OGH 3Ob590/85

OGH3Ob590/8516.10.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Eugenie K***, Angestellte, Wien 14., Straßschwandtnerstraße 2, vertreten durch Dr. Günter Hagen, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die Antragsgegnerin Maria A***, Textilarbeiterin, Lustenau, Höchsterstraße 1, vertreten durch Dr. Leonhard Lindner, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Benützungsregelung, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgerichtes vom 6.August 1985, GZ 1b R 189/85-40, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Dornbirn vom 8.Juli 1985, GZ 1 Nc 39/85-36, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin sind je zur Hälfte Eigentümerinnen der Liegenschaft EZ 618 KG Lustenau, bestehend aus dem Grundstück Nr.1707, mit dem Haus Höchsterstraße 1. Diese Liegenschaft hatte Franz A***, der geschiedene Ehegatte der Antragsgegnerin - die Ehescheidung erfolgte mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 30.6.1983, 7a Cg 4250/76-44 - , mit Kaufvertrag vom 21.10.1964 erworben. Mit Übergabsvertrag vom 27.10.1976 übertrug Franz A*** sein Eigentum auf die Antragstellerin. Auf Grund des Urteils des Landesgerichtes Feldkirch vom 27.12.1978, 3 Cg 1023/77-31, wurde auf einem Hälfteanteil der Liegenschaft das Eigentumsrecht für die Antragsgegnerin einverleibt. Mit dem am 27.7.1982 eingelangten Antrag begehrt die Antragstellerin eine gerichtliche Benützungsregelung hinsichtlich der gemeinsamen Liegenschaft. Eine Einigung der Parteien über die Benützung sei nicht zu erzielen. Die Antragsgenerin benütze die Liegenschaft in einem Ausmaß, das ihren Anteil übersteige. Die Antragsgegnerin beantragte die Zurückweisung des Antrages wegen Unzulässigkeit und brachte vor, Franz A*** habe die gegenständliche Liegenschaft entgegen der Bestimmung des § 97 ABGB an die Antragstellerin veräußert; diese Rechtswidrigkeit sei der Antragstellerin bekannt gewesen. Da sie nicht besser gestellt werden könne als Franz A*** selbst, fehle ihr die Berechtigung zur Antragstellung auf gerichtliche Benützungsregelung. Das Erstgericht hat im zweiten Rechtsgang die Benützung der Liegenschaft in der Weise geregelt, daß es

I. 1.) der Antragstellerin zur alleinigen Benützung bzw. Nutzung das gesamte Untergeschoß des Hauses samt Garage und einschließlich des Raumes unter der Terrasse, jedoch ausschließlich des Heizraumes, und

2.) der Antragsgegnerin zur alleinigen Benützung bzw. Nutzung das gesamte Obergeschoß des Hauses zuwies;

3.) den zum Haus gehörigen Grund zwischen den Parteien in der Weise aufteilte, wie dies in einem Plan, Anlage 1 der Entscheidung, ausgewiesen wurde;

4.) den Heizraum im Untergeschoß samt Zugang dorthin von der straßenseitigen Eingangstür weg, sowie die Fernsehantenne beiden Parteien zur gemeinsamen Benützung zuwies;

II. die Antragsgegnerin verpflichtete, der Antragstellerin ab 1.8.1982 ein monatliches Benützungsentgelt von S 330,- zu bezahlen (ON 26).

Das Erstgericht traf in diesem Beschluß unter anderem folgende Feststellungen:

Die aus 5 Zimmern, Wohnküche und Nebenräumen bestehende Wohnung im Obergeschoß wird seit 1978 ausschließlich von der Antragsgegnerin und ihren beiden Töchtern Friederike und Heidelinde bewohnt. Die aus zwei Zimmern, Küche und Nebenräumen bestehende "Kleinwohnung" im Untergeschoß ist seit 1971 vermietet, der Mietzins kommt seit 1976 der Antragstellerin zu. Im Untergeschoß befinden sich überdies ein Heizraum und eine Garage.

Die Antragstellerin lebt ständig in Wien. Bei Aufenthalten in Lustenau übernachtete sie meist in der Garage im Untergeschoß. Die Wohnung im Obergeschoß ist 122,83 m 2 groß; dazu kommen noch 19,08 m 2 Terrasse. Sie hat einen Nutzwert im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes von 128, eine monatliche Nettomiete von S 5.527,- erscheint für sie ortsüblich. Die Wohnung im Untergeschoß ist etwa 60 m 2 groß; dazu kommt ein Kellerraum von 10 m 2 und ein 14,28 m 2 großer gedeckter Raum unter der Terrasse. Sie besitzt einen Nutzwert von 60, eine monatliche Nettomiete von S 2.133 ist ortsüblich. Die im Untergeschoß gelegene Garage samt Werkstätte ist 29,09 m 2 groß; ihr Nutzwert beträgt 9, ein monatlicher Nettomietzins von S 436,- ist ortsüblich. Der Heizraum muß für beide Parteien zugänglich sein.

Die zweite Instanz hob diesen Beschluß im zweiten Rechtsgang in seinem Punkt I. 4.) auf und verwies die Rechtssache im Umfang der Aufhebung zur neuen Entscheidung an das Erstgericht zurück; im übrigen bestätigte es die Entscheidung des Erstgerichtes. Das Erstgericht werde eine Regelung zu treffen haben, die der Antragstellerin die Möglichkeit gebe, die in dem aufgehobenen Punkt des Beschlusses genannte Eingangstüre von außen her zu erreichen, oder ihr eine Zutrittsmöglichkeit zum Heizraum etwa vom Keller her zu schaffen haben (ON 31).

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof bestätigte diese Entscheidung (ON 34). Im fortgesetzten Verfahren - Tagsatzung vom 25.6.1985, ON 35 - legte die Antragsgegnerin einen Bescheid der Marktgemeinde Lustenau vom 5.3.1985 vor, in dem die sofortige Räumung der Kellerräume im Haus Lustenau, Höchsterstraße 1, verfügt wird (Beilage 4), und machte geltend, daß die Mitbenützung des Heizraumes durch die Antragstellerin im Hinblick auf diesen Bescheid nicht mehr erforderlich sei.

Die Antragstellerin stellte in derselben Tagsatzung den Antrag, das Verfahren, soferne der Bescheid der Marktgemeinde Lustenau vom 3.5.1985 derart ausgelegt werde, daß damit auch die im Untergeschoß gelegene Wohnung mitumfaßt sei und daher nicht genützt werden könne, durch Einholung eines Sachbefundes durch einen Bausachverständigen zur Festlegung der Nutzwerte bzw. Mietwerte der Räumlichkeiten zu ergänzen und das Benützungsentgelt dahin abzuändern, daß die Antragsgegnerin der Antragstellerin monatlich S 4.000,- zu zahlen habe (AS 230).

Mit Beschluß vom 8.7.1985, ON 36, regelte das Erstgericht den Zugang zu dem von beiden Parteien zu benützenden Heizraum und traf darüber hinaus Anordnungen über die Anbringung eines Elektrokastens und über die Bezahlung der Betriebskosten. Den von der Antragstellerin in der Tagsatzung vom 25.6.1985 gestellten Antrag erwähnte es in seiner Entscheidung nicht.

Das Rekursgericht gab den von beiden Parteien gegen diesen Beschluß erhobenen Rechtsmitteln nicht Folge. Der Rekurs der Antragstellerin richtete sich ausschließlich dagegen, daß ihr in der Tagsatzung vom 25.6.1985 gestellter Antrag unerledigt geblieben sei. Die Antragstellerin sei stets der Meinung gewesen, daß im Jahr 1971 eine Benützungsbewilligung auch für die Wohnung im Untergeschoß erteilt worden sei; ob diese Wohnung vom Räumungsbescheid vom 3.5.1985 betroffen sei, gehe nach Meinung der Antragstellerin aus dem Bescheid nicht hervor. Das Erstgericht hätte dies klären und allenfalls das von der Antragsgegnerin an die Antragstellerin zu zahlende

Benützungsentgelt neu - mit mindestens S 2.300,- - festsetzen müssen. Dürfe die Untergeschoßwohnung als solche nicht benützt werden, hätten die Räume im Untergeschoß einen erheblich geringeren Nutzwert.

Das Rekursgericht vertrat die Auffassung, daß das Erstgericht nicht zu prüfen gehabt habe, auf welche Räume sich der Bescheid vom 3.5.1985 beziehe. Zwar wäre bei einer Änderung der Verhältnisse ein Antrag auf eine neuerliche und abweichende Regelung der Benützung der Liegenschaft durchaus denkbar. Die Verhältnisse hätten sich jedoch nicht geändert, da der Räumungsbescheid vom 3.5.1985 auf dem Berufungsbescheid der Marktgemeinde Lustenau vom 29.4.1981 basiere, womit der Bauantrag der Antragstellerin auf Umwidmung des Kellergeschoßes einschließlich der Garage in Wohnräume abgewiesen worden sei. Der Antrag auf Benützungsregelung sei am 27.7.1982 beim Erstgericht eingebracht worden. Der Bescheid vom 29.4.1981 sei der Antragstellerin zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesen. Habe ihn die Antragstellerin bei der Frage, in welchem Umfang die Antragsgegnerin zur Bezahlung eines Ausgleichsentgelts verpflichtet werde, nicht in ihre Überlegungen einbezogen, sei dies ihre Sache. Durch den Räumungsbescheid seien keine neuen Verhältnisse geschaffen worden. Einem Antrag auf Abänderung der Höhe des von der Antragsgegnerin zu leistenden Benützungsentgelts stehe daher eine rechtskräftige Entscheidung entgegen.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, ihn aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung, insbesondere zur Prüfung des Umfanges der verwaltungsrechtlichen Bescheide über die Benützungsbewilligung der Räume des Hauses Höchsterstraße 1, und allenfalls zur Neufestsetzung der Nutzwerte an die zweite Instanz zurückzuverweisen, in eventu, in der Sache selbst zu erkennen und der Antragstellerin ein angemessenes Benützungsentgelt, mindestens in der Höhe von S 2.300 samt entsprechender Wertsicherung, zuzusprechen. Die Antragstellerin macht "Verfahrensmängel und unrichtige rechtliche Beurteilung" geltend und führt aus, Gegenstand jenes Verfahrens der Marktgemeinde Lustenau, das zum Bescheid vom 29.4.1981 geführt habe, sei "streng genommen" nur die zum damaligen Zeitpunkt vorgenommene Umwidmung der Garage samt Werkstätte in einen Wohnraum gewesen. Dies ergebe sich auch eindeutig aus der Begründung, in der es heiße, die Unzulässigkeit der beantragten Umwidmung ergebe sich schon aus dem Bauantrag und aus dem Ergebnis der an Ort und Stelle durchgeführten Bauverhandlung, weil die Miteigentümerin (Antragsgegnerin) mit der beantragten Änderung der Verwendung der Garage nicht einverstanden sei. Erfasse der Räumungsbescheid auch die Wohnung im Untergeschoß, sei dies auf eine Ungenauigkeit der Formulierung dieses Bescheides zurückzuführen. Werde aber der Räumungsbescheid so ausgelegt, komme dies einer geänderten Rechtslage gleich, und es müsse der Antrag der Antragstellerin vom 25.6.1985 berücksichtigt werden. Die Einleitung eines neuen Verfahrens sei hiefür nicht erforderlich. Zu prüfen ist vorerst die Zulässigkeit des Rechtsmittels; denn bei einer bestätigenden Entscheidung durch das Rekursgericht findet die Beschwerde an den Obersten Gerichtshof gemäß § 16 Abs.1 AußStrG nur im Fall einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder einer begangenen Nullität statt. Keine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt vor, wenn es sich um eine einfache unrichtige rechtliche Beurteilung handelt (EFSlg.39.815 ua.).

Verfahrensverstöße können, falls sie nicht mit Nichtigkeit bedroht sind, im Rahmen des § 16 Abs. 1 AußStrG nur berücksichtigt werden, wenn sie von einschneidender Bedeutung sind (JBl.1965/39, EFSlg.44.682 ua.).

Gegenstand des Beschlusses des Erstgerichtes ON 36 war im Sinne der Entscheidungen des Rekursgerichtes ON 31 und des Obersten Gerichtshofes ON 34 nur (mehr) die Festlegung von Modalitäten über den Zugang zu dem von beiden Parteien zu benützenden Heizraum, nicht auch die (bereits erfolgte) Festsetzung eines Benützungsentgelts, sodaß nicht davon gesprochen werden kann, das Erstgericht habe einen Antrag übergangen. Dies umsoweniger, als dem Vorbringen der Antragstellerin in der Tagsatzung vom 25.5.1985 ein bestimmter Antrag gar nicht entnommen werden kann. Die Antragstellerin hat in dieser Tagsatzung eine Neufestlegung der Nutzwerte des Hauses und eine Abänderung des von der Antragsgegnerin an sie zu leistenden Benützungsentgelts lediglich für den Fall beantragt, daß der Bescheid der Marktgemeinde Lustenau vom 3.5.1985 dahin ausgelegt werde, daß auch die im Untergeschoß gelegene Wohnung von ihm mitumfaßt werde und damit nicht als Wohnung genützt werden könne. Sie hat weder zum Ausdruck gebracht, daß sie selbst den Bescheid so auslege, noch auch, ab welchem Zeitpunkt der bedingte Antrag gestellt werde, und ebensowenig, daß die Nutzung der ihr zugewiesenen Räume auf Grund des Bescheides vom 3.5.1985 geändert worden sei. Die Antragstellerin bestritt vielmehr ausdrücklich, auf Grund dieses Bescheides zur Räumung der "Kleinwohnung" verpflichtet zu sein. Erst eine tatsächliche Veränderung der der bereits ergangenen Entscheidung zugrundeliegenden Verhältnisse aber - also die faktische Räumung der "Kleinwohnung" zufolge fehlender Benützungsbewilligung - könnte Gegenstand eines neuen, auf Neufestsetzung des von der Antragsgegnerin zu zahlenden Benützungsentgelts gerichteten Antrages sein. Im Ergebnis zu Recht haben daher die Vorinstanzen über den Antrag der Antragstellerin vom 25.5.1985 nicht entschieden bzw. die Notwendigkeit einer Entscheidung hierüber abgelehnt. Von einer offenbaren Gesetzwidrigkeit kann daher ebensowenig die Rede sein wie von einer begangenen Nullität. Selbst wenn man aber die Ansicht vertreten wollte, das Erstgericht hätte über den Antrag der Antragstellerin vom 25.5.1985 verhandeln und darüber entscheiden müssen, könnte in dem Unterbleiben von Verhandlung und Entscheidung doch nur ein einfacher Verfahrensverstoß (vgl. § 496 Abs.1 Z 1 ZPO) und nicht ein solcher vom Range einer Nichtigkeit gesehen werden, da es der Antragstellerin unbenommen bleibt, jederzeit einen entsprechend begründeten (präzisen) Antrag zu stellen (vgl. EFSlg.44.695). Damit aber erweist sich der Revisionsrekurs als im Sinne des § 16 Abs.1 AußStrG unzulässig. Er war deshalb zurückzuweisen.

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