OGH 3Ob612/85

OGH3Ob612/8520.11.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule, Dr.Warta, Dr.Klinger und Mag.Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Maria Sonja A, im Haushalt, Landstraße 27, 6971 Hard, vertreten durch Dr.Paul Fritz Renn, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die beklagte Partei Anatoli B, Kaufmann, Chimanistraße 30/16, 1190 Wien, vertreten durch Dr.Mag.Harald Jelinek, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 1,350.000,-- samt Anhang, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 13.Juni 1985, GZ.17 R 122/85-27, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 31. Jänner 1985, GZ.25 Cg 339/83-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin verkaufte dem Beklagten ihre mit Wohnungseigentum an der Wohnung 16 im Hause Chimanistraße 30 in 1190 Wien untrennbar verbundenen 2300/59400 Anteile an der Liegenschaft EZ.2102 des Grundbuches über die Katastralgemeinde Oberdöbling. Am 19.Oktober 1983 begehrte sie mit ihrer Klage die Zahlung des Kaufpreises von S 1,650.000,-- samt 9 % Zinsen seit dem 1. Februar 1983. Sie trug vor, der Beklagte sei bei der Abwicklung des Geschäftes nie persönlich aufgetreten. Er habe sich dabei durch Kurt J*** vertreten lassen. Der Kaufpreis sei fällig, Kurt J*** habe bankmäßige Verzinsung ab 31.Jänner 1983 angeboten. Es sei mehrmals eine Nachfrist zur Zahlung des Kaufpreises gesetzt worden. Der Beklagte beantragte, das Zahlungsbegehren abzuweisen. Die Vereinbarung in dem schriftlichen Kaufvertrag, die Zahlung des Kaufpreises werde aus den "Finanzierungs- und Zahlungsmitteln" des Käufers getätigt, sei nach mündlicher Abmachung so zu verstehen gewesen, daß der Kaufpreisteilbetrag von S 600.000,-- nach Erteilung der behördlichen Genehmigung über einen Treuhänder bereitgestellt und der Restkaufpreis durch Aufnahme eines Hypothekardarlehens aufgebracht werde. Der Rechtsvertreter der Klägerin sei durch den vom Beklagten beauftragten Baumanager Kurt J*** unterrichtet worden, daß der Teilbetrag von S 600.000,-- zur Verfügung stehe. Der Rechtsvertreter der Klägerin habe am 5.September 1983 den Rücktritt von dem Kaufvertrag erklärt, auch die Klägerin habe dem Beklagten am 22. September 1983 geschrieben, sie sei nicht mehr in der Lage, den Kaufvertrag aufrecht zu halten. Durch den unberechtigten und vereinbarungswidrigen Rücktritt vom Vertrag habe die Verkäuferin die unmittelbar bevorstehende Darlehensaufnahme vereitelt. Die weitere Abwicklung sei möglich und gewährleistet, sobald die Klägerin erkläre, zu ihren vertraglichen Pflichten zu stehen. Sie könne nicht vom Vertrag zurücktreten und zugleich auf Vertragserfüllung bestehen. Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten, der Klägerin S 1,350.000,-- samt 4 % Zinsen seit dem 19.Oktober 1983 zu bezahlen und wies ihr Mehrbegehren von S 300.000,-- und an Zinsen (inzwischen rechtskräftig) ab.

Das vom Beklagten angerufene Berufungsgericht bestätigte. Die Vorinstanzen gingen übereinstimmend von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:

Die Klägerin betraute mit dem Verkauf ihres mit Wohnungseigentum verbundenen Liegenschaftsanteiles ihren Bruder und Rechtsvertreter. Auf Seiten des Beklagten trat Kurt J*** als Financier und Manager auf, der dem Rechtsvertreter der Klägerin am 20.Februar 1982 eine Ausfertigung des Kaufvertrages übermittelte und in dem Begleitschreiben festhielt, die Klägerin erhalte als Kaufpreis S 1,350.000,--, nur aus finanztechnischen Gründen sei zur Deckung der Grunderwerbssteuer und der Eintragungsgebühren der Kaufpreis im Vertrag mit S 1,650.000,-- genannt.

Der Rechtsvertreter der Klägerin unterfertigte für diese als mit beglaubigter Vollmacht vom 29.Juni 1981 ausgestatteter Vertreter am 10. März 1982 die Vertragsurkunde und übermittelte sie in Entsprechung des Ersuchens des Kurt J*** an den namhaft gemachten Treuhänder Dr.Helmut C, Rechtsanwalt in Wien. In der Kaufvertragsurkunde war unter Punkt V. festgehalten, daß der Käufer nicht österreichischer Staatsbürger ist und der Vertrag daher zu seiner Gültigkeit der Genehmigung durch die Landesregierung bedarf (Ausländergrunderwerbsgesetz LGBl.Wien 1967/33).

Am 12.Jänner 1983 diktierte der Rechtsvertreter der Klägerin ein Schreiben an Kurt J***. Er setze eine Nachfrist für die Zahlung des Kaufpreises bis 31.Jänner 1983. Die Verkäuferin trete sonst vom Vertrag zurück. Der Käufer werde dann die Wohnung räumen müssen. Dieses Schreiben unterfertigte eine Rechtsanwaltsangestellte und sandte es an Kurt J*** ab. Kurt J*** setzte sich mit dem Rechtsvertreter der Klägerin telefonisch in Verbindung. Sie kamen überein, das irrtümlich abgeschickte Rücktrittsschreiben sei als gegenstandslos zu betrachten.

Am 18.März 1983 unterfertigte der Beklagte die Kaufvertragsurkunde.

Am 16.Mai 1983 übermittelte der Rechtsvertreter der Klägerin dem Kurt J*** ein am 11.Mai 1983 bei ihm eingegangenes Telegramm der Klägerin, die eine endgültige Entscheidung über den Wohnungsverkauf betrieb und ankündigte, sie trete von dem Vertrag zurück, weil sie einen anderen Käufer habe, und ersuchte um Mitteilung, wann der Kaufpreis bezahlt werde, weil das Rechtsgeschäft seit zwei Jahren "in der Luft hänge". Kurt J*** rief den Rechtsvertreter der Klägerin am 30.Mai 1983 an und teilte ihm mit, die Entscheidung über die behördliche Genehmigung stehe noch aus, sei aber bis Mitte Juni 1983 zu erwarten. Am 29.Juli 1983 kündigte Kurt J*** an, es stünde schon der Betrag von S 600.000,-- zur Verfügung, die Restfinanzierung folge kurzfristig nach. Am 18.August 1983 rief Kurt J*** an und erklärte, S 600.000,-- könnten ausgezahlt werden, die übrige Finanzierung erfolge über Bausparkasse und Hypothekenbank. Bei einem weiteren Telefongespräch drohte der Rechtsvertreter der Klägerin dem Kurt J*** mit dem Vertragsrücktritt. Kurt J*** telegrafierte, er weise namens des Käufers den versuchten Vertragsrücktritt als vereinbarungs- und gesetzwidrig zurück. Am 5. September 1983 schrieb der Rechtsvertreter der Klägerin an Kurt J***, er sei schon am 12.Jänner 1983 von dem Vertrag zurückgetreten, weil keine der Zusagen eingehalten wurden, und habe den Rücktritt nie widerrufen. Er habe den Auftrag, mit einem ihm von der Klägerin genannten Käufer abzuschließen. Kurt J*** antwortete am 21.September 1983, wies die Erklärungen zurück und bestand auf der Abwicklung des Kaufvertrages, weil die Rücktrittserklärungen gesetzwidrig und auch rückgängig gemacht worden seien. Eine Aufhebung des Kaufvertrages komme nicht in Frage. Am 22. September 1983 schrieb die Klägerin, die von dieser Korrespondenz nichts wußte, dem Beklagten, sie sehe sich nicht in der Lage, den Kaufvertrag aufrecht zu halten, weil sie der mit der Abwicklung des Kaufgeschäftes betraute Kurt J*** seit mehr als acht Monaten mit der Kaufpreiszahlung hinhalte. Sie habe nun einen ernsthaften Käufer. Der Rechtsvertreter der Klägerin hatte mit den Erklärungen, vom Vertrag zurückzutreten, beabsichtigt, den Beklagten zur Zahlung des Kaufpreises zu veranlassen. Er schrieb am 29.September 1983 an den Treuhänder Dr.Helmut C, er nehme die Erklärungen des Vertreters des Beklagten an, der die Rücktritsserklärung zurückweise, und bestehe daher auf der Vertragseinhaltung und Kaufpreiszahlung. Er ersuche, dies dem Beklagten mitzuteilen. Das Erstgericht meinte in seiner rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhaltes, die Rücktrittserklärung vom 12.Jänner 1983 sei nicht wirksam geworden. Die späteren Erklärungen hätten sich nur darauf bezogen. Der Beklagte habe durch seinen Vertreter an dem Vertrag festgehalten; der Vertreter der Klägerin habe dies akzeptiert. Beide Teile gingen übereinstimmend davon aus, daß der Kaufvertrag aufrecht sei. Der Beklagte habe daher den fälligen Kaufpreis von S 1,350.000,-- zu entrichten.

Das Berufungsgericht übernahm die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes und kam bei der Behandlung der Rechtsrüge zu dem Ergebnis, der Gläubiger habe bei Schuldnerverzug die Wahl, auf der Erfüllung des Vertrages zu bestehen oder von diesem zurückzutreten. Die Rücktrittserklärung konsumiere das Erfüllungsverlangen und befreie den Gläubiger von seinen Vertragspflichten, nehme ihm aber auch den Erfüllungsanspruch. Die Klägerin sei wohl von dem Kaufgeschäft zurückgetreten, der Beklagte habe aber die Berechtigung dieser Erklärungen wegen des Fehlens seines Leistungsverzuges bestritten und daran festgehalten, daß der Vertrag aufrecht bleibe und zu erfüllen sei. Die Rücktrittserklärung vom 12.Jänner 1983 sei einverständlich rückgängig gemacht worden. Es sei erst später die beglaubigte Unterfertigung der Kaufvertragsurkunde durch den Beklagten erfolgt. Der Beklagte habe auch noch in seiner Klagebeantwortung (= Widerspruch) den Standpunkt vertreten, ein Rücktritt vom Vertrag durch die Klägerin sei ungerechtfertigt und nicht rechtswirksam, der Kaufvertrag sei aufrecht.

Die Klägerin habe durch die Einbringung der auf Erfüllung des Vertrages gerichteten Klage dem Vertragswillen des Beklagten Rechnung getragen und in Übereinstimmung mit dem Willen des Beklagten ihre Rücktrittserklärung zurückgenommen. Sie habe sich damit entgegen ihren ursprünglichen Erklärungen bereit gefunden, auch die verspätete Leistung anzunehmen. Es liege im Interesse beider Teile, wenn die Möglichkeit bejaht werde, die zunächst abgegebene Rücktrittserklärung im Einvernehmen mit dem anderen Teil zurückzunehmen und damit den Vertrag aufrecht zu halten. Der Beklagte, der stets die Unwirksamkeit der Rücktrittserklärungen behauptete, könne der Klägerin nicht jetzt die Wirksamkeit der Vertragsaufhebung durch den Rücktritt entgegenhalten. Daß Kurt J*** nicht Vollmacht hatte, für den Beklagten Vereinbarungen abzuschließen, sei erst im Berufungsverfahren behauptet und als unzulässige Neuerung nicht zu beachten. Die Höhe der Kaufpreisforderung und ihre Fälligkeit seien vom Berufungswerber nicht mehr bekämpft worden.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner Revision aus dem Grund des § 503 Abs 1 Z.4 ZPO mit dem Antrag auf Abänderung der Urteile der Vorinstanzen auf Abweisung des Klagebegehrens und hilfsweise auf Aufhebung und Zurückverweisung der Sache zu neuer Entscheidung.

Die Klägerin hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

In der Revisionsschrift wird ausschließlich behauptet, das Berufungsgericht sei aktenwidrig davon ausgegangen, daß der Beklagte die Vereinbarungen über die Aufhebung des Vertragsrücktrittes geschlossen habe, obwohl feststehe, daß alle Erklärungen nie vom Beklagten sondern stets nur von Kurt J*** abgegeben wurden. Die Klägerin habe aber gar nicht behauptet, daß das Auftreten des Kurt J*** dem Beklagten zuzurechnen sei. Damit fehle es schon an der Schlüssigkeit des Klagevorbringens, weil der Vertragsrücktritt nur einvernehmlich wieder rückgängig zu machen sei, die Klägerin aber die Tatsache des Bestehens eines Vertretungsverhältnisses durch Kurt J*** nicht vorgebracht habe. Schon deshalb müsse das Klagebegehren abgewiesen werden. Das Vorbringen dieses Umstandes in der Berufungsschrift habe nicht als Neuerung abgetan werden dürfen. Das Vorbringen in der Revision geht von der aktenwidrigen Annahme aus, die Klägerin habe die anspruchsbegründenden Tatsachen nicht vorgetragen. Davon, daß die auf Erfüllung des Kaufvertrages gerichtete Klage unschlüssig sei, kann keine Rede sein. Schon in der Klageschrift wurde behauptet und unter Beweis gestellt, daß der Beklagte bei der (gesamten) Abwicklung des Kaufgeschäftes nie persönlich auftrat sondern sich durch Kurt J*** vertreten ließ. Auch der Beklagte hat vorgebracht, Kurt J*** sei der "von ihm beauftragte Baumanager" gewesen. Die Tatsache, daß Kurt J*** Vollmacht des Beklagten hatte, das Geschäft abzuschließen und die Abwicklung vorzunehmen, hatte daher eines Beweises nicht bedurft (§ 266 Abs 1 ZPO). Es ist auch festgestellt, daß auf Seiten des Beklagten als Käufers dessen Beauftragter als Machthaber aufgetreten war und für den Beklagten handeln konnte.

Eine Änderung der rechtlichen Argumentation oder die Geltendmachung eines neuen Gesichtspunktes bei der rechtlichen Beurteilung steht einer Partei im Rechtsmittelverfahren nur zu, wenn die zugrunde liegenden Tatsachen im Verfahren erster Instanz behauptet und festgestellt wurden (SZ 37/151; JBl 1952, 16 u.v.a.). Daß sein Vertreter zu bestimmten Rechtshandlungen nicht befugt war und daß dies der Klägerin (oder ihrem Vertreter) erkennbar war, hätte der Beklagte behaupten müssen, wenn er beim Kaufgeschäft nicht selbst aufgetreten war sondern sich eines Machthabers bediente. Nach dem festgestellten Sachverhalt wurde der "Rücktritt vom Vertrag" nicht bloß von der Klägerin zurückgenommen. Der Beklagte hat nicht nur durch seinen Vertreter sondern selbst im Prozeß einen Rücktritt vom Kaufvertrag als unberechtigt und unwirksam bezeichnet (AS 11). Er ist von der Weiterwirkung des Kaufgeschäftes ausgegangen. Es konnte auch durchaus ein Verzug des Beklagten mit der Erfüllung seiner Vertragspflichten zweifelhaft sein, wenn der Vertrag erst mit der behördlichen Genehmigung nach § 1 Abs 1 des Wiener Ausländergrunderwerbsgesetzes LGBl.1967/33 im Sommer 1983 gültig wurde und im Kaufvertrag eine bestimmte Zeit der Fälligkeit der Kaufpreisforderung nicht bestimmt war. In erster Instanz war es übereinstimmender Prozeßstandpunkt der Vertragsteile, daß das Kaufgeschäft zu erfüllen sei. Der Beklagte hatte nur die Fälligkeit der gegen ihn erhobenen Kaufpreisforderung bestritten gehabt (ON 4 und ON 6).

Zwischen den Parteien war klargestellt, daß die Rücktrittserklärungen der Klägerin als gegenstandslos zu betrachten sind und der Vertrag aufrecht blieb. Dies folgt auch aus der zur Durchsetzung der Forderung aus dem Vertrag erfolgten Einleitung und Fortführung des gegenwärtigen Prozesses. Damit hat die Klägerin sich eindeutig dahin erklärt, daß sie sich dem Standpunkt des Beklagten und seines Vertreters beuge, wonach der Kaufvertrag mangels Wirksamkeit des Rücktrittes infolge Fehlens eines Grundes nach § 918 Abs 1 ABGB aufrecht sei.

Daß dann aber zumindest bis Schluß der Verhandlung in erster Instanz am 7.November 1984 mehr als ein Jahr nach dem wirksamen Zustandekommen des Kaufgeschäftes der Kaufpreis zu entrichten war und der Beklagte daher ohne Rechtsirrtum von den Vorinstanzen zur Zahlung verhalten wurde, bedarf keiner weiteren Begründung. Die Revision ist demnach erfolglos erhoben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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