Spruch:
Weder der Revision noch dem Rekurs der beklagten Parteien wird Folge gegeben.
Die beklagten Parteien haben die Kosten ihrer Rechtsmittel selbst zu tragen.
Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelbeantwortung des Klägers bleibt dem Endurteil vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Erstbeklagte verschuldete am 2.3.1982 als Lenker und Halter eines bei der zweitbeklagten Partei gegen Haftpflicht versicherten Personenkraftwagens auf der Bundesstraße Nr.129 im Ortsgebiet von Unterrudling (Oberösterreich) einen Verkehrsunfall, bei welchem der im Fond des Wagens sitzende Kläger schwer verletzt wurde; der Erstbeklagte wurde deshalb zu 2 U 53/82 des Bezirksgerichtes Eferding rechtskräftig des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 StGB schuldig erkannt. Der Kläger, der Erstbeklagte und die beiden weiteren Fahrzeuginsassen Robert F und Friedrich G waren bei dem Linzer Installationsunternehmen H & I beschäftigt; sie bildeten eine Arbeitspartie und waren im Zeitpunkt des Unfalls zum gemeinsamen Arbeitsplatz - einer Baustelle in Waizenkirchen - unterwegs.
Der Kläger begehrt von den beklagten Parteien zur ungeteilten Hand die Zahlung eines restlichen Schmerzengeldes von S 115.000,-- sA sowie die Feststellung, daß ihm die beklagten Parteien auch für alle künftigen Schäden aus dem Unfallereignis vom 2.3.1982 Ersatz zu leisten hätten, die zweitbeklagte Partei jedoch nur im Rahmen des Versicherungsvertrages mit dem Erstbeklagten.
Die beklagten Parteien haben das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach bestritten. Als Leiter der Arbeitspartie sei der Erstbeklagte auch gegenüber dem Kläger 'Aufseher im Betrieb' im Sinne des § 333 Abs 4 ASVG gewesen, so daß ihm die Haftungsbefreiung des § 333 Abs 1 ASVG zugute komme. Eine vorsätzliche Herbeiführung des Verkehrsunfalles sei nicht einmal behauptet worden. Das Schmerzengeldbegehren des Klägers sei bei weitem überhöht. Ein Mitverschulden des Klägers werde nicht eingewendet; auch werde das Vorhandensein von Dauerfolgen anerkannt, die im Fall einer Haftung der beklagten Parteien ein Feststellungsbegehren rechtfertigen würden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und nahm folgenden weiteren Sachverhalt als erwiesen an:
Auf Grund einer Abmachung zwischen den Mitgliedern der Arbeitspartie fuhren diese vier Personen täglich zu ihrem Arbeitsplatz in Waizenkirchen und nach Arbeitsschluß wieder nach Linz zurück. Die Fahrten wurden wöchentlich abwechselnd vom Erstbeklagten und von Friedrich G - als den einzigen PKW-Besitzern - durchgeführt, die Fahrtkosten von allen vier Personen anteilig getragen. Eine Anweisung zu einer solchen Vorgangsweise hatte der gemeinsame Arbeitgeber nicht erteilt. Wäre keinem der Mitglieder der Arbeitspartie ein privater PKW zur Verfügung gestanden, dann wären diese vier Personen am Beginn der Woche von einem Firmenfahrzeug zur Baustelle gebracht und am Ende der Woche von dort wieder abgeholt worden.
Zum Leiter der Arbeitspartie in Waizenkirchen hatte die Firmenleitung - ebenso wie zuvor schon an anderen Baustellen - den Erstbeklagten bestellt. Daß er dem gemeinsamen Arbeitgeber für die Baustelle verantwortlich war, wußten alle Arbeiter, auch der Kläger. Als Leiter der Arbeitspartie gab der Erstbeklagte den Arbeitern an der Baustelle Anweisungen über die Durchführung der Arbeiten. Er führte die Aufsicht über die Mitglieder der Arbeitspartie und bestätigte die von ihnen geleisteten Arbeitsstunden. überdies bestimmte er den Zeitpunkt der jeweiligen Abfahrt zur Baustelle bzw. der Rückfahrt nach Linz, wenn es wegen dringender Arbeiten notwendig war, dies auch dann, wenn nicht er selbst, sondern Friedrich G lenkte.
Von diesen Sachverhaltsfeststellungen ausgehend, bejahte das Erstgericht die Qualifikation des Erstbeklagten als Aufseher im Betrieb im Sinne des § 333 Abs.4 ASVG. Er sei gegenüber den Mitgliedern seiner Arbeispartie weisungsbefugt und daher auch dem Kläger - nicht nur an der Baustelle selbst - übergeordnet gewesen, habe er doch auch über die Zeit der Abfahrt und der Rückfahrt zu bestimmen gehabt. Gegenüber dem gemeinsamen Arbeitgeber habe der Erstbeklagte Verantwortung für fachlich-technische Fragen getragen und dabei insbesondere auch für den reibungslosen Ablauf der Arbeit sorgen müssen. Da eine vorsätzliche Schadenszufügung nicht einmal behauptet worden sei, komme dem Erstbeklagten das Haftungsprivileg des § 333 Abs.1 ASVG zugute.
Das Berufungsgericht erkannte mit Teilurteil im Sinne des Feststellungsbegehrens und sprach aus,daß der von dieser Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 2.000 übersteigt; im übrigen - also im Ausspruch über das Zahlungsbegehren des Klägers - hob es das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht führte die Verhandlung gemäß § 25 Abs.1 Z 3 ArbGG von neuem durch und kam dabei zu den gleichen Tatsachenfeststellungen wie das Prozeßgericht erster Instanz. Davon ausgehend, hielt es jedoch die Rechtsrüge des Klägers für begründet:
Die Qualifikation eines Kraftfahrzeuglenkers als Aufseher im Betrieb hänge nach Lehre und Rechtsprechung von seiner tatsächlichen Funktion zur Unfallszeit und nicht von seiner gewöhnlichen Stellung im Betrieb ab. Da die Haftungsbefreiung gerade wegen der Ausübung einer leitenden Tätigkeit gewährt werde, könne sie nur bei einem Zusammenhang zwischen dieser und der Schädigung Platz greifen. Dadurch, daß der Erstbeklagte als Partieführer auf die Einhaltung der Arbeitszeit zu achten und in diesem Zusammenhang auch den Zeitpunkt der Abfahrt zur Baustelle zu bestimmen hatte, sei ihm noch keine überwachungsbefugnis auf dem Weg zur Arbeit und damit auch keine über die bloße Lenkertätigkeit hinausgehende Verantwortung während der Fahrt übertragen worden. Auch das dienstliche Interesse des Arbeitgebers an einer solchen gemeinsamen Fahrt zum Arbeitsplatz könne mangels eines ausdrücklichen Auftrages keine Aufsehereigenschaft des Fahrzeuglenkers begründen. Der Beklagte sei also zur Zeit des Unfalls nicht Aufseher im Betrieb im Sinne des § 333 Abs 4 ASVG gewesen; da er sein Alleinverschulden am Zustandekommen des Unfalls ausdrücklich zugestanden habe und auch die beim Kläger vorhandenen Dauerfolgen außer Streit stünden, sei dem Feststellungsbegehren mit Teilurteil stattzugeben gewesen. In Ansehung des Zahlungsbegehrens habe das Urteil der ersten Instanz aufgehoben werden müssen, weil das Erstgericht - von seiner unrichtigen Rechtsansicht über die Aufsehereigenschaft des Erstbeklagten ausgehend - die Höhe des Schmerzengeldanspruches des Klägers nicht erörtert und dazu auch keine Feststellungen getroffen habe.
Das Teilurteil des Berufungsgerichtes wird von den beklagten Parteien seinem ganzen Inhalt nach mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung bekämpft; die beklagten Parteien beantragen, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des Feststellungsbegehrens abzuändern, hilfsweises es aufzuheben und die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Gegen den Aufhebungsbeschluß der zweiten Instanz richtet sich der Rekurs der beklagten Parteien mit dem Antrag, diese Entscheidung aufzuheben und das Leistungsbegehren des Klägers abzuweisen.
Der Kläger beantragt, weder der Revision noch dem Rekurs der beklagten Parteien Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Keines der beiden Rechtsmittel ist begründet.
Wie das Berufungsgericht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung (zuletzt JBl.1985, 565 = RdW 1985, 118 mwN) zutreffend ausgeführt hat, kommt es bei der Beantwortung der Frage nach der Anwendbarkeit des § 333 Abs 4 ASVG vor allem darauf an, ob der betreffende Arbeitnehmer zur Zeit des Unfalles eine mit einem gewissen Pflichtenkreis und mit Selbständigkeit verbundene Stellung innehatte und dabei für das Zusammenspiel persönlicher und technischer Kräfte verantwortlich war. Bei der Beförderung von Personen ist daher zu unterscheiden, ob der Lenker für ihre Sicherheit nur nach den Vorschriften über den Straßenverkehr verantwortlich war oder ob er ihnen gegenüber noch darüber hinausgehende Befugnisse und Pflichten hatte. Ein Arbeitnehmer, der einen im selben Betrieb tätigen Kollegen im eigenen Kraftwagen in den Betrieb oder zu einer anderen Arbeitsstelle mitnimmt, ohne daß ihm diese Beförderung vom gemeinsamen Arbeitgeber aufgetragen worden wäre, führt diese Fahrt nicht im Rahmen des Betriebes und nicht in Erfüllung einer Dienstpflicht aus; er ist nur ein 'gewöhnlicher' Kraftwagenlenker und als solcher nicht Aufseher im Betrieb im Sinne des § 333 Abs 4 ASVG.
Die Richtigkeit dieser Rechtsauffassung wird auch von der Revision nicht in Zweifel gezogen; soweit jedoch die beklagten Parteien in diesem Rechtsmittel abermals die Meinung vertreten, das Berufungsgericht habe die angeführten Grundsätze im vorliegenden Fall unrichtig angewendet, kann ihnen nicht gefolgt werden:
Daß der gemeinsame Arbeitgeber dem Erstbeklagten die Leitung der Arbeitspartie und damit die Verantwortlichkeit für die Baustelle in Waizenkirchen übertragen hatte, bedeutet noch nicht, daß der Erstbeklagte auch schon auf der gemeinsamen Fahrt als weisungsbefugter Vorgesetzter der übrigen Fahrzeuginsassen anzusehen gewesen wäre. Entgegen der Meinung der Revision ist es nämlich durchaus nicht 'lebensfremd und beinahe undenkbar', daß sich ein Vorgesetzter 'nach dem Einsteigen in das Fahrzeug als gleichgestellter Fahrzeuginsasse erweist und nach dem Eintreffen auf der Baustelle wiederum die Rolle des weisungsberechtigten Vorgesetzten annimmt'. Es kommt vielmehr, wie der Oberste Gerichtshof schon mehrfach ausgesprochen hat, für die Beurteilung der Aufsehereigenschaft nur auf die Funktion des verantwortlichen Arbeitnehmers im Zeitpunkt des Unfalles an, nicht aber auf seine sonstige Stellung in der betrieblichen Hierarchie (Arb.10.265, 10.271, beide mwN). Im vorliegenden Fall war die gemeinsame Fahrt im PKW des Erstbeklagten nicht vom Arbeitgeber angeordnet worden; ihr lag vielmehr eine Vereinbarung der vier Mitglieder der Arbeitspartie zugrunde, welche sich solcherart zu einer privaten 'Fahrgemeinschaft' mit anteiliger Kostentragung zusammengeschlossen hatten. Damit stand aber dem Erstbeklagten während der Fahrt kein überwachungs- oder Weisungsrecht zu, das über die aus den Straßenverkehrsvorschriften resultierende Veantwortlichkeit des Fahrzeuglenkers für die Sicherheit seiner Mitfahrer hinausgegangen wäre; er übte während dieser Zeit keine Funktion aus, die ihm gegenüber dem Kläger und den beiden anderen Mitfahrern ein rechtliches oder auch nur tatsächliches überordnungsverhältnis
gegeben hätte (im gleichen Sinne insbesondere auch Arb 9094 =
SozM I A c 967 = ZVR 1974/59; ZVR 1981/44 ua). Für die gegenteilige
Auffassung der beklagten Parteien ist in diesem Zusammenhang auch daraus nichts zu gewinnen, daß der Erstbeklagte nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils den Zeitpunkt der jeweiligen Abfahrt zur Baustelle und der Rückfahrt von dieser Baustelle bestimmte, 'wenn es wegen dringender Arbeiten notwendig war'. Auch diese, mit seiner Stellung als weisungsbefugter und für die Baustelle verantwortlicher Partieführer notwendig verbundene Befugnis, den Arbeitsbeginn und das Arbeitsende nach den jeweiligen Erfordernissen festzusetzen, konnte keine über die Pflichten eines 'gewöhnlichen' Fahrzeuglenkers hinausgehende Verantwortlichkeit und Fürsorgepflicht des Erstbeklagten während der Fahrt zur gemeinsamen Arbeitsstätte begründen. Daß aber die gemeinsame, auf keinem Auftrag des Arbeitgebers beruhende Fahrt im Interesse des Betriebes gelegen war, reicht entgegen der Meinung der Revision für sich allein zur Annahme einer Aufsehereigenschaft des Fahrzeuglenkers nicht aus (ZVR 1979/142 mwN).
War also der Erstbeklagte - dessen Alleinverschulden am vorliegenden Verkehrsunfall unbestritten feststeht - im Zeitpunkt des Unfalles gegenüber dem Kläger nicht 'Aufseher im Betrieb', dann versagt seine Berufung auf das Haftungsprivileg des § 333 Abs.1 ASVG. Die Frage seiner allfälligen 'Teilnahme am allgemeinen Verkehr' (§ 333 Abs.3 ASVG) kann unter diesen Umständen auf sich beruhen; das Berufungsgericht hat vielmehr die Haftung beider Parteien (§ 63 KFG) für den Unfallsschaden des Kläges dem Grunde nach mit Recht bejaht und dem Erstgericht die dadurch notwendig gewordene Ergänzung des Verfahrens über die Höhe des Schmerzengeldanspruches aufgetragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40 und 50 bzw. 52 Abs 2 ZPO.
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