OGH 11Os115/85

OGH11Os115/8510.9.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.September 1985 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider (Berichterstatter) und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Dallinger als Schriftführers in der Strafsache gegen Dagobert A wegen des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach §§ 15, 202 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 1.März 1985, GZ 5 c Vr 147/85-28, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwaltes Dr. Stöger, und der Verteidigerin Dr. Rismondo, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 15.Juli 1947 geborene Dagobert A des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach den §§ 15, 202 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Ihm liegt zur Last, am 5. Jänner 1985 in Wien Liane B mit Gewalt und gefährlicher Drohung zum außerehelichen Beischlaf dadurch zu nötigen versucht zu haben, daß er ihr einen Faustschlag in das Gesicht versetzte, sie mehrmals schlug, ein Messer gegen ihren Hals richtete, sie am Handgelenk festhielt, sie mit sich zog und ihr erklärte, sie habe das Messer drinnen, wenn sie einen 'Mucks' mache.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte im Schuldspruch unter Bezugnahme auf § 281 Abs. 1 Z. 5, 9 lit. a, 10 und 11 StPO mit Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung. Entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung ist das Ersturteil mit keinem der angeführten Nichtigkeitsgründe behaftet. Der Beschwerdeführer, der sein im Zuge des Vorfalles mit Liane B in Wien-Innere Stadt auf der Straße gegen vier Uhr früh des 5. Jänner 1985 auf Vornahme eines Geschlechtsverkehrs gerichtetes Vorhaben weder im Vorverfahren noch in der Hauptverhandlung in Abrede stellte, dies damals gegenüber dem Tatopfer unmißverständlich zum Ausdruck brachte und eingestand, die widerstrebende Frau am Arm erfaßt und mitgezogen zu haben, wobei es zu einem 'Gerangel' gekommen sei, in dessen Verlauf sie beide zu Boden gefallen seien (S. 33, 41 verso, 41 a, 101, 102 und 103), bestritt im übrigen bloß eine weitere Gewaltanwendung (durch Versetzen von Schlägen) sowie die Bedrohung mit einem Messer. Er verantwortete sich im Lauf des vorliegenden Strafverfahrens niemals dahin, von der Frau durch Beschimpfungen provoziert und nur deshalb zu einem gewalttätigen Vorgehen veranlaßt worden zu sein.

Schon aus diesem Grund bedurfte es im Ersturteil keiner näheren Erörterung des von der Zeugin Liane B in der Hauptverhandlung bekundeten Umstandes, daß sie den Angeklagten, als sie von ihm auf der Straße mit unsittlichem Ansinnen bedrängt worden sei, heftig beschimpft habe (S. 108). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers liegt auch in der Aussage dieser Zeugin, sie sei (nach der Sperre des Lokals) mit dem Angeklagten plötzlich allein auf der Straße gestanden und habe nach Hause gehen wollen (S. 107 und 108), kein erörterungsbedürftiger Widerspruch. Soweit der Beschwerdeführer in seiner Mängelrüge nunmehr aufzeigen will, daß er damals annehmen durfte, Liane B sei einem Geschlechtsverkehr nicht abgeneigt, setzt er sich schon mit seiner eigenen, auch in der Hauptverhandlung aufrecht erhaltenen Verantwortung in Widerspruch, derzufolge das Tatopfer sich seinem Ansinnen gegenüber ablehnend verhalten und sogleich zur Wehr gesetzt hatte, als er es am Arm fortzerren wollte (S. 103, 104). Dieser Teil der Mängelrüge sowie das weitere Beschwerdevorbringen, mit dem unter Hinweis auf Abweichungen in den Angaben der Zeugin Liane B die Glaubwürdigkeit in Frage gestellt wird, ist nach Inhalt und Zielsetzung als im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässiger und demnach unbeachtlicher Angriff gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichtes zu werten, will doch der Beschwerdeführer den Urteilssachverhalt, der auf den vom Schöffengericht für unbedenklich beurteilten Angaben dieser Zeugin beruht, durch andere, für ihn günstigere Feststellungen ersetzt wissen.

Unter Hinweis darauf, daß er nach den Urteilsfeststellungen Liane B auf der Straße keineswegs in unsittlicher Weise betastet habe, meint der Beschwerdeführer in Ausführung seiner nominell auf die Z. 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO, der Sache nach auf den zuletzt angeführten Nichtigkeitsgrund gestützten Rechtsrüge, das Erstgericht habe rechtirrtümlich einen (strafbaren) Versuch der Nötigung zum Beischlaf im Sinn der §§ 15, 202 Abs. 1 StGB angenommen. Denn ein Vollzug des - von ihm angestrebten - außerehelichen Geschlechtsverkehrs mit dem Tatopfer sogleich an Ort und Stelle sei nach den Tatumständen nicht in Betracht gekommen und im Ersturteil auch nicht festgestellt worden. Es fehle daher ein zur Annahme eines strafbaren Versuchs erforderliches 'ausführungsnahes' Verhalten, sodaß er 'allenfalls' Drohung nach dem § 107 Abs. 1 StGB, 'möglicherweise' Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB zu verantworten habe.

Rechtliche Beurteilung

Auch damit ist der Beschwerdeführer nicht im Recht. Gemäß dem § 15 Abs. 2 StGB ist die Tat versucht, sobald der Täter seinen Entschluß, sie auszuführen (oder einen anderen dazu zu bestimmen), durch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung betätigt. Der (strafbare) Versuch setzt sohin bereits mit einem der Tatausführung unmittelbar vorangehenden Tatverhalten, jedenfalls aber mit dem Beginn einer Ausführungshandlung ein (LSK 1975/133 zu § 15 StGB; Leukauf-Steininger, Komm. zum StGB 2 , RN 6 zu § 15 StGB). Die für die Annahme eines strafbaren Versuches essentielle 'Ausführungsnähe' ist jeweils an Hand der dem betreffenden Tatbild entsprechenden Ausführungshandlung zu prüfen, wobei es entscheidend auf den Tatplan des Täters ankommt (Leukauf-Steininger, Komm. zum StGB, RN 8 und 9 zu § 15 StGB; ferner Kienapfel, Strafrecht, Allg. Teil, Z 21 RN 19, 20). Neben dem subjektiven Erfordernis, demzufolge das deliktische Verhalten des Täters in jenes Stadium getreten sein muß, das erkennen läßt, daß er die entscheidende Hemmstufe vor der Tatbegehung bereits überwunden hat, muß daher das Tatverhalten, um objektiv strafbaren Versuch zu begründen, sowohl in aktions- wie auch in zeitmäßiger Relation zur Ausführung zumindest im nahen Vorfeld der Tatbestandsverwirklichung liegen und über diese in zeitlicher und örtlicher Hinsichtlich erforderliche 'Ausführungsnähe' hinaus auch spezifisch tatbildbezogen sein (Leukauf-Steininger, Komm. zum StGB 2 , RN 9 zu § 15 StGB sowie LSK 1982/22 zu § 15 Abs. 2 StGB). Keinesfalls darf aber 'Ausführungsnähe' mit 'Erfolgsnähe' gleichgesetzt werden (Leukauf-Steininger, Komm. zum StGB 2 , RN 10 zu § 15 StGB; LSK 1979/324 zu § 15 Abs. 2 StGB; JBl. 1980, 607).

Die Anwendung von Gewalt oder gefährlicher Drohung (um solcherart eine Frau zum außerehelichen Beischlaf zu nötigen) gehört zum (objektiven) Tatbestand des Delikts nach dem § 202 Abs. 1 StGB. Da der Beschwerdeführer nach den bezüglichen Urteilsfeststellungen diese zur Verwirklichung des erwähnten Verbrechenstatbestandes erforderlichen Mittel tatsächlich eingesetzt hatte, fallen ihm bereits Ausführungshandlungen zur Last, sodaß sich in diesem Fall die Frage, ob er seinen Tatenentschluß durch eine der Ausführung dieses Delikts unmittelbar vorangehende Handlung betätigt und somit eine zur Annahme eines strafbaren Versuches dieses Delikts erforderliche 'ausführungsnahe' Handlung beging, gar nicht stellt (LSK 1975/133 zu § 15 StGB = SSt. 46/37; Kienapfel, Strafrecht, Allg. Teil, Z 22 RN 12, 13; Foregger-Serini, StGB 3 , Erl. III zu § 15 StGB und die dort zitierte Judikatur).

Dem Erstgericht unterlief somit entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung bei der Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes als Verbrechen der versuchten Nötigung zum Beischlaf kein Rechtsirrtum.

Die Beschwerdeausführungen unter dem Titel 'Zur Berufung wegen Strafe: § 281 Absatz 1 Ziffer 11 StPO' beinhalten ausschließlich eine Anfechtung des Strafmaßes, ohne aber einen Rechtsfehler in der Bedeutung des § 281 Abs. 1 Z. 11 StPO aufzuzeigen oder auch nur zu behaupten. Dieses Vorbringen erweist sich demnach (zur Gänze) als Berufungsausführung.

Der Nichtigkeitsbeschwerde war mithin insgesamt ein Erfolg zu versagen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 202 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von achtzehn Monaten. Es wertete bei der Strafbemessung die auf gleicher schädlicher Neigung beruhenden, sogar den Voraussetzungen des § 39 StGB entsprechenden Vorstrafen sowie die Tatsache, daß die versuchte Nötigung zum Beischlaf mit Gewalt und durch gefährliche Drohung begangen wurde, als erschwerend, hingegen den Umstand, daß die Tat nur bis ins Versuchsstadium gedieh, als mildernd. Mit seiner - wie schon erwähnt, zu Unrecht auch auf § 281 Abs. 1 Z. 11 StPO gestützten - Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe an. Er bringt dazu vor, er habe Liane B als 'ausgesprochen abenteuerlustig' eingeschätzt und sei von ihr plötzlich aggressiv beschimpft und provoziert worden; wegen beträchtlicher Alkoholisierung sei er nur vermindert zurechnungsfähig gewesen.

Auch diesem Rechtsmittel kommt Berechtigung nicht zu. Nach den erstgerichtlichen Urteilsfeststellungen forderte der alkoholisierte Angeklagte Liane B, die sich zu dieser Zeit nicht in Begleitung befand, in vulgärer Weise zu einem Geschlechtsverkehr auf, welches Ansinnen empört und entschieden zurückgewiesen wurde. Die Einschätzung der Liane B als abenteuerlustig entbehrt daher ebenso jeder realen Grundlage wie die Behauptung, die genannte Frau hätte den Angeklagten provoziert. Die Alkoholisierung des Täters im Zeitpunkt der Tatbegehung erfüllt nicht die von § 35 StGB geforderten Kriterien zur Begründung eines Milderungsumstandes: Der Rechtsmittelwerber selbst vermag eine solche Voraussetzung nicht zu nennen.

Mithin ergibt sich, daß das Erstgericht, abgesehen vom übergehen der leichten Körperverletzung, die der Berufungswerber im Zuge des Nötigungsversuches dem Tatopfer zufügte, als weiteren Erschwerungsumstand, die (besonderen) Strafzumessungsgründe richtig und vollständig feststellte. Es unterzog sie - auch auf der Grundlage der allgemeinen Strafbemessungsnormen des § 32 StGB - einer zutreffenden Würdigung und gelangte solcherart zu einer schuldangemessenen Freiheitsstrafe.

Aus den aufgezeigten Gründen war der Berufung ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der im Urteilsspruch zitierten Gesetzesstelle.

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