für ihn koche, weil er ihr 'nur mehr wenig Geld' gebe. Hinsichtlich der von der Beklagten erhobenen Rechtsrüge erklärte das Berufungsgericht, sie gehe überwiegend nicht vom festgestellten Sachverhalt aus und sei daher mangels gesetzmäßiger Ausführung insoweit unbeachtlich. Die festgestellten Ehewidrigkeiten der Beklagten, nämlich die Verletzung der Beistandspflicht und die körperlichen Mißhandlungen des Klägers, seien als schwere Eheverfehlungen zu qualifizieren und rechtfertigten die Stattgebung der Scheidungsklage des Ehemannes.

Über das Scheidungsbegehren der Beklagten als Widerklägerin habe das Erstgericht zwar nicht entschieden, die unvollständige Erledigung von Sachanträgen stelle jedoch keine von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeit des Verfahrens, sondern lediglich einen Verfahrensmangel dar, welcher hier mangels Geltendmachung in der Berufung nicht wahrgenommen werden könne. Die Erhebung einer Widerklage schließe wohl die Stellung eines Mitschuldantrages in sich, beim festgestellten Sachverhalt sei ein Mitverschulden des Widerbeklagten an der Zerrüttung der Ehe jedoch zu verneinen.

In der Revision wird als Verfahrensmangel gerügt, das Berufungsgericht sei auf das neue Vorbringen in der Berufung, der Kläger habe der Beklagten kein ausreichendes Wirtschaftsgeld gegeben und damit eine schwere Eheverfehlung gesetzt, nicht eingegangen. Auf Grund des erstinstanzlichen Vorbringens der Beklagten, der Kläger habe kein Interesse an ihr, sei das Erstgericht auch von Amts wegen zu entsprechenden Beweisaufnahmen verpflichtet gewesen. In der Rechtsrüge bringt die Beklagte vor, auf Grund der Angaben in ihrer Parteienvernehmung hätte das Erstgericht Eheverfehlungen des Klägers feststellen müssen. Demgegenüber sei ihr Fehlverhalten verschwindend gering, sodaß die Zerrüttung der Ehe lediglich auf das ehefeindliche Verhalten des Klägers zurückzuführen sei.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Nach der Bestimmung des Art.X Z 4 des Bundesgesetzes vom 11.11.1983 BGBl.1983/566 sind die Bestimmungen dieses Gesetzes auf nach dem 31.12.1983 in erster Instanz geschlossene Eheverfahren anzuwenden. Im Sinne der §§ 482,483 a Abs 2 ZPO gilt nunmehr im Berufungsverfahren in Scheidungssachen Neuerungsverbot. Gemäß dem durch Art.VI Z 2 des Bundesgesetzes BGBl.1983/566 eingeführten § 460 Z 4 ZPO hat das in Ehesachen tätige Gericht nur im Verfahren über die Nichtigerklärung oder die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe von Amts wegen dafür zu sorgen, daß alle für die Entscheidung maßgebenden Umstände aufgeklärt werden. Entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht hatten die Unterinstanzen demnach aber keine amtswegige Aufklärungspflicht und das erst in der Berufung erstattete Vorbringen wurde vom Berufungsgericht zu Recht als unzulässig behandelt. Die Verfahrensrüge ist daher nicht gerechtfertigt.

Hinsichtlich der in der Rechtsrüge behaupteten angeblichen Feststellungsmängel ist folgendes zu sagen: Die Beklagte hat in ihrer Parteienvernehmung angegeben, ihre Behauptung, sie werde vom Kläger wie eine Sklavin gehalten, gründe sich darauf, daß er kein Interesse an ihr zeige, auf ihre Fragen keine Antwort gebe und sie kein Recht im Haushalt habe. Demgegenüber hat das Erstgericht in seiner Beweiswürdigung jedoch ausgeführt, die Behauptung, die Beklagte werde vom Kläger wie eine Sklavin gehalten, sei 'nebulos' und sollte nur dazu dienen, dem Kläger Eheverfehlungen anzulasten; es hat sodann gegenteilig die Vernachlässigung des Haushaltes durch die Beklagte festgestellt. Eine Bekämpfung dieser im Rahmen der Beweiswürdigung getroffenen negativen bzw. gegenteiligen Feststellungen vor dem Obersten Gerichtshof ist nicht zulässig. Auf der erstinstanzlichen, vom Berufungsgericht gebilligten Feststellungsgrundlage erscheint die Rechtsrüge aber nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie nicht von diesem maßgeblichen Sachverhalt ausgeht.

Der insgesamt ungerechtfertigten Revision war demgemäß ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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