OGH 8Ob589/85

OGH8Ob589/8512.9.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Senta G*****, vertreten durch Dr. Gerhard Munk, Rechtsanwalt in Wien, 2.) Ingeborg S*****, vertreten durch DDr. Ingeborg Schäfer‑Guhswald, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Jutta S*****, vertreten durch Dr. Werner Zach, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 445.333,32 s.A. infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 16. April 1985, GZ 12 R 72/85‑17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 15. November 1984, GZ 34 Cg 312/83‑10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00589.850.0912.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, der Erstklägerin die mit S 9.455,85 (darin S 960 Barauslagen und S 772,35 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung sowie der Zweitklägerin die mit S 9.455,85 (darin S 960 Barauslagen und S 772,35 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile sind die Töchter der am 4. 2. 1982 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Anordnung verstorbenen Eugenie ***** S*****, deren Nachlaß mit Beschluss des Bezirksgerichtes Hietzing vom 3. 8. 1983, 3 A 137/82, den Klägerinnen sowie der Beklagten zu je 1/3 eingeantwortet worden ist. Zu den Aktiven der Verlassenschaft zählte unter anderem eine Forderung der Erblasserin gegen die Beklagte aus einem nichtverzinslichen Darlehen von S 668.000.

Die Klägerinnen begehrten auf Grund der Ergebnisse der Verlassenschaftsabhandlung von der Beklagten je 1/3 dieser Darlehensforderung, das ist je ein Betrag von S 222.666,66. Obwohl die Beklagte im Verlassenschaftsverfahren die Darlehensforderung anerkannt habe, weigere sie sich nunmehr, den auf die Klägerinnen entfallenden Betrag zurückzuzahlen.

Die Beklagte wendet im wesentlichen ein, ihr sei der Betrag von S 668.000 von der Verstorbenen geschenkt worden. Letztlich stamme der an sie ausgezahlte Betrag aus dem Vermögen des Vaters, sie sei daher nicht verpflichtet, den Klägerinnen etwas zurückzuzahlen. Im übrigen brachte sie vor, die Verstorbene habe aus einem Liegenschaftsverkauf den beiden Klägerinnen je S 200.000 mit der Vereinbarung gegeben, daß diese Schenkung auf die zukünftigen Erträge aus der Verlassenschaft in Anrechnung zu bringen seien. Sie wende daher gegen die Klägerinnen eine Gegenforderung in Höhe von je S 200.000 kompensando ein.

Das Erstgericht erkannte die Forderungen der Klägerinnen als zu Recht bestehend, die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend und sprach daher den Klägerinnen je S 222.666,66 s.A. zu, wobei es von folgenden Feststellungen ausging:

Die Streitteile sind Schwestern. Zwischen 1979 und 1980 wurde aus dem Vermögen der Mutter der Streitteile an die Beklagte für den Ankauf einer Eigentumswohnung in *****, für deren Einrichtung sowie zur Abdeckung der mit dem Ankauf der Wohnung verbundenen Nebenkosten ein Betrag von ursprünglich S 300.000, in der Folge sukzessive aufgestockt auf den Betrag von S 668.000, als Darlehen gewährt und zugezählt. Zum Teil erfolgte diese Zuzählung auch in der Form, daß Einzahlungen auf Rechnung und im Namen der Beklagten unmittelbar an Drittberechtigte vorgenommen wurden, wobei sowohl bei Baraushändigung von Geldbeträgen an die Beklagte als auch bei Durchführung der Überweisungen in ihrem Namen jeweils der Vater als durchführende Person auftrat, da dieser innerhalb der Familie die Verwaltung des aus einem Grundstücksverkauf im Jahre 1974 stammenden Vermögens seiner Gattin (rund 1,6 Millionen Schilling) übernommen hatte. Dieses Vermögen der verstorbenen Mutter der Streitteile war in Inhabersparbüchern angelegt, von denen über Ersuchen der verstorbenen Mutter der Streitteile deren Vater die an die Beklagte übergebenen Geldbeträge abhob bzw. davon die für die Beklagte getätigten Überweisungen veranlasste. Das an die Beklagte übergebene Darlehen sollte rückzahlbar sein, ein konkreter Rückzahlungstermin allerdings wurde nicht festgelegt. Der Vater der Streitteile war Großhandelskaufmann (Papier und Druckerei), löste jedoch seinen Geschäftsbetrieb per 31. 12. 1979 auf, weil der Betrieb wenig rentabel geworden war, und ging in Pension. Auf Grund der letzten Bilanz, die von seinem Steuerberater erstellt worden war, ergab sich ein Geschäftsguthaben zum Stichtag 31. 12. 1979 in Höhe von S 353.000. Davon bezahlte der Vater der Streitteile einige am Haus durchzuführende Reparaturarbeiten, ein Rest dieses Guthabens steht ihm allerdings immer noch zur Verfügung. Von der Mutter der Streitteile erhielten die Klägerinnen aus dem Verkaufserlös des ihr seinerzeit gehörigen und von ihr im Jahre 1974 verkauften Grundstückes keinerlei Zuwendungen. Die Mutter der Streitteile verstarb am 4. 2. 1982. Auf Grund einer Ladung zum Gerichtskommissär für den 30. 3. 1982 trafen sich die Streitteile sowie deren Vater am 28. 3. 1982 zu einer Vorbesprechung, anläßlich derer es zu einer heftigen Auseinandersetzung kam, da erstmals von Seiten der Beklagten die Behauptung aufgestellt wurde, die ihr übergebenen Beträge in der Gesamthöhe von S 668.000 seien ihr vom Vater geschenkt worden. Obwohl es anläßlich dieser Auseinandersetzung zu keiner Einigung kam, unterfertigte die Beklagte das Protokoll vom 30. 3. 1982 vor dem öffentlichen Notar Dr. Josef I***** als Gerichtskommissär, in welchem als Punkt 6. der Aktiven des errichteten Teilinventars als Darlehensforderung der Betrag von S 668.000 aufscheint, mit dem Bemerken, es handle sich dabei um ein von der Erblasserin der Tochter Jutta S***** am 1. 1. 1981 gewährtes zinsenloses Darlehen.

In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht davon aus, daß es der Beklagten nicht gelungen sei, die von ihr behauptete Schenkung nachzuweisen. Nach den Ergebnissen des Verlassenschaftsverfahrens sei die gegenständliche Darlehensforderung gegen die Beklagte zu je 1/3 auf die Klägerinnen übergegangen. Selbst wenn man annehmen wollte, daß die Verstorbene den strittigen Betrag der Beklagten tatsächlich geschenkt hätte, wäre für sie nichts gewonnen, weil sie sich diesfalls die Schenkung bei der Berechnung des auf sie entfallenden Nachlasses in Anrechnung bringen lassen müßte. Die von der Beklagten behaupteten Vorausempfänge der Klägerinnen aus dem Vermögen der Mutter seien nicht erwiesen.

Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und billigte auch die rechtliche Beurteilung der ersten Instanz.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der Beklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Erst- und die Zweitklägerin beantragen in ihren Revisionsbeantwortungen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Beklagte führt in ihrem Rechtsmittel aus, sie habe vor dem Erstgericht die Prozeßbehauptung aufgestellt, daß die klagsgegenständliche Forderung der Beklagten nicht aus dem persönlichen Vermögen der Verstorbenen zugezählt wurde, sondern aus dem Vermögen des Zeugen Anton S*****, des Vaters der Streitteile, stamme, und als Beweis Urkunden samt handschriftlichen Vermerken des Zeugen S***** vorgelegt. Sowohl das Erst- wie auch das Berufungsgericht hätten nach Vorlage dieser Urkunden dennoch die Feststellung getroffen, daß als Vermögensgeberin die Verstorbene anzunehmen sei und nicht der Zeuge Anton S*****. Sowohl das Erst- wie auch das Berufungsgericht hätten aber bei Auslegung dieser Urkunde in Verbindung mit der Aussage des Zeugen Anton S***** die Feststellung treffen müssen, daß die Vermögenszuwendungen an die Beklagte nicht aus dem Vermögen der Verstorbenen stammten, sondern aus dem persönlichen Vermögen des Zeugen Anton S*****. Die Auslegung sowie Ableitung von Feststellungen aus von Parteien vorgelegten Urkunden sei alleine im Rahmen der rechtlichen Beurteilung dem Gericht aufgetragen, weshalb der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung darin erblickt werde, daß trotz eindeutigem Wortlaut der vorgelegten Urkunde das Erst- wie auch das Berufungsgericht die gegenteilige Feststellung getroffen hätten.

Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß die Auslegung des Inhaltes einer Urkunde nur dann eine Frage der rechtlichen Beurteilung ist, wenn der Parteiwille allein auf Grund der Auslegung einer in ihrem Wortlaut feststehenden Urkunde ermittelt wurde. Hingegen liegt eine Tatsachenfeststellung vor, wenn die Absicht der Parteien auch aus anderen Beweismitteln abgeleitet wird. In diesem Fall ist der Oberste Gerichtshof an die Tatsachenfeststellungen gebunden und kann nicht den Inhalt der Urkunde für sich allein und selbständig würdigen (JBl. 1985, 97, JBl. 1979, 267, MietSlg. 32.729 u.a.). Da die von der Beklagten bekämpfte Feststellung des Erstgerichtes, die vom Berufungsgericht übernommen wurde, wie die Revision selbst anführt, nicht nur auf Grund der vorgelegten Urkunde, sondern auch auf Grund der Aussage des Zeugen S***** getroffen wurde, liegt eine für den Obersten Gerichtshof bindende Tatsachenfeststellung der Vorinstanzen vor, daß die der Beklagten zugeflossenen Darlehensbeträge aus dem Vermögen der verstorbenen Mutter der Streitteile stammten und nicht aus dem Vermögen ihres Vaters. Damit erweist sich aber das Revisionsvorbringen nicht als gesetzmäßige Ausführung des Revisionsgrundes nach § 503 Abs. 1 Z 4 ZPO, sondern als im Revisionsverfahren unzulässiger Versuch der Bekämpfung der Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen. Mangels einer gesetzgemäßen Ausführung des Revisionsgrundes ist dem Obersten Gerichtshof aber eine rechtliche Überprüfung des Berufungsurteils verwehrt.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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