OGH 11Os131/85

OGH11Os131/8523.9.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 23.September 1985 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Friedrich als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Wolf als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Konrad AÜB wegen des Verbrechens nach dem §§ 12 Abs 1 SuchtgiftG und dem § 15 StGB sowie anderer Delikte über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 13.Februar 1985, GZ 12 a Vr 11.345/84-210, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwalts Dr. Kodek, und des Verteidigers Dr. Maurer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird gemäß dem § 290 Abs 1 StPO das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch der Verfallsersatzgeldstrafe aufgehoben und insoweit gemäß dem § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Gemäß dem § 12 Abs 4 SuchtgiftG (in der Fassung BGBl 319/80) wird über den Angeklagten eine Geldstrafe von 963.000 S, im Fall der Uneinbringlichkeit 4 (vier) Monate Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt. Der Berufung wird insoweit, als sie sich gegen das Ausmaß der Freiheitsstrafe richtet, nicht Folge gegeben; im übrigen wird der Angeklagte mit seiner Berufung auf die nach dem § 290 Abs 1 StPO getroffene Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

I./ Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 22.Feber 1950 geborene beschäftigungslose Konrad AÜB neben anderen Straftaten (darunter das Vergehen des Schmuggels nach § 35 Abs 1 FinStrG) zu A des (teils im Stadium des Versuches verbliebenen) Verbrechens nach dem § 12 Abs 1 SuchtgiftG (aF) und dem § 15 StGB schuldig erkannt.

Dem Schuldspruch zu A liegt unter anderem zugrunde, daß der Angeklagte bis 12.September 1981 in Wien rund 400 Gramm Heroin (einen Teil der laut Faktum A 1 aus der Türkei nach Österreich eingeführten Menge von 1,5 kg) in der Wohnung der gesondert verfolgten Eveline C zum Zweck des Weiterverkaufs

bereithielt (Faktum A 5).

Ausdrücklich nur diesen Teil des Schuldspruchs, sowie den Ausspruch einer Verfallsersatzgeldstrafe bekämpft der Angeklagte mit einer auf den § 281 Abs 1 Z 9 lit a und Z 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Gegen den bezeichneten Schuldspruch (A 5) bringt er vor, daß im Vorrätighalten einer Suchtgiftmenge zum Zweck des Weiterverkaufs zu einem ungewissen Zeitpunkt an einen unbestimmt großen Personenkreis nur eine straflose Vorbereitungshandlung liege, zumal der Beschwerdeführer seit 13. (gemeint wohl: 30.) Mai 1981 in der Schweiz in Haft gewesen sei und daher über diesen Vorrat gar nicht verfügen habe können.

Das Erstgericht stellte dazu fest, daß der Angeklagte vor seiner (zweiten, zu seiner Verhaftung führenden) Reise in die Schweiz etwa 800 Gramm Heroin teils für einen Weiterverkauf auf Grund der Bestellungen durch Andrea D, teils für den Eigenkonsum versteckt hatte. Während seiner Anhaltung in der Schweiz wurden hievon anläßlich einer Hausdurchsuchung in seiner Wohnung 400 Gramm (auf die sich der Schuldspruch bezieht) sichergestellt. Inwiefern Eveline C oder andere den (fehlenden) Rest (von rund 400 Gramm) konsumiert bzw verkauft hatten, konnte nicht mit der notwendigen Sicherheit festgestellt werden.

Rechtliche Beurteilung

Für die hier erforderliche Abgrenzung zwischen (strafloser) Vorbereitungshandlung und (strafbarem) Versuch kommt es nach dem § 15 Abs 2 StGB darauf an, ob der Täter seinen Entschluß, die Tat auszuführen, (zumindest) durch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung betätigte. Versuch setzt eine Handlung voraus, die in unmittelbarer, sinnfälliger Beziehung zum tatbildmäßigen Unrecht steht und ihm (und zur geplanten Ausführung) zeitlich nahe ist (Leukauf-Steininger, StGB 2 , RN 6 ff zu § 15). Nicht erforderlich ist, daß das Verhalten des Täters unmittelbar in die Ausführungshandlung übergehen sollte (Burgstaller, JBl 1976, 119 [auch 116 FN 29] und FN 45). Für den Begriff der Ausführungsnähe kommt es auf den Tatplan des Täters an; nach dessen Vorstellungen muß die Handlung ausführungsnahe, aber nicht auch erfolgsnahe, sein. Ob dies der Fall ist, muß jeweils in concreto anhand der dem jeweiligen Tatbild entsprechenden Ausführungshandlung geprüft werden; eine allgemeine, für alle strafbaren Handlungen gleichermaßen geltende Regel läßt sich hiezu nicht aufstellen (Leukauf-Steininger aaO RN 8, 9, mit Einzelfällen in RN 10 bis 12; Kienapfel, AT Z 21 RN 20; EvBl 1981/104 = LSK 1981/33). Vorliegend hatte der Beschwerdeführer 1 1/2 kg Heroin Anfang April 1981 nach Österreich eingeschmuggelt (Faktum A 1), wobei sein Vorsatz den Weiterverkauf des Großteils dieser Menge umfaßte (US 9 = Bd III S 269 d.A). Einen Teil davon verkaufte er Anfang Mai 1981 an Andrea D, ein weiteres Quantum versuchte er, ihr Ende Mai 1981 zu liefern, wozu er es in die Schweiz einschmuggelte (Fakten A 2 und A 4); kleinere Quanten verhandelte er an Peter E (Faktum A 3). Hinsichtlich der versteckten Teilmenge von rund 800 Gramm, die er (abgesehen von den für den eigenen Konsum benötigten geringen Mengen) nach seiner erhofften, durch seine dortige Verhaftung aber vereitelten Rückkehr aus der Schweiz verkaufen wollte, liegt nicht etwa eine Bevorratung, sondern eine (ausführungsnahe iSd § 15 StGB) Zwischenlagerung des Suchtgiftes vor, die durch die Eigentümlichkeit des Verteilungsvorgangs - insbesondere bei einer derart großen und auch wegen des hohen Preises nicht so leicht absetzbaren Menge von Heroin - technisch bedingt war (SSt 46/22). Da sich das Suchtgift - ungeachtet der räumlichen Entfernung - noch in der Verfügungsmacht des Beschwerdeführers befand, war das (in der Begehungsform der Einfuhr jedenfalls vollendete) Verbrechen in der (weiteren, kumulativen) Begehungsform des Inverkehrsetzens zwar noch nicht vollendet, wohl aber handelt es sich insoweit um (strafbaren) Versuch, weil die Zwischenlagerung nach dem Tatplan des Beschwerdeführers, der in Andrea D, welche die Ware in Deutschland und Skandinavien vertrieb, eine geeignete Dealerin zur Verfügung hatte, dazu diente, das Heroin durch Übergabe an diese Person etappenweise in Verkehr zu setzen (sh Leukauf-Steininger, Nebengesetze 2 , E Nr 54 ff zu § 12 SuchtgiftG, vgl 12 Os 151/84). Daß der Beschwerdeführer am 30.Mai 1981 verhaftet wurde, verhinderte die Ausführung dieses Tatplans und hatte - rechtlich - zur Folge, daß das Inverkehrsetzen im Versuchsstadium steckenblieb. Auf den vom Erstgericht als Begrenzung des Deliktszeitraums angeführten Zeitpunkt 12.September 1981 (Beschlagnahme des Suchtgifts) kommt es daher nicht an, handelt es sich doch nicht etwa um ein Dauerdelikt. Die (als Versuch strafbare) weitere Tathandlung wurde vielmehr bereits mit der Zwischenlagerung gesetzt. Daß dies auch auf jene weiteren 400 Gramm Heroin (soweit sie nicht den Eigenbedarf decken sollten) zutrifft, deren Verbleib vom Erstgericht nicht festgestellt werden konnte, die Beschränkung des Schuldspruchs nur auf das sichergestellte Quantum daher nicht konsequent ist, wie die Beschwerde an sich richtig bemängelt, kann auf sich beruhen, weil diese Inkonsequenz den Angeklagten nicht belastet.

Es kann aber auch den Beschwerdeausführungen, mit denen der Ausspruch der Verfallsersatzgeldstrafe bekämpft wird, nicht gefolgt werden:

Gegenstand der strafbaren Handlung zu A 1 und A 6 des Urteilsspruches war das Einführen von insgesamt (ca) 1.570 Gramm Heroin. Davon konnten nur 570 Gramm und 85 Gramm, zusammen also 655 Gramm (im Inland bzw in der Schweiz) sichergestellt werden. Für weitere 273 Gramm Heroin konnte nach den Urteilsfeststellungen der Erlös ergriffen und für verfallen erklärt werden. Diese Teilmengen kamen für ein Vorgehen nach dem § 12 Abs 4 SuchtgiftG (aF) daher nicht in Betracht. Hingegen kommt es nicht darauf an, ob das verbleibende Suchtgiftquantum, das nicht ergriffen werden konnte, verkauft oder verbraucht wurde, verlorengegangen oder allenfalls noch versteckt ist. Für dieses gesamte, dem Zugriff der Behörde entzogene Quantum ist vielmehr gemäß dem § 12 Abs 4 SuchtgiftG eine Geldstrafe auszumessen, die im übrigen auch auf den § 19 Abs 1 FinStrG hätte gestützt werden sollen (Leukauf-Steininger aaO E Nr 82 ff zu § 12 SuchtgiftG).

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist daher auch insofern unbegründet und war zu verwerfen.

II./ Hingegen zeigt sich, daß dem Erstgericht ein von der Beschwerde nicht aufgezeigter, gemäß dem § 290 Abs 1 StPO jedoch von Amts wegen wahrzunehmender, weil den (materiellrechtlichen) Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 11 StPO verwirklichender, sich zum Nachteil des Angeklagten auswirkender Rechenfehler unterlief:

Die ausgemessene Wertersatzstrafe von 1,132.500 S entspricht unter Zugrundelegung des vom Erstgericht angenommenen Grammpreises von 1.500 S einer Suchtgiftmenge von 755 Gramm, wogegen das Erstgericht diese Strafe für 670 Gramm bemessen wollte (Bd III S 282 d.A). Bei Überprüfung der vom Erstgericht insofern angestellten Berechnung ergibt sich überdies, daß Grundlage des Verfallsersatzes in Wahrheit nicht 670, sondern nur 642 Gramm sein können (1.570 minus 570, minus 85, minus 273 = 642). Richtigerweise hat die Geldstrafe nach dem Abs 4 des - im Vergleich zu den §§ 12 Abs 3 Z 3, 13 Abs 2 SuchtgiftG nF (BGBl 184/1985) insgesamt günstigeren (§ 61 StGB) - § 12 SuchtgiftG aF daher (bei einem Grammpreis von 1.500 S) nur 963.000 S zu betragen. Bei der Vornahme des Günstigkeitsvergleiches waren die Bestimmungen des Suchtgiftgesetzes in der alten (BGBl 319/1980) und in der seit 1.9.1985 geltenden neuen Fassung, jeweils in ihrer Gesamtheit einander gegenüberzustellen. Dies bedeutet hier, daß Konrad AÜB zur Gänze nur nach dem SuchtgiftG in dessen alter Fassung zu behandeln war. Eine Mischung von altem und neuem Recht unter dem Gesichtspunkt, aus jeder Gesetzesfassung die jeweils für den Angeklagten günstigsten (Teil-)Bestimmungen anzuwenden, war nicht statthaft (vgl SSt 46/52 ua; Leukauf-Steininger 2 § 61 StGB, RN 11 ff). Setzt man im vorliegenden Fall alle potentiellen Sanktionen beider Fassungen in toto in Vergleich, so würde in Anbetracht der verfahrensgegenständlichen Suchtgiftmenge der Strafsatz nach der Suchtgiftnovelle 1985 im Hinblick auf den § 12 Abs 3 Z 3 SuchtgiftG nF ein Jahr bis fünfzehn Jahre betragen; das wäre aber trotz Anwendbarkeit der Härteklausel nach dem § 13 Abs 2 SuchtgiftG nF insgesamt eine strengere Strafdrohung, sodaß die Wertersatzstrafe nach dem § 12 Abs 4 SuchtgiftG aF zu bemessen war.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten - abgesehen von der bereits angeführten Wertersatzstrafe - nach dem § 12 Abs 1 SuchtgiftG (aF) unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von sechs Jahren, nach dem § 35 Abs 4 FinStrG eine Geldstrafe von 70.000 S, im Nichteinbringungsfall einen Monat Ersatzfreiheitsstrafe, und erklärte sichergestellte Wertpapiere im Nominale von 190.000 S, Bargeldbeträge von zusammen 91.000 S sowie Suchtgiftmengen von 485 g Heroin nach dem § 12 Abs 3 SuchtgiftG (aF) für verfallen. Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht die Begehung eines Teiles der strafbaren Handlungen nach der Flucht aus einer Strafhaft, die einschlägigen Vorstrafen, die große verhandelte Heroinmenge und das Zusammentreffen mehrerer Delikte als erschwerend. Als mildernd berücksichtigte es demgegenüber die teilweise Schuldeinsicht und daß es in einzelnen Fällen beim Versuch blieb.

Die eine Herabsetzung bzw Neubemessung der Freiheitsstrafe und der "Nebenstrafen" anstrebende Berufung des Angeklagten richtet sich ersichtlich nur gegen das Ausmaß der (primären) Freiheitsstrafe und der Verfallsersatzstrafe nach dem Suchtgiftgesetz.

Die Berufung ist nicht begründet.

Die Strafzumessungsgründe wurden vom Schöffengericht im wesentlichen richtig festgestellt und auch zutreffend gewürdigt. Die in erster Instanz zuerkannte Freiheitsstrafe entspricht dem Unrechtsgehalt der Verfehlungen und dem Verschuldensgrad des wiederholt einschlägig vorbestraften Angeklagten. Eine Beurteilung im Sinn der Berufungsausführungen kommt zudem mit Rücksicht auf die bei Deliktencgegen die Volksgesundheit besonders zu beachtenden Belange der Generalprävention nicht in Betracht. Für eine Herabsetzung der über Konrad AÜB verhängten

Freiheitsstrafe besteht sohin kein Anlaß.

Soweit sich seine Berufung gegen das Ausmaß der Verfallsersatzstrafe wendet, war der Angeklagte auf die nach dem § 290 Abs 1 StPO vorgenommene Strafneubemessung zu verweisen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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