OGH 2Ob650/85

OGH2Ob650/8512.11.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragstellerin Sabine A, geborene B, Schmiedtorgasse 5, 6060 Hall in Tirol, vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider den Antragsgegner Albert B, Steinmetzmeister, Innsbruckerstraße 4, 6060 Hall in Tirol, vertreten durch Dr. Klaus Gürtler, Rechtsanwalt in Hall in Tirol, wegen Bestellung eines Heiratsgutes, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 10. September 1985, GZ 1 b R 146/85-48, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hall in Tirol vom 30. Mai 1985, GZ 1 Nc 92/83-36, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Antragstellerin begehrte ein Heiratsgut in der Höhe von S 2,3 Mio.

Der Antragsgegner erklärte sich bereit, ein Heiratsgut von S 100.000,-- zu leisten.

Das Erstgericht bestimmte das Heiratsgut mit S 150.000,--. Aus den Feststellungen ist folgendes hervorzuheben:

Der Schätzwert aller im Eigentum des Antragsgegners stehenden Liegenschaften beträgt insgesamt S 11,727.000,--. Zu diesen Liegenschaften gehören u.a. das Wohnhaus des Antragsgegners, eine Eigentumswohnung, die seine geschiedene erste Ehegattin benützt, und das Gelände des Steinmetzbetriebes des Antragsgegners. Im Jahr 1983 betrugen die Einkünfte des Antragsgegners aus seinem Gewerbebetrieb S 411.075,--. Nach Abzug der Einkommensteuer verblieb ein Betrag von S 257.000,--. Unter Berücksichtigung von Abzügen, die für steuerliche Zwecke zwar maßgebend sein mägen, nicht aber für die Berechnung des Heiratsgutes, ergibt sich ein Jahresnettoverdienst von durchschnittlich S 700.000,--. Die Geschäftsentwicklung weist einen starken Aufwärtstrend auf. Der Antragsgegner ist sorgepflichtig für zwei noch minderjährige Kinder aus erster Ehe, für die er zusammen S 47.600,-- jährlich leistet, für seine geschiedene Ehegattin (S 59.500,-- jährlich) sowie für seine nunmehrige Gattin und seine beiden aus der zweiten Ehe stammenden Kinder. Außerdem sorgt er für eine in einem Pflegeheim befindliche Schwester (ca. S 85.000,-- pro Jahr).

Bei der rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht davon aus, daß dem Antragsgegner nach Abzug der Unterhaltsleistungen ein Betrag von S 500.000,-- jährlich verbleibe, den er allerdings teilweise in seinen Betrieb investiere. Da nach der Rechtsprechung ein Heiratsgut von 25 bis 30 % des Jahreseinkommens des Dotationspflichtigen angemessen sei, errechne sich ein Betrag von S 150.000,--. Im Hinblick auf seinen Liegenschaftsbesitz sei der Antragsgegner auch in der Lage, diesen Betrag zu leisten.

Das Rekursgericht gab den von beiden Parteien ergriffenen Rekursen Folge und hob den Beschluß des Erstgerichtes, abgesehen vom unangefochten gebliebenen Zuspruch eines Teilbetrages von S 100.000,-- auf. Es führte aus, gemäß § 1221 ABGB solle das Gericht die Umstände untersuchen, dies jedoch ohne strenge Erforschung des Vermögensstandes, und hiernach ein angemessenes Heiratsgut bestimmen. Ein Sachverständigenbeweis über die Leistungsfähigkeit sei nicht ausgeschlossen, wohl aber erst dann zulässig, wenn die notwendigen Tatsachenfeststellungen durch andere Beweismittel nicht gewonnen werden könnten. Der Antragsgegner sei Unternehmer. Bei Ermittlung seines Einkommens sei das Erstgericht im wesentlichen vom Jahresabschluß zum 31.12.1983 ausgegangen. Weiters seien die Jahresabschlüsse für 1982 und 1981 zur Verfügung gestanden. Diese Jahresabschlüsse reichten für eine verläßliche Beurteilung des Einkommens und der Leistungsfähigkeit des Antragsgegners nicht aus. Mit Rücksicht auf die Betriebsgräße und auf den Umfang der vorliegenden Jahresabschlüsse bedürfe es vielmehr eines buchhalterischen Sachbefundes, um das Einkommen des Antragsgegners zu ermitteln und entsprechende Feststellungen treffen zu können, die eine Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Antragsgegners zuließen. Gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Antragsgegners mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und in der Sache dahin zu entscheiden, daß das S 100.000,-- übersteigende Begehren abgewiesen werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Der Antragsgegner führt aus, der angefochtene Beschluß verstoße gegen § 1221 ABGB, der Vermögensstand sei bereits erforscht. Das Heiratsgut solle eine Starthilfe sein, hiefür genügten aber die in Rechtskraft erwachsenen S 100.000,--. Das Erstgericht habe das Nettoeinkommen unrichtig errechnet und habe die Sorgepflicht für die zweite Ehegattin und die Kinder aus der zweiten Ehe nicht berücksichtigt.

Hiezu ist folgendes zu erwägen:

Gemäß § 1221 ABGB soll das Gericht die Umstände, jedoch ohne strenge Erforschung des Vermögensstandes, untersuchen und hiernach ein angemessenes Heiratsgut bestimmen. Obwohl eine strenge Erforschung des Vermögens nicht erfolgen soll, müssen doch Grundlagen vorhanden sein, die zumindest eine ungefähre Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Dotationspflichtigen ermöglichen (EFSlg 38.541, 41.060). Auch ein Sachverständigenbeweis ist nicht ausgeschlossen, sofern die notwendigen Tatsachenfeststellungen durch andere Beweismittel nicht gewonnen werden können (EFSlg 41.061). Wohl hat das Erstgericht den Wert der Liegenschaften des Antragsgegners festgestellt, doch reicht die Feststellung dieses Vermögens zur Bestimmung des Heiratsgutes nicht aus, zumal weil es sich bei den Liegenschaften zu einem wesentlichen Teil um das Wohnhaus des Antragsgegners, um die seinem Betrieb dienende Liegenschaft sowie um eine seiner ersten Ehefrau zur Verfügung gestellte Eigentumswohnung handelt, somit um Vermögenswerte, die der Antragsgegner ohne Beeinträchtigung seines und seiner Angehörigen Lebensstandard nicht verwerten könnte (vgl. EFSlg 38.529 f). Daher kommt insbesondere dem Einkommen des Antragsgegners, das nach ständiger Rechtsprechung ebenfalls zu dem für die Bemessung des Heiratsgutes maßgebenden Vermögen gehärt (EFSlg 43.499 ua), wesentliche Bedeutung zu. Das Erstgericht stellte zwar auch das Einkommen des Antragsgegners anhand der Jahresabschlüsse für die Jahre 1981 bis 1983 fest, doch rügten beide Parteien in ihren Rekursen das auf dieser Grundlage vom Erstgericht als erwiesen angenommene Nettoeinkommen. Während die Antragstellerin die Ansicht vertrat, Steuerbilanzen seien für die Ermittlung des tatsächlichen Einkommens nicht geeignet, rügte der Antragsgegner, daß das Erstgericht in der Bilanz enthaltene Abzüge nicht berücksichtigte. Unter diesen Umständen kann in den Ausführungen des Rekursgerichtes, mit Rücksicht auf die Gräße des Unternehmens des Antragsgegners und den Umfang der Jahresabschlüsse bedürfe es des Gutachtens eines Buchsachverständigen, um das Einkommen des Antragsgegners zu ermitteln, kein Verstoß gegen die Vorschrift des § 1221 ABGB erblickt werden. Auch bei einem selbständig Erwerbstätigen muß nämlich die Höhe des tatsächlich erzielten Einkommens ungefähr feststehen. Die Feststellungen des in der Bilanz ausgewiesenen Gewinnes genügt nicht. Kann das tatsächliche Einkommen auch nicht annähernd anders festgestellt werden, dann ist die Einholung eines Sachverständigengutachtens gerechtfertigt.

Den Ausführungen im Revisionsrekurs, ein Betrag von S 100.000,-- genüge als 'Starthilfe', ist entgegenzuhalten, daß das Heiratsgut auch über eine bloße 'Starthilfe' hinausgehen kann, wenn es die Vermögensverhältnisse des Leistungspflichtigen erlauben (EFSlg 43.496).

Zum Einfluß der Sorgepflichten des Antragsgegners auf die Höhe des Heiratsgutes kann erst nach Feststellung seines Einkommens Stellung genommen werden.

Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

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