OGH 7Ob646/85

OGH7Ob646/8521.11.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A AG, Oberdorf 4, Münchwilen, Schweiz, vertreten durch Dr. Gerald Göbel, Rechtsanwalt in Wien, sowie der Nebenintervenienten auf Seite der klagenden Partei 1) Ing. Manfred P***, Kaufmann, Wien 4., Schleifmühlgasse 2/20, und 2) Gerhard B, Kaufmann, Wien 7., Burggasse 76, beide vertreten durch Dr. Hans Gerhard Schreiber, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei C D Warenhandelsgesellschaft mbH, Wien 3., Marxergasse 24, vertreten durch Dr. Harry Neubauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen

47.520 US-Dollar samt Anhang (= S 720.284,--) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 30. Mai 1985, GZ 2 R 89/85-83, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 21. Dezember 1984, GZ 11 Cg 250/82-77, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 17.619,15 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.200,-Barauslagen und S 1.492,65 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrt den Schillinggegenwert von 94.683,60 sfr, allenfalls 47.520 US-Dollar, in eventu Zahlung von 720.284,40 S samt Anhang mit der Behauptung, sie habe mit der Beklagten einen Vertrag über die Lieferung von Zigaretten abgeschlossen. Im Vertrag sei die Erstellung einer Liefergarantie in der Höhe von 3 % des Warenwertes, das seien 47.520 US-Dollar, vereinbart gewesen. Die Beklagte habe weder die Zigaretten geliefert noch die Liefergarantie beschafft, sodaß sie zur Zahlung des vorerwähnten Betrages verpflichtet sei, weil die Liefergarantie den Charakter einer Vertragsstrafe habe. Im zweiten Rechtsgang haben beide Vorinstanzen der Klägerin den Schillinggegenwert von 47.500 US-Dollar zugesprochen. Sie gingen hiebei von folgenden wesentlichen Feststellungen aus:

Nachdem die Streitteile wegen der Lieferung einer bestimmten Anzahl und Art von Zigaretten durch die Beklagte an die Klägerin zueinander in Kontakt getreten waren und hiebei auch der Preis erwähnt worden war, erstellte die Beklagte in einem Telex vom 18.11.1977 noch einmal ihr detailliertes Anbot, wobei sie am Schluß anführte: "..... nach Erhalt Ihrer Order auf Grund Ihres Festoffertes erhalten Sie von unserer Bank das unwiderrufliche Aviso, daß eine Liefergarantie in der Höhe von 3 % des Warenwertes automatisch eröffnet wird, sobald Ihr Akkreditiv auf unserer Bank eingelangt ist".

In einem Telex vom 21.11.1977 nahm die Klägerin das Anbot der Beklagten an, wobei sie unter anderem ausführte: ".... nach Erhalt unserer Order auf Grund Ihrer Festofferte erhalten wir von Ihrer Bank das unwiderrufliche Aviso, daß eine Liefergarantie in der Höhe von 3 % des Warenwertes (= US-Dollar 47.520) automatisch eröffnet wird, sobald unser Akkreditiv bei Ihrer Bank eingelangt ist."

Am 24.11.1977 schrieb die Beklagte an die Klägerin, daß sie noch nicht im Besitz der Bestätigung ihres Lieferanten sei, sobald sie diese habe, werde sie der Bank der Klägerin das Aviso geben. Die Klägerin antwortete mit Schreiben vom 25.11.1977, daß die angebotene akzeptierte Liefergarantie ihr gegenüber nicht von der Bestätigung oder Nichtbestätigung der Order durch einen Vorlieferanten abhängig sei, verwies auf das Festanbot vom 18.11.1977 und die Order vom 21.11.1977 sowie auch darauf, daß die 18.000 Kartons Zigaretten bereits verkauft seien und im Falle der Nichtlieferung durch die Beklagte diese mit Schadenersatzansprüchen rechnen müsse. In der Folge wurde seitens der Beklagten weder das geforderte Aviso erteilt, noch die Lieferung vorgenommen.

Ein über den Urkundeninhalt hinausgehender Vertragswille der Parteien wurde von den Vorinstanzen nicht festgestellt, insbesondere nicht, daß der Vertragsabschluß erst mit der Erteilung eines Akkreditivs durch die Klägerin oder der Lieferung der Zigaretten durch die Beklagte zustande kommen solle.

Rechtlich vertraten die Vorinstanzen, insbesondere unter Hinweis auf einen im ersten Rechtsgang ergangenen Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 27.1.1983, 7 Ob 817/82, den Standpunkt, zwischen den Streitteilen sei es zu einem fixen Vertrag über die Lieferung von Zigaretten durch die Beklagte gekommen. Die Vereinbarung könne nur dahin verstanden werden, daß die Klägerin zwar ein Bankakkreditiv zu erstellen habe, dies aber ein vorheriges Aviso der Beklagten bezüglich der Leistung einer Bankgarantie betreffend 3 % des Warenwertes zur Voraussetzung habe. Die Beklagte habe daher die Pflicht getroffen, dieses Aviso zu beschaffen. Im Falle einer Nichtbeschaffung und Nichtlieferung der Zigaretten müsse sie daher jenen Betrag aus Eigenem zahlen, der durch die Liefergarantie abgesichert werden sollte.

Das Berufungsgericht führte außerdem noch aus, daß durch den Zuspruch des Schillinggegenwertes für US-Dollar ohne gleichzeitige Abweisung des auf Zahlung des Schillinggegenwertes für sfr gerichteten Begehrens Interessen der Beklagten nicht verletzt worden seien.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.

Um Wiederholungen zu vermeiden, kann auf die Ausführungen im Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 27.1.1983, 7 Ob 817/82, verwiesen werden. Offensichtlich mißversteht die Beklagte diese Ausführungen. Bereits dort wurde dargetan, daß im Falle einer neuen Urkundenauslegung, die im Hinblick auf die getroffene Feststellung, wonach über den Urkundeninhalt hinausgehende Vereinbarungen nicht getroffen worden sind, hier zu erfolgen hat sowie unter Berücksichtigung der Funktion der von der Klägerin geforderten Garantie, die eingangs zitierten Urkundenstellen nur dahin verstanden werden können, daß die Beklagte im Falle der Verletzung ihrer Verpflichtung zur Besorgung eines Avisos ihrer Bank für den Garantiebetrag selbst einzustehen hat (S 220). Diese Ausführungen haben keineswegs eine Vertragsstrafe zum Gegenstand. Im übrigen geht auch das Berufungsgericht, ebensowenig wie das Erstgericht, von der Vereinbarung einer Vertragsstrafe aus. Die Ausführungen des Berufungsgerichtes zu einer Vertragsstrafe sollten nur dartun, daß die Beklagte zur Zahlung auch dann verpflichtet wäre, falls sie eine Vertragsstrafe vereinbart hätte. Demnach geht der gesamte Inhalt der Revision, der darlegen will, daß zwischen den Streitteilen nicht eine Vertragsstrafe, sondern die Beschaffung einer Bankgarantie vereinbart worden ist, an der Sache vorbei. Gerade von einer solchen Vereinbarung sind die Vorinstanzen mit Recht ausgegangen. Daß aber die Beschaffung einer Bankgarantie durch die Beklagte von der vorherigen Übersendung eines Akkreditivs durch die Klägerin, diese Übersendung hingegen von der vorherigen Übermittlung eines Avisos der Beklagten abhängig war, steht unbekämpft fest. Die Garantie in der Höhe von 3 % des Warenwertes konnte überhaupt nur den Sinn haben, die Einhaltung des Vertrages durch die Beklagte zu sichern. Es ist daher klar, daß die Beklagte nach dem Sinn des Vertrages alles zu tun hatte, um die entsprechende Garantie zu beschaffen. Dies setzte aber die vorherige Beschaffung eines Avisos durch sie voraus. Die Vereinbarung zwischen den Streitteilen kann daher überhaupt nicht anders ausgelegt werden als dahin, daß die Beklagte, falls sie ihrer Verpflichtung zur Beschaffung des Avisos nicht entsprach, selbst die Garantiesumme aufbringen muß. Daß die Verpflichtung aus einer Bankgarantie in der Regel verschuldensunabhängig ist, erkennt die Beklagte selbst. Demnach mußte aber auch die Klägerin zwecks Durchsetzung ihres Anspruches auf Erlangung einer Garantie kein Verschulden der Beklagten nachweisen. Dies hat der Oberste Gerichtshof bereits in seiner erwähnten Vorentscheidung eingehend dargelegt. Da seit dieser Entscheidung die Sachgrundlage keine Änderung erfahren hat, ist der Oberste Gerichtshof an seine damals geäußerte Rechtsansicht gebunden (RZ 1977/15, SZ 50/97 ua.).

Richtig hat das Berufungsgericht auch erkannt, daß kein rechtliches Interesse der Beklagten an einer formellen Abweisung des Begehrens bezüglich des Schillinggegenwertes für sfr. besteht, weil hiedurch ihre Position nicht im geringsten verändert wird. Ein solches Rechtsschutzinteresse wäre aber Voraussetzung für einen Erfolg ihres Rechtsmittels.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO unter Berücksichtigung des § 6 RAT-Gesetz (Dollarkurs am Tag der Entscheidung).

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