OGH 4Ob102/85

OGH4Ob102/8510.9.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl und Dr. Kuderna sowie die Beisitzer Herbert Bauer und Mag. Karl Dirschmied als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Thomas A, geboren am 11. Oktober 1967, Elektroinstallateur-Lehrling, Linz, Willingerstaße 23, vertreten durch seinen Vater und gesetzlichen Vertreter Gerhard A, ebendort, dieser vertreten durch Wolfgang B, Sekretär der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich in Linz, dieser vertreten durch Dr. Alfred Eichler, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Ing. Manfred C, Inhaber eines Elektroinstallationsunternehmens, Linz, Reitzenbeckweg 14-16, vertreten durch Dr. Viktor V. Supplit, Rechtsanwalt in Linz, wegen S 6.563,30 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 20. März 1985, GZ. 12 Cg 5/85-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Linz vom 21. November 1984, GZ. 1 Cr 268/84-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

  1. 1.) Die Revisionsbeantwortung wird zurückgewiesen.
  2. 2.) Der Revision wird nicht Folge gegeben.

    Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt vom Beklagten, seinem ehemaligen Lehrberechtigten und Arbeitgeber, nach einer in der Berufungsverhandlung vorgenommenen Ausdehnung des Klagebegehrens die Zahlung eines Betrages von S 6.563,30 sA an Differenz zwischen dem tatsächlich erhaltenen und dem ihm nach dem Kollektivvertrag zustehenden Entgelt (Lehrlingsentschädigung einschließlich Sonderzahlungen, Hilfsarbeiterlohn einschließlich Sonderzahlungen sowie Urlaubsabfindung) für die Zeit vom 12. September 1983 bis 31. Dezember 1983.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung, bestritt das Klagevorbringen und wendete den Verfall der Klagsansprüche nach dem Kollektivvertrag für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe ein. Der Kläger habe erstmals mit Schreiben vom 17. Juli 1984, sohin nach Ablauf der dreimonatigen kollektivvertraglichen Fallfrist, seine Ansprüche geltend gemacht.

Der Kläger brachte dazu vor, er habe erst anläßlich einer Vorsprache bei der Arbeiterkammer am 3. Juli 1984 von den in der Klage geltend gemachten Forderungen erfahren. Diese seien mit Schreiben vom 17. Juli 1984 dem Beklagten gegenüber geltend gemacht worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf folgende wesentliche Feststellungen:

Der Kläger war in der Zeit vom 12. September 1983 bis 31. Dezember 1983 zuerst als Lehrling und dann als Hilfsarbeiter im Elektroinstallationsunternehmen des Beklagten beschäftigt. Er erhielt regelmäßig die Entgeltabrechnungen in Form von Lohnstreifen; der darin jeweils angeführte Geldbetrag wurde auf sein Konto überwiesen. Im Juli 1984 erfuhr er anläßlich einer aus einem anderen Grund erfolgten Vorsprache bei der Arbeiterkammer von einer angeblichen Unterentlohnung durch den Beklagten. Mit Schreiben vom 17. Juli 1984 wurden die der Klage zugrundeliegenden Forderungen erstmals vom Kläger dem Beklagten bekanntgegeben. Im Betrieb des Beklagten liegt im Vorraum des Büros der Kollektivvertrag für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe auf. Der Kläger hat die Bestimmungen dieses Kollektivvertrages nicht gekannt. Die angebliche Unterentlohnung wurde ihm erstmals im Juli 1984 bei der Vorsprache in der Arbeiterkammer bekanntgegeben.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, die Klagsforderungen seien, weil sie erst nach Ablauf der dreimonatigen Fallfrist des Kollektivvertrages erstmals dem Beklagten gegenüber geltend gemacht worden seien, verfallen. Die Unkenntnis des Inhalts des Kollektivvertrages berühre nicht dessen Wirksamkeit. Mit der übergabe der Lohnstreifen seien dem Kläger die Entgeltansprüche vom Beklagten bekanntgegeben worden. Daß er diese Ansprüche aus subjektiven Gründen nicht gekannt habe, müsse unberücksichtigt bleiben, weil sonst die Verfallsbestimmungen des Kollektivvertrages durch die Behauptung des Nichtkennens umgangen werden könnten. Das Bekanntwerden müsse im Hinblick auf den in der möglichst raschen Bereinigung von Entgeltdifferenzen bestehenden Normzweck der Verfallsbestimmungen nach objektiven Kriterien beurteilt werden. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und wies das in der Berufungsverhandlung ausgedehnte Klagebegehren ebenfalls ab. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs. 1 Z 3 ArbGG neu durch und traf die gleichen Feststellungen wie das Erstgericht. Ergänzend stellte es fest, daß die jeweiligen monatlichen Entgeltbeträge auf dem Konto des Klägers am 4. Oktober, 3. November und 2. Dezember 1983 sowie am 2. Jänner 1984 gutgebucht wurden. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die dreimonatige Fallfrist nur für Ansprüche mit nicht von vornherein bestimmter Fälligkeit ab dem Zeitpunkt des Bekanntwerdens zu berechnen sei. Wann der Berechtigte erfahren habe, daß er zu wenig Lohn erhalten habe, sei für den Lauf der Fallfrist belanglos. Erfolge die Lohnauszahlung nach Eintritt der Fälligkeit, beginne der Fristenlauf mit dem tatsächlichen Auszahlungstag. Die letzte Lohnauszahlung sei am 2. Jänner 1984 erfolgt, die Geltendmachung der Nachforderungen erstmals mit Schreiben vom 17. Juli 1984. Diese seien daher verfallen. Die Kenntnis des Inhalts des Kollektivvertrages sei für dessen Wirksamkeit ohne Bedeutung. Für eine verstärkte Fürsorge- und Informationspflicht des Arbeitgebers minderjährigen Arbeitnehmern gegenüber, deren Verletzung den Verfallseinwand als sittenwidrig erscheinen ließe, fehle eine gesetzliche Grundlage. Verfallsklauseln seien auch auf unabdingbare Ansprüche anzuwenden; sie seien nur dann nichtig, wenn sie die Geltendmachung von Ansprüchen ohne sachlichen Grund übermäßig erschweren oder gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstoßen. Dies sei bei einer dreimonatigen Frist nicht der Fall. Gegen diese Entscheidung richtet sich die nur aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Da der Beklagte die Revisionsbeantwortung am 3. Juli 1985 beim Erstgericht überreicht hat, die Revision an ihn jedoch am 4. Juni 1985 zugestellt worden war, muß die somit nach Ablauf der vierwöchigen Frist des § 507 Abs. 2 ZPO eingebrachte Revisionsbeantwortung als verspätet zurückgewiesen werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Auffassung des Revisionswerbers, der Lauf der dreimonatigen kollektivvertraglichen Fallfrist beginne erst ab dem Bekanntwerden der geltend gemachten Forderung, kann nicht zugestimmt werden. Nach dem Art. XX Z 1 des Kollektivvertrages für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe müssen alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis bei sonstigem Verfall innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit bzw. Bekanntwerden - wenn sie nicht anerkannt werden - schriftlich geltend gemacht werden. Als Fälligkeitstag gilt nach Art. XX Z 2 der Auszahlungstag für jene Lohnperiode, in welcher der Anspruch entstanden ist. Entscheidend für den Eintritt des Verfalls ist der Ablauf von drei Monaten. Der Lauf dieser Frist beginnt grundsätzlich mit der Fälligkeit des betreffenden Anspruchs. Nur wenn dem Anspruchsberechtigten der tatsächliche Entstehungsgrund der betreffenden Forderung oder der Zeitpunkt ihrer Fälligkeit nicht bekannt ist, ist der Zeitpunkt des Bekanntwerdens solcher Umstände für den Beginn des Laufes der Fallfrist maßgebend. Das 'Bekanntwerden' bezieht sich auf den jeweiligen Entgeltanspruch und nicht, wie der Beklagte in rechtsirriger Weise meint, auf den vom Anspruchsverpflichteten nicht erfüllten Teil eines dem Anspruchsberechtigten im Sinne der obigen Ausführungen bekannten Anspruchs. Weder der Wortlaut noch der Sinn des Kollektivvertrages rechtfertigt eine Auslegung im Sinn der Auffassung des Klägers. Da diesem die Entstehung des Anspruchs und dessen Fälligkeit auf Grund der ihm übergebenen Lohnstreifen und der auf sein Konto überwiesenen Beträge bekannt war, ist die Fallfrist spätestens am 2. Jänner 1984, dem Zeitpunkt der letzten überweisung, in Lauf gesetzt worden. Daß der Kläger erst zu einem späteren Zeitpunkt von der angeblichen Unrichtigkeit der überwiesenen Beträge erfahren hat, ist für den Lauf der Fallfrist ohne Bedeutung. Im Zeitpunkt der erstmaligen schriftlichen Geltendmachung der der Klage zugrundeliegenden Entgeltforderungen (17. Juli 1984) war daher die am 2. Jänner 1984 spätestens in Lauf gesetzte dreimonatige Fallfrist bereits abgelaufen, so daß der Klagsanspruch zur Gänze verfallen ist. Die Revisionsausführungen über eine Verletzung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers durch den Beklagten sind nicht recht verständlich. Eine derartige Verletzung könnte nur dann allenfalls von Bedeutung sein, wenn der Einwand des Verfalls infolge einer solchen Verletzung sittenwidrig wäre. Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers erstreckt sich aber nicht auf eine Information des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über die angebliche Unrichtigkeit einer Entgeltzahlung, zumal diesem ein solcher Umstand im allgemeinen nicht bekannt sein wird. Eine Verständigung über das vom Beklagten für richtig gehaltene und dem Kläger ausgezahlte Entgelt ist aber durch die übergabe der Lohnstreifen ohnehin erfolgt. Es wäre Sache des Klägers gewesen, die Richtigkeit der darin aufscheinenden Beträge zu prüfen oder überprüfen zu lassen. Der weitere Einwand des Beklagten, die Verfallsklausel sei sittenwidrig, weil eine dreimonatige Fallfrist im Hinblick auf die Unerfahrenheit des jugendlichen Klägers zu kurz sei, ist schon deshalb verfehlt, weil er erstmals in der Revision erhoben wird und somit gegen das Neuerungsverbot des § 504 ZPO verstößt. Im übrigen ist eine solche Frist nicht geeignet, die Geltendmachung von Ansprüchen ohne sachlichen Grund übermäßig zu erschweren (Arb. 10.174, 10.219), wobei die Beurteilung der generellen Eignung nur allgemein und nach objektiven Kriterien, nicht aber unter Bedachtnahme auf einen Einzelfall oder auf eine einzelne Fallgruppe erfolgen kann.

Der Auffassung des Revisionswerbers, kollektivvertragliche Verfallsklauseln wirkten nicht auf unabdingbare Ansprüche, kann schon deshalb nicht zugestimmt werden, weil nicht der - im übrigen kollektivvertragliche - Anspruch abgedungen, sondern nur seine Geltendmachung durch die Verfallsklausel beschränkt wird. Da eine solche Klausel mit dem typischen Inhalt eines Arbeitsverhältnisses nicht in Widerspruch steht und daher zu den gegenseitigen, aus dem Arbeitsverhältnis entspringenden Rechten und Pflichten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer gehört, kann sie entgegen der Meinung des Revisionswerbers gemäß dem § 2 Abs. 2 Z 2 ArbVG Gegenstand einer kollektivvertraglichen Regelung sein (vgl. dazu Strasser in Floretta-Strasser, ArbVG-Handkommentar, 26 ff sowie Kuderna, DRdA 1978, 3 ff !6 ff ).

Auf die in der Berufungsverhandlung hilfsweise geltend gemachten Rechtsgründe der §§ 1431 und 1295 ABGB ist nicht näher einzugehen, weil der Beklagte kein für die Annahme eines Verschuldens ausreichendes Vorbringen erstattet hat und ein verjährter oder verfallener Anspruch auch nicht unter dem Titel einer Bereicherung verlangt werden (JBl. 1958, 522 ua.). Der unter allen geltend gemachten Gesichtspunkten unberechtigten Revision muß daher ein Erfolg versagt werden.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 40 und 50 ZPO begründet.

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