European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00554.850.0918.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Die Klägerin begehrte von der Beklagten die Bezahlung des Betrages von S 591.175, ‑ ‑ s.A. für Montagearbeiten, die sie als Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit über Auftrag der Beklagten in B***** durchgeführt habe.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Es sei zwar richtig, daß die Klägerin für sie Arbeiten in Höhe des eingeklagten Betrages geleistet habe. Gegen die Klageforderung würden jedoch Gegenforderungen bis zur Höhe des Klagebetrages aufrechnungsweise eingewendet. Die Beklagte habe die Klägerin mit der Durchführung von Installationsarbeiten in Bagdad beauftragt; die Klägerin habe vertragswidrig die im Irak anfallenden Personalsteuern nicht entrichtet, wodurch der Beklagten ein Schaden von S 2,800.000, ‑ ‑ entstand. Überdies habe die Beklagte die Klägerin mit folgenden Beträgen belastet: „Bauschäden in Bagdad DM 4668, ‑ ‑ (= 32.769,36), Reinigung der Baustelle DM 6.012,44 (= 112.407,32), Verlust von Werkzeugen S 70.906,50, Schaden aus unsachgemäßer Montage S 33.948,72 und Montagekosten Euroclima‑Gerät S 43.100, ‑ ‑“, insgesamt sohin mit einem Betrag von S 293.131,90. Die Klageforderung sei daher „infolge der vollzogenen Aufrechnung“ zur Gänze unberechtigt.
Die Klägerin bestritt die Berechtigung der Gegenforderung. Sie verwies darauf, daß es nach Punkt 4.1. des zwischen den Parteien abgeschlossenen Werkvertrages dem Auftraggeber unter keinem Titel gestattet sei, Abzüge aus dem fakturierten Betrag vorzunehmen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit Teilurteil statt. Es traf folgende Feststellungen:
Nach dem zwischen der Klägerin und der Beklagten abgeschlossenen Werkvertrag übernahm die Klägerin mit eigenen Fachkräften die Ausführung der Montagearbeiten am Hotel B*****. Gemäß Punkt 4.1. dieses Werkvertrages ist der Auftragnehmer berechtigt, alle 30 Tage eine Teilrechnung auf Grund der erbrachten Leistungen auszustellen. Der Rechnungsbetrag ist jeweils 30 Tage nach Eingang der Rechnungssumme zu bezahlen. Bei einer Zahlungsverzögerung des Auftraggebers werden Zinsen von 1 % p.m. vom Auftraggeber berechnet. Dem Auftraggeber ist es unter keinem Titel gestattet, Abzüge aus dem fakturierten Betrag vorzunehmen. Mit Schreiben vom 22. 3. 1982 fügte die Beklagte dem Artikel 4 (Zahlungsbedingungen) lediglich hinzu, daß als Zahlungstermin das Aufgabedatum einer österreichischen Bank gelte.
Die klagende Partei hat Leistungen in Höhe des Klagebetrages erbracht und hierüber die in der Klage zitierten Fakturen gelegt.
Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß der Beklagten nach dem Werkvertrag verboten sei, Abzüge aus dem fakturierten Betrag vorzunehmen; dies sei einem Kompensationsverbot gleichzusetzen. Aus dem Vorbringen der Beklagten habe sich weiters ergeben, daß die geltend gemachten Ersatzansprüche aus einem anderen Vertrag als dem Werkvertrag resultierten, weshalb gemäß § 391 Abs. 3 ZPO ein Teilurteil über die unbestritten gebliebene Klageforderung erlassen werden konnte.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Auch das Gericht zweiter Instanz vertrat die Auffassung, daß die im vorliegenden Werkvertrag enthaltene Bestimmung, es sei aus keinem Titel gestattet, Abzüge aus dem fakturierten Betrag vorzunehmen, ein Aufrechnungsverbot enthalten, weil bei der Aufrechnung (mit einer niedrigeren Forderung) „aus dem Titel“ der Aufrechnung ein „Abzug“ vom fakturierten Betrag vorgenommen wird. Diese Vertragsbestimmung stehe sowohl einer allfällig außergerichtlich erklärten als auch einer prozessualen Aufrechnung entgegen. Die Erlassung eines Teilurteils sei zulässig gewesen, weil weder ein rechtlicher noch wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Forderung und Gegenforderung angenommen werden könne. Die Zweckmäßigkeit der Erlassung des Teilurteiles könne im übrigen im Rechtsweg nicht bekämpft werden.
Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der Beklagten aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Abs. 1 Z 4 ZPO, in welcher sie die Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und die Zurückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht beantragt.
Die Klägerin beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Die Beklagte stellt sich in ihrem Rechtsmittel auf den Standpunkt, daß der Werkvertrag vom 22. 3. 1982 kein Aufrechnungsverbot enthielt und die Erlassung des Teilurteiles unzulässig gewesen sei, weil der innige wirtschaftliche Zusammenhang von Forderung und Gegenforderung dem rechtlichen im Sinne des § 391 Abs. 3 ZPO gleichkomme. Dazu war zu erwägen:
Die Frage der Anwendbarkeit des § 391 Abs. 3 ZPO hängt hier einerseits davon ab, ob die Verhandlung über den Klageanspruch zur Entscheidung reif war, also davon, ob es sich bei der in Rede stehenden Vertragsbestimmung um ein wirksam vereinbartes Aufrechnungsverbot handelte und andererseits davon, ob zwischen der Klageforderung und den Gegenforderungen ein rechtlicher Zusammenhang bestand oder nicht. In beiden Fällen handelt es sich um materiell‑rechtliche, demnach der rechtlichen Beurteilung unterliegende Fragen, deren Lösung trotz übereinstimmender Rechtsauffassungen beider Vorinstanzen auch noch im Revisionsverfahren überprüft werden kann (JBl. 1980, 33; GesRZ 1982, 164; 3 Ob 591/83 u.a.).
Sowohl das Vorliegen eines Aufrechnungsverbotes als auch die Beurteilung des rechtlichen Zusammenhanges zwischen den von beiden Parteien erhobenen Forderungen lassen sich jedoch nur unter Bedachtnahme auf die zwischen ihnen bestehenden gesamten Rechtsbeziehungen klären. Dabei ist darauf Bedacht zu nehmen, daß es sich bei der Klägerin um ein Außenhandelsunternehmen der ungarischen Volksrepublik handelt, daß die Montagearbeiten in Budapest erfolgten und daß auch möglicherweise der Werkvertrag vom 22. 3. 1982 in Ungarn abgeschlossen wurde. Es liegen daher zumindest Anhaltspunkte dafür vor, daß die Sache im Sinne der Bestimmungen der §§ 35 und 36 IPRG ausländischem Recht unterliegen könnten (SZ 47/41 u.a.). Dies ist vom Revisionsgericht im Rahmen der Pflicht zu allseitiger rechtlicher Beurteilung wahrzunehmen und zwar selbst dann, wenn sich die Parteien nicht darauf berufen (ÖBl. 1983, 162 ua.).
Solange nicht geklärt ist, welches Sachverhaltsbild in diesem Belang endgültig zu beurteilen sein wird und demgemäß, welches Recht auf die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien Anwendung zu finden hat, wäre sowohl ein Eingehen auf die Frage des Aufrechnungsverbotes als auch des rechtlichen Zusammenhanges der geltend gemachten Forderungen verfrüht. Beide Vorinstanzen haben es unterlassen, das Rechtsverhältnis der Parteien dahin zu erörtern, ob sie diesem österreichisches Recht unterstellten (vgl. § 35 Abs. 1 IPRG), oder ob sie es bei der gesetzlichen Regelung der §§ 35 Abs. 2, 36 IPRG bewenden ließen. Bloß daraus, daß die Parteien im Verfahren auf der Grundlage österreichischen Rechtes argumentierten, kann noch nicht der Schluß gezogen werden, daß sie das eingegangene Rechtsverhältnis auch tatsächlich dem österreichischen Recht gemäß § 35 IPRG (schlüssig) unterstellen wollten (vgl. § 11 Abs. 2 IPRG).
Die Anwendung der dargestellten Grundsätze hat zur Folge, daß die Entscheidungen der Vorinstanzen zur Klarstellung der dargelegten Fragen aufzuheben waren und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen werden mußte.
Der Kostenausspruch beruht auf § 52 ZPO.
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