OGH 7Ob621/85

OGH7Ob621/853.10.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta und Dr.Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sophie A, Hausfrau, Taxenbach, Högmoos 15, vertreten durch Dr.Heinrich und Dr.Monika Schiestl, Rechtsanwälte in Zell am See, wider die beklagte Partei Dorothea B, Landwirtin, Taxenbach, Kleinsonnberg 14, vertreten durch Dr.Martin Stock, Rechtsanwalt in Zell am See, wegen Feststellung infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 4.Juli 1985, GZ.33 R 398/85-17, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Taxenbach vom 28.Mai 1985, GZ.C 92/84 -14, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt die Feststellung eines durch Ersitzung erworbenen Wegerechtes zu Lasten bestimmter, im Eigentum der Beklagten stehender Grundstücke. Die Beklagte bestreitet einen solchen Rechtserwerb.

Das von beiden Parteien, ihren Prozeßbevollmächtigten und vom Erstrichter unterschriebene Vollschriftprotokoll der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 13.Mai 1985 enthält neben den Angaben des § 207 Abs.1 ZPO den Beschluß, daß von der Beiziehung eines Schriftführers gemäß § 207 Abs.3 ZPO abgesehen und das Verhandlungsprotokoll gemäß § 212 a Abs.1 ZPO mittels Schallträgers abgefaßt werde. Nach dem Inhalt der Protokollübertragung, die von den Parteien und ihren Prozeßbevollmächtigten nicht unterschrieben wurde, schlossen die Parteien bei dieser Tagsatzung einen Vergleich, demzufolge die Beklagte der Klägerin und den künftigen Eigentümern der bezeichneten Grundstücke die Dienstbarkeit des Gehrechtes in einem näher beschriebenen Umfang einräumt und ihre Einwilligung zur grundbücherlichen Einverleibung der Dienstbarkeit erteilt. Am 28.Mai 1985 beantragte die Klägerin die Fortsetzung des Verfahrens. Sie vertritt den Standpunkt, daß der Vergleich rechtsunwirksam sei, weil er nicht in Vollschrift protokolliert und von den Parteien nicht unterfertigt worden sei.

Das Erstgericht wies den Antrag zurück. Nach seiner Auffassung sei die Unterfertigung eines Prozeßvergleiches durch die Parteien zu seiner Wirksamkeit nicht erforderlich. Es genüge die Protokollierung des Vergleiches, die auch durch einen Schallträger erfolgen könne, und die Unterlassung eines Widerspruches der Parteien gegen das Protokoll.

Das Rekursgericht hob den erstgerichtlichen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens auf. Es folgte hiebei der in SZ 42/61 veröffentlichten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, wonach ein gerichtlicher Vergleich erst mit der Unterschriift der Parteien zustandekomme. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteige und der Rekurs zulässig sei. Den Zulässigkeitsausspruch begründete das Rekursgericht zutreffend damit, daß die angeführte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vor Inkrafttreten des BG 14.Februar 1973, BGBl.121 über die Verwendung von Schallträgern im zivilgerichtlichen Verfahren ergangen sei und eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Wirksamkeit eines unter Verwendung eines Schallträgers protokollierten Vergleiches fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs der Beklagten ist nicht berechtigt. Der Oberste Gerichtshof ist in der vom Rekursgericht zitierten Entscheidung nach eingehender Würdigung des Schrifttums zur Auffassung gelangt, daß die Vereinbarung der Parteien, einen gerichtlichen Vergleich im Sinne des § 204 ZPO zu schließen, auch die Vereinbarung der Schriftform enthält. Es wird daher, soferne sich nicht aus der Parteienabrede etwas anderes ergibt, vermutet, daß die Parteien vor Erfüllung dieser Form nicht gebunden sein wollen. Daran ändere auch nichts die Bestimmung des § 886 ABGB, wonach der schriftliche Abschluß des Vertrages durch gerichtliche oder notarielle Beurkundung ersetzt werde, weil nach ständiger übung gerichtliche Vergleiche von den Parteien unterschrieben werden, sodaß den Parteien jedenfalls die Absicht unterstellt werden muß, vor Leistung der Unterschrift nicht gebunden sein zu wollen. Diese Rechtsmeinung, daß im Zweifel ein gerichtlicher Vergleich erst mit der Unterschrift der Parteien zustandekommt, wird unter Berufung auf die obgenannte, mehrfach veröffentlichte Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (SZ 42/61 = EvBl.1969/378 = JBl.1970, 319) auch im neueren Schrifttum vertreten (Holzhammer, Zivilprozeßrecht 2 , 227; Rummel in Rummel ABGB Rdz 1 zu § 883; vgl. auch Pfersmann in ÖJZ 1973, 315; aM Fasching, LB, Rdz 1352). Auch Fasching räumt jedoch ein, daß das Erfordernis der Unterfertigung sehr praktisch und zweckmäßig sei, die Unterschrift der Parteien aber weder durch die Zivilprozeßordnung noch durch § 1 Z 5 EO ausdrücklich verlangt werde. Diese Hinweise sind jedoch nicht überzeugend, weil sie die für den Standpunkt des Obersten Gerichtshofes entscheidende Erwägung vernachlässigen, daß bei Vereinbarung eines gerichtlichen Vergleiches der Parteiwille in der Regel auf die Schriftform gerichtet ist (vgl. Rummel aaO). Anders mag dies sein, wenn die Parteien auf die Protokollierung des Vergleichsinhaltes verzichten, was aber weder hier noch im Falle der Entscheidung SZ 42/61 zutraf. Die obgenannten Erwägungen treffen aber auch bei Verwendung eines Schallträgers für die Protokollierung zu, weil die Eröffnung dieser Protokollierungsform lediglich der Anpassung der Protokollführung an den technischen Fortschritt diente (437 BlgNR 13.GP, 2), auch ein solches Protokoll in der Regel in Schriftform übertragen wird und der sinngemäß anzuwendende § 212 Abs.6 ZPO unter den dort genannten Voraussetzungen sogar die Protokollierung des Vergleiches in Vollschrift vorschreibt. Auch bei Verwendung eines Schallträgers gemäß § 212 a ZPO ist daher davon auszugehen, daß die Parteien bei der Vereinbarung eines gerichtlichen Vergleiches in der Regel nicht vor Leistung der Unterschrift gebunden sein wollen. Da im vorliegenden Fall die Parteien keine Protokollsabschriften begehrten - ein ausdrücklicher Verzicht ist entgegen der Meinung der Rechtsmittelwerberin nicht erforderlich - könnte schon wegen der Unterlassung der Protokollierung des Vergleiches in Vollschrift gemäß § 212 Abs.6 ZPO seine Wirksamkeit in Frage gestellt werden. Die Bestimmung des § 212 Abs.6 ZPO regelt aber nur die übertragung des Protokolls in Vollschrift, sodaß die Verletzung dieser Bestimmungen nicht zwangsläufig die Unwirksamkeit eines Vergleiches zur Folge haben muß. Die Unterschrift der Parteien bzw. ihrer zum Vergleichsabschluß berechtigten Prozeßbevollmächtigten auf den auch bei Verwendung eines Schallträgers gemäß § 212 a Abs.1 zweiter Satz ZPO in Vollschrift aufzunehmenden Teil des Verhandlungsprotokolles reicht zur Einhaltung der als vereinbart anzunehmenden Schriftform nicht aus. Zur Einhaltung dieser Form ist prinzipiell die Unterschrift unter dem Vertrags- bzw. Vergleichstext erforderlich (Rummel aaO Rdz 1 zu § 886). Das in Vollschrift errichtete Protokoll vom 13.Mai 1985 enthält aber den Vergleichstext nicht.

Demgemäß ist dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 und 52 Abs.1 ZPO.

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