OGH 2Ob610/85

OGH2Ob610/8510.9.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erna A, Hausfrau, Mannswörther Straße 145/2/3, 2323 Mannswörth, vertreten durch Dr. Otto Schuhmeister, Dr. Rolf Schuhmeister, Rechtsanwalt in Schwechat, wider die beklagte Partei Johann A, Arbeiter, Heimstättensiedlung 10/2, 2401 Fischamend, vertreten durch Dr. Leopold Schön, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhaltes, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 14.Februar 1985, GZ 44 R 1005/85-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Schwechat vom 16.Mai 1983, GZ C 1030/82-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag des Beklagten auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die Parteien sind seit 1957 verheiratet. In den Jahren 1966/1967 erkrankte der Beklagte an Tuberkulose, was einen 8-monatigen Aufenthalt in einer Heilstätte erforderlich machte. Nach der Rückkehr des Beklagten waren die Ehegatten einander entfremdet; es kam häufig zu Auseinandersetzungen, weil der Beklagte freundschaftliche Beziehungen zu einer Krankenschwester, die er in der Heilanstalt kennengelernt hatte, unterhielt. In der Folge begann der Beklagte ein ehebrecherisches Verhältnis mit der Krankenschwester. Er kam mehrmals betrunken nach Hause und zeigte sich an der Klägerin desinteressiert, während die Klägerin kaum mehr den Haushalt für den Beklagten führte, sich ihm gegenüber lieblos verhielt und sich ihm sexuell verweigerte. Für beide Parteien war die Aufrechterhaltung der häuslichen Gemeinschaft unerträglich, sodaß der Beklagte im Jahr 1968 aus der Ehewohnung auszug und eine Lebensgemeinschaft mit der Krankenschwester aufnahm. In einem 1967 durch den Beklagten eingeleiteten Scheidungsverfahren trat Ruhen ein, weil die Streitteile überein kamen, daß sie beide nicht die Eingehung einer anderen Ehe anstrebten, und es aus sozialversicherungsrechtlichen Gründen zweckmäßiger sei, die Ehe aufrechtzuerhalten, damit der Klägerin der Pensionsanspruch des Beklagten nicht verloren ginge. In den ersten beiden Jahren der Trennung unternahm der Beklagte zwei Versuche, zu seiner Frau in die Ehewohnung zurückzukehren, wobei sich jedoch beim ersten Mal nach einigen Tagen des Zusammenlebens erwies, daß ein solches nicht möglich war und der Beklagte im Zuge einer heftigen Auseinandersetzung die Ehewohnung wieder verließ, wobei ihm die Klägerin seine Wäsche durch das Fenster nachwarf. Beim zweiten Versuch des Beklagten, die eheliche Lebensgemeinschaft wieder aufzunehmen, erklärte die Klägerin, daß dies für sie nicht mehr in Betracht komme. Ende 1969 ging die Klägerin eine Lebensgemeinschaft mit einem anderen Mann ein. In den folgenden Jahren beruhigte sich das gespannte Verhältnis zwischen den Ehegatten. Wegen der gemeinsamen Kinder unterhielten sie einen guten Kontakt miteinander; die Ehegatten fanden sich mit dem jeweiligen Lebensgefährten ab und man war auch untereinander befreundet. Die Klägerin äußerte mehrmals, daß sie an einer Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft mit dem Beklagten nicht mehr interessiert sei. Die Lebensgemeinschaft des Beklagten endete 1978, die der Klägerin 1980, ohne daß es einer der Streitteile in Erwägung zog, nunmehr die häusliche Lebensgemeinschaft miteinander wieder aufzunehmen. Im Jahr 1982 befreundete sich die Klägerin mit einem anderen Mann, mit dem sie sich eine zeitlang mehrmals wöchentlich traf und der hin und wieder auch bei ihr nächtigte, ohne daß sie jedoch eine Lebensgemeinschaft mit ihm einging. Der Beklagte gab weder ausdrücklich noch konkludent seine Zustimmung zur Lebensgemeinschaft der Klägerin, er fand sich lediglich mit dieser ab. Die Klägerin begehrt einen monatlichen Unterhalt von S 8.000,--. Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, die Klägerin habe ihren Unterhaltsanspruch verwirkt. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es erklärte die Revision für zulässig und begründete dies damit, daß die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage rechtsmißbräuchlichen Unterhaltsbegehrens nicht einheitlich und fallbezogen sei.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisonsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gemäß § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht zulässig.

Da der Streitgegenstand S 300.000,-- nicht übersteigt, ist eine Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß ein Ehegatte bei besonders schweren Eheverfehlungen den Unterhaltsanspruch gemäß § 94 Abs 2, 2.Satz ABGB verwirkt (EFSlg.42.548, 42.552 uva), so etwa bei Eingehen einer Lebensgemeinschaft (EFSlg.37.558, 42.563, 42.564). Wohl ist nach ständiger Rechtsprechung auch das Verhalten des anderen Teiles zu berücksichtigen und stets auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen. Dies hat das Berufungsgericht ohnedies getan. Seine Ansicht, die Klägerin habe den Unterhaltsanspruch verwirkt, obwohl der Beklagte als erster eine Lebensgemeinschaft mit einem anderen Partner eingegangen ist, steht nicht im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung de Obersten Gerichtshofes. Entscheidend ist, daß die Lebensgemeinschaft der Klägerin mehr als 10 Jahre dauerte, gegen den Willen der Klägerin beendet wurde, daß die Klägerin schon seit vielen Jahren nicht mehr zur Wiederaufnahme einer Gemeinschaft mit dem Beklagten bereit war und die Ehe nur aufrecht hielt, weil ihr dies aus sozialversicherungsrechtlichen Gründen günstig erschien. Die Ansicht des Berufungsgerichtes, die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage rechtsmißbräuchlichen Unterhaltsbegehrens sei nicht einheitlich, trifft nicht zu. Von einer uneinheitlichen Rechtsprechung kann nämlich nicht schon dann gesprochen werden, wenn jeweils auf den Einzelfall abzustellende Entscheidungen ergehen, sondern nur, wenn ohne Bedachtnahme auf Besonderheiten des Einzelfalles zu einer ganz bestimmten Rechtsfrage widersprechende Auffassungen vertreten werden (JBl 1984, 564). Die von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entwickelten Grundsätze zur Frage der Unterhaltsverwirkung nach § 94 Abs 2 2.Satz ABGB sind aber einhellig und das Berufungsgericht wich selbst von diesen Grundsätzen nicht ab, sondern folgte ihnen.

Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO liegt daher entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes nicht vor. Deshalb und weil der Oberste Gerichtshof gemäß § 508 a Abs 1 ZPO an den Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zulässigkeit der Revision nicht gebunden ist, war die Revision als unzulässig zurückzuweisen.

Der Antrag des Beklagten auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung war abzuweisen, weil der Beklagte auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat.

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