OGH 5Ob314/85

OGH5Ob314/858.9.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Georg A, Rechtsanwalt, Linz, Schillerstraße 17, wider die beklagte Partei Dr.Viktor A.B, Rechtsanwalt, Maria-Theresia-Straße 19, 4600 Wels, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Gemeinschuldners Gerhard C, Kaufmann, Wels, Schmidtgasse 23, wegen

S 340.276,90 s.A. infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 28. Februar 1985, GZ. 5 R 311/84-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 18. September 1984, GZ. 7 b Cg 46/84-7, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Rekurs wird im Umfang der Anfechtung des Ausspruches des Berufungsgerichtes über die Forderungen von S 10.098,--, S 10.476,--, S 12.005,-- und S 4.027,-- zurückgewiesen. Im Umfang der Anfechtung des Ausspruches des Berufungsgerichtes über die Forderungen von S 215.537,-- und S 41.637,-- wird dem Rekurs Folge gegeben, der angefochtene Beschluß insoweit aufgehoben und die erstgerichtliche Entscheidung wiederhergestellt, sodaß sie als Teilurteil zu lauten hat:

Das 'Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen S 257.174,-- samt 10 % Zinsen seit 28.5.1984 und 10 % Umsatzsteuer aus den Zinsen zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten'. Im übrigen wird dem Rekurs nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Über das Vermögen des Gemeinschuldners Gerhart C, Kaufmann, Wels, Schmidtgasse 23, wurde vom Kreisgericht Wels am 20.2.1984 der Ausgleich und am 27.4.1984 der Anschlußkonkurs eröffnet. Zum Ausgleichsverwalter und zum Masseverwalter wurde der Rechtsanwalt Dr.Viktor A.Straberger bestellt.

Der Kläger begehrt sein Anwaltshonorar von S 340.276,90 s.A. als Masseforderung. Er behauptet, den Gemeinschuldner in der Zeit von der Ausgleichseröffnung bis zur Eröffnung des Anschlußkonkurses rechtsfreundlich vertreten zu haben. Auch der Ausgleichsverwalter habe ihm in dieser Zeit mehrfach Aufträge erteilt, für ihnPbvw. für den Schuldner einzuschreiten. Er habe folgende Leistungen erbracht, für die ihm die jeweils nachgenannten Honorare zustünden:

1.) Verkaufsbemühungen für den PKW Rolls-Royce

S 10.098,--

2.) Vertretung im Verfahren 6 Cg

126/84 des LG Salzburg S 10.476,--

3.) Forderungsanmeldungen in

den Ausgleichsverfahren der

Firmen Dr. D und E S 29.691,90

4.) Vertretung im Verfahren

8 Cg 484/83 des KG Leoben S 16.679,--

5.) Vertretung im Verfahren

6 Cg 412/83 des LG Linz S 12.005,--

6.) Grundteilung Sattledt S 4.027,--

7.) Vertretung des Ausgleichs-

schuldners im Ausgleichver

fahren S 215.537,--

8.) Verteidigung des Aus-

gleichsschuldners im Straf-

verfahren 8 Vr 1912/81 des

KG Wels S 41.637,--.

Die beklagte Partei vertritt den Standpunkt, daß es sich bei dem Honoraranspruch des Klägers um keine Masseforderung handle, und begehrt die Abweisung der Klage.

Das Erstgericht schränkte die Verhandlung auf den Grund des Anspruchs ein und wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen sei der Kläger vor und während des Ausgleichsverfahrens als rechtsfreundlicher Vertreter des Ausgleichsschuldners tätig geworden. Er habe auch den Ausgleichsantrag eingebracht. Schon vor dem Ausgleichsverfahren und auch während des Verfahrens sei es zu Gesprächen zwischen ihm und dem zuständigen Richter gekommen, wobei über für den Ausgleich wesentliche Dinge, wie etwa die Person des Ausgleichsverwalters, gesprochen worden sei. über die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Vertretung des Ausgleichsschuldners im Ausgleichsverfahren sei hiebei nicht gesprochen worden, es habe jedoch 'stillschweigendes' Einvernehmen darüber bestanden, daß eine solche Vertretung zweckmäßig sei. Eine Zustimmung des Ausgleichsgerichtes zur Vertretung des Schuldners sei nicht erteilt worden. Es sei auch dem Ausgleichsverwalter keine Anweisung gegeben worden, den Kläger zu honorieren. Ein vom Kläger gestellter Antrag auf Gewährung eines Kostenvorschusses sei vom Ausgleichsgericht mit der Begründung abgewiesen worden, daß der Schuldnervertreter keinen Anspruch auf einen Kostenvorschuß habe.

Das Erstgericht war der Auffassung, daß es sich bei den Honoraransprüchen des Klägers um keine der im § 46 KO taxativ aufgezählten Masseforderungen handle. Insbesondere könne der Kläger auch nicht als Dritter im Sinne des § 30 Abs.4 AO angesehen werden. Der Kläger sei auch nie vom Ausgleichsverwalter für einzelne seiner Tätigkeiten herangezogen worden.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil wegen Ergänzungsbedürftigkeit der Entscheidungsgrundlagen unter Rechtskraftvorbehalt auf. Nach seiner Rechtsansicht könnten die Honoraransprüche des Klägers Masseforderungen sein, wenn sie aus Rechtshandlungen des Ausgleichsschuldners oder des für ihn handelnden Ausgleichsverwalters resultierten, die diesen nach der Ausgleichsordnung zur Fortführung des Unternehmens gestattet seien. Dem Vorbringen des Klägers könne nicht eindeutig entnommen werden, ob er seine Ansprüche aus solchen Rechtshandlungen ableite. Der Erstrichter werde daher nach § 182 Abs.1 ZPO vorzugehen und das Verfahren dann zu ergänzen haben.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs der beklagten Partei ist zum Teil unzulässig, im übrigen nur zum Teil berechtigt.

Mehrere von einer einzelnen Partei gegen eine einzelne Partei in einer Klage erhobene Ansprüche sind nur dann zusammenzurechnen, wenn sie in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen (§ 55 Abs.1 Z 1 JN). In rechtlichem Zusammenhang stehen Ansprüche dann, wenn sie aus einem einheitlichen Vertrag oder einer Gesetzesvorschrift abgeleitet werden. Ein tatsächlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Ansprüche aus demselben Klagssachverhalt abzuleiten sind. Dies ist dann der Fall, wenn das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, auch über die anderen geltend gemachten Ansprüche entscheiden zu können, ohne daß noch ein ergänzendes Sachvorbringen erforderlich wäre (Fasching I 344 f). Entgeltforderungen für auf Grund verschiedener Aufträge erbrachte, wenn auch im wesentlichen gleichartige Leistungen stehen nicht in einem solchen Zusammenhang und sind daher nicht zusammenzurechnen (SZ 43/185 ua). Dies gilt auch für Honoraransprüche eines Rechtsanwaltes für mehrere Leistungen, die - wie es die Regel sei - auf besonders erteilten Aufträgen beruhen (Wahle in Rsp.1929, 75; 5 Ob 664/81; 7 Ob 232/71). Daß dem Kläger aber eine generelle Vollmacht zur Besorgung aller rechtlichen Agenden des Ausgleichsschuldners oder zur Führung aller Prozesse erteilt worden wäre, wurde nicht behauptet. Der Kläger berief sich vielmehr auf laufend erteilte Aufträge.

Die geltend gemachten Honoraransprüche des Klägers sind daher für die Beurteilung der Rechtsmittelzulässigkeit nicht zusammenzurechnen, sondern müssen einzeln betrachtet werden (JBl.1980, 430 ua). Sie überschreiten jeweils für die unter den obgenannten Punkten 1.), 2.), 5.)und 6.) angeführten Leistungen den Schwellwert von S 15.000 nicht, sodaß ein Rekurs gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz nach § 528 Abs.1 Z 5 ZPO unzulässig ist. Gemäß § 519 Abs.3 ZPO darf das Berufungsgericht einen Rechtskraftvorbehalt nach Abs.1 Z 3 l.c. nur aussprechen, wenn der Rekurs nicht schon nach § 528 Abs.1 ZPO unstatthaft ist und es die Voraussetzungen des § 502 Abs.4 ZPO für gegeben erachtet. übersteigt daher der Wert des Beschwerdegegenstandes S 15.000 nicht, ist insoweit der Rechtskraftvorbehalt wirkungslos und kann einen nach § 528 ZPO unstatthaften Rekurs nicht zulässig machen (6 Ob 598/84 ua). Demgemäß ist der Rekurs im Umfang der Anfechtung des Ausspruches des Berufungsgerichtes über die unter den Punkten 1.), 2.), 5.) und

6.) der obgenannten Darstellung geltend gemachten Ansprüche unzulässig und zurückzuweisen.

Im übrigen war der Rechtskraftvorbehalt jedoch gerechtfertigt, weil im vorliegenden Fall mit Rücksicht auf den Zeitpunkt der Eröffnung des Ausgleichs- und des Anschlußkonkurses die Bestimmungen der Konkursordnung und der Ausgleichsordnung in der Fassung des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 1982,'Fassung 1984' anzuwenden sind (Jelinek, Insolvenzgesetze 2 , 13 f), und eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der Frage der Qualifikation von Honoraransprüchen eines Rechtsanwaltes für seine Leistungen auf Grund ihm zwischen der Eröffnung des Ausgleichs und der Eröffnung des Anschlußkonkurses erteilter Aufträge als Masseforderungen nach § 46 Abs.2 Z 1 KO fehlt.

Wird der Konkurs als Anschlußkonkurs eröffnet, so sind Masseforderungen unter anderem Forderungen aus Rechtshandlungen des Schuldners oder des für ihn handelnden Ausgleichsverwalters, die ihnen nach der Ausgleichsordnung zur Fortführung des Unternehmens gestattet sind (§ 46 Abs.2 Z 1 KO). Diese Bestimmung entspricht dem § 46 Abs.1 Z 2 zweiter Fall KO in der Fassung vor dem Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1982. Eine Änderung war durch den Gesetzgeber auch nicht beabsichtigt. Lediglich der veraltete Begriff des 'Geschäftes' wurde der heutigen übung entsprechend durch den Begriff 'Unternehmen' ersetzt (3 Blg.NR 15.GP, 28 und 47). Auch die Bestimmungen des § 8 der AO sind in dem hier maßgeblichen Teil der Verfügungsbeschränkungen des Schuldners unverändert geblieben, sodaß Lehre und Rechtsprechung zur bisherigen Rechtslage voll herangezogen werden können. Danach sind unter Rechtshandlungen nicht nur Rechtsgeschäfte,sondern auch andere Rechtshandlungen zu verstehen (Bartsch-Pollak 3 I, 279 f.; Lehmann I 385 f.). Um eine Forderung aus einer solchen Rechtshandlung als Geschäftsführungsforderung einzustufen, muß diese Rechtshandlung in der Zeit zwischen Ausgleichseröffnung und Eröffnung des Anschlußkonkurses vorgenommen worden sein. Es muß eine Rechtshandlung sein, die nach den Bestimmungen der Ausgleichsordnung gestattet und zur Fortführung des Unternehmens bestimmt ist. Ob eine Rechtshandlung gestattet ist, ist nach § 8 AO zu beurteilen (Bartsch-Pollak, aaO II 154 f.). Unter diesen Voraussetzungen können auch die Honoraransprüche des Rechtsanwaltes aus ihm erteilten Aufträgen im Anschlußkonkurs Masseforderungen sein (GH 1929, 63; aM Bartsch-Pollak, aaO, 155). Nach § 8 Abs.2 AO darf der Schuldner Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen, die zum gewöhnlichen Unternehmensbetrieb gehören, grundsätzlich frei vornehmen. Zu Rechtsgeschäften oder Rechtshandlungen, die nicht zum gewöhnlichen Unternehmensbetrieb gehören, sowie zu den im Abs.1 bezeichneten - hier jedoch nicht in Betracht kommenden - Rechtsgeschäften und Rechtshandlungen, selbst wenn sie zum gewöhnlichen Unternehmensbetrieb gehören, bedarf er der Zustimmung des Ausgleichsverwalters. Diese Zustimmung ist eine formlose, einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung an den Schuldner (Bartsch-Pollak, aaO, 134). Bei den Behauptungen im Rekurs, daß der Schuldner kein Unternehmen betrieben habe, da sein Vermögen hauptsächlich aus Liegenschaften und Firmenbeteiligungen bestanden habe, handelt es sich um eine derzeit noch unbeachtliche Neuerung. Es wird jedoch zu bedenken sein, daß mit der Ersetzung des Begriffes des Geschäftes durch jenen des Unternehmens in § 8 Abs.2 AO n.F. keine inhaltliche Änderung der vormaligen Regelung beabsichtigt wurde, sodaß auch unter dem Begriff des Unternehmens nicht nur der Betrieb eines Handels-, Gewerbe-oder sonstigen Unternehmens zu verstehen ist, sondern auch jede Erwerbsbeschäftigung, die den Abschluß und die Erfüllung von Rechtsgeschäften regelmäßig mit sich bringt und die als Quelle für den Lebensunterhalt des Schuldners und für die Befriedigung der Gläubiger auch während des Ausgleichsverfahrens erhalten werden soll (Bartsch-Pollak, aaO, 155). Ob ein Geschäft des gewöhnlichen Betriebes vorliegt, ist nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles, namentlich nach Art und Umfang des Betriebes, zu beurteilen. Geschäfte, die ihrer Art nach zum gewöhnlichen Betrieb gehören, können wegen ihres Umfanges außergewöhnlich sein (Bartsch-Pollak, aaO 131). Dies muß auch für Aufträge an einen Rechtsanwalt, insbesondere zur Prozeßführung gelten. Die Anmeldung von Forderungen in einem Ausgleichsverfahren wird jedoch regelmäßig dem gewöhnlichen Unternehmensbetrieb zuzuordnen sein (Bartsch-Pollak aaO).

Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, daß das Vorbringen des für das Vorliegen von Masseforderungen beweispflichtigen Klägers noch einer Präzisierung im Sinne der obigen Darlegungen bedarf. Die Auffassung der beklagten Partei, daß das Klagebegehren mangels einer solchen Präzisierung abzuweisen sei, kann nicht geteilt werden, weil bei bloß lückenhaftem Vorbringen auch im Anwaltsprozeß nach § 182 Abs.1 ZPO vorzugehen ist und eine Verletzung dieser Pflicht einen Aufhebungsgrund bildet (Fasching II 873; derselbe in LB Rdz 1041; 1 Ob 40/81 ua). Die Vertretung des Schuldners im Ausgleichsverfahren oder im Strafverfahren dient jedoch nicht der Fortführung des Unternehmens. Sie kann auch nicht dem Zweck der Unternehmensfortführung dienen, den Gläubigern Werte zu erhalten oder zu schaffen und die Fortführung des Unternehmens nicht an der Gefahr des Mißlingens des Ausgleichs scheitern zu lassen (vgl.Bartsch in AnwZ 1931, 122). Die Kosten der rechtsfreundlichen Vertretung des Schuldners im Ausgleichsverfahren und seiner Verteidigung im Strafverfahren sind daher im Anschlußkonkurs nicht als Masseforderungen zu behandeln (SZ IX 45).Die Honoraransprüche des Klägers für die Vertretung des Schuldners im Ausgleichsverfahren von S 215.537 und für die Verteidigung des Schuldners im Strafverfahren von S 41.637 sind deshalb im Sinne einer Abweisung zur Entscheidung reif. Insoweit war das Ersturteil als Teilurteil wiederherzustellen (§ 519 Abs.2 ZPO). Im übrigen war dem Rekurs ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs.1 und 2 ZPO.

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