OGH 2Ob652/85

OGH2Ob652/8526.11.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Vormundschaftssache der am 19.April 1974 geborenen mj. Birgit A, wohnhaft 3264 Gresten, Mitterweg 108, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Scheibbs als Unterhaltssachwalter, infolge Revisionsrekurses des Unterhaltssachwalters gegen den Beschluß des Kreisgerichtes St.Pölten als Rekursgerichtes vom 25. September 1985, GZ. R 341/85-87, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Scheibbs vom 5.Juni 1985, GZ. P 71/75-59, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Ewald B war zuletzt auf Grund des Beschlusses des Erstgerichtes vom 7.8.1981, ON 63, zu monatlichen Unterhaltsleistungen von S 1.400,-- für sein uneheliches Kind Birgit A verpflichtet.

Am 11.9.1984 stellte Ewald B den Antrag, die Unterhaltsbeiträge auf S 700,-- monatlich herabzusetzen, weil er zur Zeit nur S 5.200,-- im Monatsdurchschnitt verdiene und für zwei weitere uneheliche Kinder zu sorgen habe.

Die Bezirkshauptmannschaft Scheibbs als Unterhaltssachwalter sprach sich gegen die begehrte Herabsetzung aus. Im Zuge der Erhebungen stellte sich heraus, daß Ewald B in der Zeit vom 18.9.1984 bis 16.11.1984 in Strafhaft war.

Mit Beschluß vom 5.6.1985 hat das Erstgericht dem Herabsetzungsantrag des Ewald B für den Zeitraum vom 18.1.1984 bis 16.11.1984 stattgegeben und den Unterhaltsbeitrag für diesen Zeitraum wegen der Haft des Ewald B auf S 700,-- monatlich herabgesetzt, im übrigen aber das Herabsetzungsbegehren abgewiesen. Das Erstgericht vertrat die Auffassung, der Vater sei mit Ausnahme des Zeitraumes der Verbüßung seiner zweimonatigen Freiheitsstrafe weiterhin zur Leistung des ihm auferlegten Unterhaltsbeitrages von S 1.400,-- monatlich in der Lage. Weil er es unterlasse, einem ihm zumutbaren, seiner Ausbildung und seinen Fähigkeiten entsprechenden Erwerb nachzugehen, sei auf ihn die sogenannte Anspannungstheorie anzuwenden. Danach könnte er als gelernter Kaufmann mit langjähriger Berufserfahrung ohne weiteres ein Einkommen von S 9.000,-- bis 10.000,-- monatlich erzielen, wodurch er in die Lage versetzt wäre, seine gesetzlichen Unterhaltspflichten zu erfüllen und auch seine eigenen Lebensbedürfnisse angemessen zu befriedigen. Im übrigen unterliege jede Unterhaltsbemessung der sogenannten Umstandsklausel, wonach von einer einmal getroffenen Unterhaltsbemessung nur bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse auf Seiten des Unterhaltsberechtigten bzw. Unterhaltsverpflichteten abgegangen werden könne. Selbst wenn in den Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen seit der letzten Unterhaltsfestsetzung eine geringfügige Verschlechterung eingetreten wäre, würde diese durch die gestiegenen Bedürfnisse des Kindes, welches mittlerweile in die Altersgruppe der 10- bis 15-jährigen gekommen sei, mehr als aufgewogen.

Infolge Rekurses des Vaters änderte das Gericht zweiter Instanz den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß der Vater anstelle des Unterhaltsbetrages von S 1.400,-- monatlich ab 18.9.1984 bis auf weiteres den Unterhaltsbetrag von S 700,-- monatlich zu bezahlen habe. Das Rekursgericht führte aus, der am 6.3.1942 geborene Ewald B sei 14 x vorbestraft, unter anderem mehrfach wegen Betruges und wegen Verletzung der Unterhaltspflicht. Derzeit seien beim Kreisgericht Krems Verfahren wegen § 288 Abs 1 und 2 StGB und abermals wegen Verletzung der Unterhaltspflicht anhängig. Ewald B sei seit Dezember 1984 als kaufmännischer Angestellter in der Blumenstube der Daniela C in Zwettl mit 30 Wochenstunden beschäftigt und verdiene dort, wie sich aus der vorliegenden Gehaltsauskunft ergibt, ca. S 5.730,-- netto im Monatsdurchschnitt. Der Führerschein sei ihm abgenommen worden. Seine Frau arbeite im Spital in Zwettl als Krankenschwester. Seine Unterhaltsverpflichtung für sein am 1.10.1971 geborenes uneheliches Kind Alexandra D betrage auf Grund der Vereinbarung vor der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 27.5.1983 S 1.200,-- monatlich. Die für sein am 22.6.1971 geborenes weiteres uneheliches Kind Renü E zu leistenden Unterhaltsbeiträge lägen derzeit bei S 700,-- monatlich. Sie seien mit Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 24.5.1985 mit Wirksamkeit vom 1.12.1984 von bis dahin S 1.100,-- auf S 700,-- herabgesetzt worden. Dem dagegen vom Vertreter des Kindes erhobenen Rekurs sei mit Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 6.9.1985 nicht Folge gegeben worden. Dem Erstgericht sei zwar darin beizupflichten, daß jeder Unterhaltspflichtige grundsätzlich seine Kräfte so einzusetzen habe, daß er seinen Unterhaltsverpflichtungen nachkommen könne. Die im Sinn der sogenannten Anspannungstheorie an den unterhaltspflichtigen Vater zu stellenden Anforderungen dürften im vorliegenden Fall aber nicht überspannt werden. Wie sich aus der Lebenssituation des Ewald B ergebe, könnten die Erwartungen in seine Verdienstchancen nicht allzu hoch gesetzt werden. Die bekannt ungünstige Arbeitsmarktsituation im Waldviertel und insbesondere die persönlichen Umstände des Ewald B, und zwar seine zahlreichen Vorstrafen, die derzeit anhängigen Strafverfahren, die ständigen Exekutionen, das Fehlen eines Führerscheines usw., sprächen gegen die Ansicht, Ewald B hätte bei entsprechendem Einsatz seiner Kräfte weit bessere Verdienstchancen als derzeit. Auch der Vorwurf, Ewald B könnte bei seiner jetzigen Dienstgeberin anstatt mit 30 mit 40 Wochenstunden beschäftigt sein und dadurch mehr verdienen, erscheine im vorliegenden Fall nicht gerechtfertigt. Daß die finanzielle Situation der Dienstgeberin nicht besonders günstig sei, ergebe sich aus ihrer Aussage vom 7.5.1983 vor dem Bezirksgericht Zwettl, wonach sie sich eine Ganztagskraft nicht leisten könne, und aus dem Strafakt des Kreisgerichtes Krems, demzufolge ein über das Vermögen der Daniela C eröffnetes Ausgleichsverfahren am 7.3.1984 gemäß § 67 Abs 1 Zif.9 Ausgleichsordnung eingestellt worden sei. Der Herabsetzungsantrag des Ewald B erscheine daher infolge der aufgezeigten Umstände derzeit zur Gänze berechtigt. Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs des Unterhaltssachwalters mit dem dahin aufzufassenden Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichtes abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Der Rechtsmittelwerber führt aus, daß das Rekursgericht die persönlichen Voraussetzungen auf Seiten des Unterhaltsschuldners infolge Verkennung der Rechtslage falsch beurteilt habe, indem es den Schluß zog, auf Ewald B könne aufgrund der Arbeitsplatzsituation im Waldviertel und seiner zahlreichen - auch einschlägigen - Vorstrafen die sogenannte Anspannungstheorie nicht angewendet werden. Außeracht gelassen habe das Rekursgericht auch den Grundsatz der Umstandsklausel in Verbindung mit der subjektiven Beweislast des Unterhaltspflichtigen. Es sei durch nichts bewiesen, daß sich die Lebensverhältnisse des Kindesvaters seit der letzten Unterhaltsbemessung im Jahre 1981 derart verschlechtert hätten, daß er nicht mehr entsprechende Arbeiten verrichten könnte, um seiner Unterhaltsverpflichtung vollständig nachkommen zu können. Die einzige bewiesene und aktenkundige Verschlechterung resultiere aus seinen Straffälligkeiten bzw. strafrechtlichen Verurteilungen. Nachweislich wäre aber auch, daß seither der Bedarf des Kindes gestiegen sei, was eher für eine Unterhaltserhöhung spreche.

Diesen Ausführungen ist folgendes zu erwidern:

Da das Rekursgericht die Entscheidung des Erstgerichtes abgeändert hat, ist die Anfechtbarkeit der Entscheidung der zweiten Instanz nach § 14 AußStrG zu beurteilen.

Gemäß § 14 Abs 2 AußStrG sind aber Rekurse gegen Entscheidungen der zweiten Instanz über die Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche unzulässig. Zur Bemessung gehört die Beurteilung der Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten, der zur Deckung dieser Bedürfnisse vorhandenen Mittel, die vor der Leistung des Unterhaltspflichtigen heranzuziehen sind (wie Vermögen, Einkommen, Arbeitsfähigkeit des Unterhaltsberechtigten und Leistungen anderer Personen), und der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen, wobei die Beurteilung dieser Umstände durch die zweite Instanz auch dann unanfechtbar ist, wenn es strittig ist, ob sie zur völligen Ablehnung eines Anspruches auf Unterhaltsleistung führt (vgl. Judikat 60 neu = SZ 27/177 uva.).

Die Rechtsmittelausführungen richten sich gegen die Auffassung des Rekursgerichtes, die im Sinne der sogenannten Anspannungstheorie an den unterhaltspflichtigen Vater zu stellenden Anforderungen dürften im vorliegenden Falle nicht überspannt werden. Dem ist entgegenzuhalten, daß die Frage nach der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit des Unterhaltspflichtigen nach der sich aus § 140 Abs 1 ABGB ergebenden sogenannten Anspannungstheorie ausschließlich die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen betrifft und damit zum Bemessungsbereich gehört (EFSlg 34.994, 2 Ob 533/85 ua.). Dasselbe gilt auch für die Frage, ob seit der letzten Unterhaltsfestsetzung eine Änderung der Lebensverhältnisse auf Seiten des Unterhaltspflichtigen eingetreten ist (vgl.EFSlg 27.832, 44.088, 44.597 ua.). Das Rekursgericht hat im übrigen die vom Vater behauptete nachteilige Veränderung seiner Lebensverhältnisse als erwiesen angenommen und dementsprechend den Unterhaltsbeitrag herabgesetzt; diese Beurteilung betrifft aber, wie dargelegt, den der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogenen Bemessungsbereich. Welche sonstigen gesetzlichen Grundsätze der Unterhaltsbemessung das Rekursgericht verletzt haben sollte, führt der Revisionsrekurs nicht aus und ist auch aus der Aktenlage nicht zu ersehen.

Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

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