OGH 1Ob593/85

OGH1Ob593/8528.8.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel (Vorsitz) und Hon.Prof. Dr. Petrasch sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Wurz und Dr. Hofmann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Axel A, Rechtsanwalt, Wien 1., Gonzagagasse 3, wider die beklagten Parteien 1.) Ovanes B KG., Wien 5., Straußengasse 20, vertreten durch Dr. Helga Musil, Rechtsanwalt in Wien, 2.) Ovanes B, Kaufmann, Wien 5., Straußengasse 20, vertreten durch Dr. Dieter Böhmdorfer, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 86.764,95 s. A. infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 22. März 1985, GZ. 3 R 23/85-20, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 14. November 1984, 34 Cg 125/84-14, aufgehoben wurde, folgenden Beschluß gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Rekursbeantwortung der zweitbeklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rekursverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Rekursbeantwortung der zweitbeklagten Partei sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger brachte am 11. Februar 1982 in Vertretung der erstbeklagten Partei beim Handelsgericht Wien zu 11 Cg 31/82 eine Klage gegen Heinz C, Kaufmann, Wien-Inzersdorf, auf Bezahlung des Betrages von S 572.104,12 s.A. ein. Vom Klagsbetrag entfallen S 213.580,-- auf verdiente Provisionen für die Vermittlung des Ankaufs von Obst und Gemüse aus Bulgarien. Ein weiterer Betrag von S 358.524,12 wurde gemäß § 24 HVG als Schadenersatz für durch vorzeitige unbegründete Auflösung des Handelsvertreterverhältnisses zum 6. Juli 1981 begehrt.

Der Kläger begehrt den Zuspruch des Betrages von S 86.764,95 s. A. als Honorar für Vertretungsleistungen, die er im Auftrag der erstbeklagten Partei, deren persönlich haftender Gesellschafter der Zweitbeklagte sei, im Verfahren 11 Cg 31/82 des Erstgerichtes erbracht habe.

Die beklagten Parteien beantragten Abweisung des Klagebegehrens und brachten vor, der Kläger sei für die erstbeklagte Partei vereinbarungsgemäß unentgeltlich tätig geworden. Er habe überdies durch Einklagung des Betrages von (ca.) S 570.000,-- statt richtig S 180.000,-- unnötig hohe Prozeßkosten verursacht und die Prozeßaussichten dadurch schuldhaft geschmälert, daß er nur Heinz C und nicht auch Elfriede C geklagt habe. Es wäre richtig gewesen, die Schadenersatzansprüche wegen Lösung des Handelsvertreterverhältnisses auf der Basis einer vierteljährlichen Kündigungsentschädigung geltend zu machen, wogegen der Kläger als Bemessungsgrundlage einen Zeitraum von zwölf Monaten herangezogen habe.

Der Erstrichter gab dem Klagebegehren unter Abweisung eines Zinsenteilbegehrens statt und stellte fest:

Der Inhalt der zu 11 Cg 31/82 des Erstgerichts überreichten Klage sei vom Kläger mit dem Zweitbeklagten, dem persönlich haftenden Gesellschafter der erstbeklagten Partei, besprochen worden. Der Kläger sei dabei von der ihm erteilten Information des Zweitbeklagten ausgegangen, wonach die erstbeklagte Partei als ständiger Einkaufsvermittler auf Provisionsbasis zunächst für Elfriede C und dann für den Geschäftsübernehmer Heinz C tätig gewesen sei. Am 6. Juli 1981 habe Heinz C das Vertragsverhältnis einseitig gelöst. Der Kläger habe den Zweitbeklagten darauf hingewiesen, daß möglicherweise die Provisionsansprüche nicht nur gegen Heinz C, sondern auch gegen Elfriede C geltend zu machen wären, daß dies aber wegen der Vermögenslosigkeit der Elfriede C nicht erfolgversprechend sei. Der Zweitbeklagte habe sich hiezu nicht geäußert, so daß die Klage nur gegen Heinz C erhoben worden sei. Zufolge aufgetretener Differenzen sei das Bevollmächtigungsverhältnis zwischen dem Kläger und der erstbeklagten Partei vom Kläger mit Schreiben vom 22. März 1984 gekündigt worden. Dem Kläger sei für seine Tätigkeit ein Kostenvorschuß von S 5.000,-- bezahlt worden. Der Klagsbetrag stelle die tarifmäßigen Kosten für die vom Kläger erbrachten Leistungen dar. Es sei nicht erweislich, daß der Kläger zugesagt habe, für die erstbeklagte Partei unentgeltlich tätig zu werden.

In rechtlicher Hinsicht führte der Erstrichter aus, der geltend gemachte Honoraranspruch stünde dem Kläger nur dann nicht zu, wenn er schuldhaft Vertretungshandlungen gesetzt hätte, die völlig wertlos und überflüssig gewesen wären. Nach der ihm vom Zweitbeklagten erteilten Information habe der Kläger davon ausgehen können, daß das Rechtsverhältnis der erstbeklagten Partei zu Heinz C dem Handelsvertretergesetz unterliege. Im Hinblick auf die vom Zweitbeklagten behauptete einseitige unbegründete Vertragsauflösung gebühre dem Handelsvertreter gemäß § 25 HVG eine angemessene Entschädigung in der Höhe einer Jahresprovision. Auf der Grundlage der vom Zweitbeklagten bekanntgegebenen Provisionshöhe habe der Kläger die Schadenersatzforderung richtig errechnet. Die Berechnung sei vom Zweitbeklagten der Höhe nach auch genehmigt worden. Ein allfälliger Anspruch der erstbeklagten Partei gegen Elfriede C auf Bezahlung von Provision wäre erst mit Jahresende 1984 verjährt, so daß die Unterlassung der Klagsführung gegen Elfriede C nicht schadenskausal gewesen sei.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der beklagten Partei Folge, hob es unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehalts auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung der Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht billigte die Tatsachenfeststellungen des Erstrichters. In rechtlicher Hinsicht erachtete es das Verfahren für ergänzungsbedürftig. Nach den dem Kläger erteilten Informationen sei die erstbeklagte Partei zunächst für Elfriede C und dann für Heinz C, der das Unternehmen der Elfriede C übernommen habe, als Einkaufsvermittlerin tätig gewesen. Heinz C habe diese Geschäftsbeziehung am 6. Juli 1981 einseitig aufgelöst. Gemäß § 24 HVG könne der Vertragspartner, wenn das Vertragsverhältnis vorzeitig gelöst werde, ohne daß hiefür ein wichtiger Grund vorliege, den Ersatz des ihm verursachten Schadens verlangen. Die Bestimmung des § 24 HVG gewähre dem Handelsvertreter allerdings nicht schlechthin Schadenersatz in der Höhe einer Jahresprovision. Bei vorzeitiger Auflösung eines auf bestimmte Zeit eingegangenen Handelsvertreterverhältnisses gebühre Schadenersatz nach Maßgabe des Provisionsanspruchs für die noch nicht abgelaufene Vertragszeit. Wenn ein auf unbestimmte Zeit eingegangenes Vertragsverhältnis vorzeitig gelöst wird, könne nur die vereinbarte oder gemäß § 19 Abs. 2 HVG vorgesehene Kündigungsfrist für die Berechnung des Schadenersatzanspruchs maßgeblich sein. Eine Kündigungsfrist in der Dauer eines Jahres sei im Gesetz nicht vorgesehen, könnte allerdings zwischen den Vertragsparteien vereinbart worden sein. Mit dem Vorbringen, es wäre richtig gewesen, die Schadenersatzansprüche auf der Basis einer vierteljährigen Kündigungsentschädigung geltend zu machen, hätten die beklagten Parteien mit hinlänglicher Deutlichkeit behauptet, daß der Entschädigungsanspruch auf der Basis des Provisionsentgangs für drei Monate zu berechnen gewesen wäre. Feststellungen darüber, welche Informationen der Zweitbeklagte dem Kläger über die vereinbarte Dauer des Vertragsverhältnisses bzw. Kündigungsmöglichkeit erteilt habe, fehlten. Die Genehmigung des Entwurfs der Klage durch den Zweitbeklagten, auf den sich der Kläger auch gar nicht förmlich berufen habe, sei nur dann geeignet, die Folgen einer allfälligen überklagung auszuschließen, wenn der Zweitbeklagte ungeachtet einer ihm erteilten, dem Gesetz entsprechenden Rechtsbelehrung auf Einklagung des Schadenersatzbetrages auf der Basis einer Jahresprovision bestanden hätte. Wäre der Schadenersatzanspruch nur auf der Basis des Provisionsentgangs für drei Monate zu erheben gewesen, stünde dem Kläger auch nur ein Honoraranspruch auf der Basis des auf solche Art zu ermittelnden Streitwertes zu.

Rechtliche Beurteilung

Dem gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes erhobenen Rekurs des Klägers kommt Berechtigung nicht zu.

Der Kläger macht geltend, ein hinlänglich bestimmtes Prozeßvorbringen der beklagten Parteien, wonach die Kündigung des Vertrages der erstbeklagten Partei mit Heinz C unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten habe erfolgen können, sei nicht erstattet worden. Das Fehlen eines Prozeßvorbringens mit einem relevanten Mindestinhalt löse nicht die Prozeßleitungspflicht des Richters aus. Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß die beklagten Parteien vorgebracht haben (S 31 d. A.), es wäre richtig gewesen, die Schadenersatzansprüche auf der Basis einer vierteljährigen Kündigungsentschädigung geltend zu machen und nicht einen Zeitraum von zwölf Monaten als Bemessungsgrundlage zu wählen. Im Hinblick auf dieses Prozeßvorbringen wäre es dem Erstrichter oblegen, die beklagten Parteien zu einer Ergänzung des Vorbringens in der Richtung anzuhalten, aus welchen Gründen dies richtig gewesen wäre. Auch im Anwaltsprozeß obliegt dem Richter die Verpflichtung darauf hinzuwirken, daß alle entscheidungserheblichen Behauptungen gemacht, unvollständige Angaben vervollständigt, entsprechende Beweisanbote gestellt und alle zur wahrheitsgemäßen Feststellung des Tatbestandes erforderlichen Aufschlüsse gegeben werden (JBl. 1978, 545; JBl. 1972, 480 u.a.; Fasching, Lehr- und Handbuch Rz 655). Das Vorbringen der beklagen Parteien könnte dahin zu verstehen sein, daß die Kündigung des Vertragsverhältnisses unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten zulässig war und somit auch Schadenersatzansprüche nur auf der Basis eines Provisionsentganges für drei Monate zu erheben gewesen wären. Nach Lehre und Rechtsprechung gebührt dem Handelsvertreter bei unberechtigter vorzeitiger Lösung des Vertragsverhältnisses Schadenersatz nur für den Zeitraum, der zwischen der vorzeitigen Lösung und jenem Zeitpunkt liegt, zu dem das auf unbestimmte Zeit eingegangene Vertragsverhältnis durch Kündigung im Sinne des § 19 Abs. 2 HVG aufgelöst werden konnte (8 Ob 555/78, veröffentlicht in Bacovsky,

Der selbständige Handelsvertreter 123; vgl. weiters Duden, Das Recht der Handelsvertreter 8 Anm. 4 zu § 89 a HGB;

Schlegelberger-Schröder HGB 5 Rz 25 zu § 89 a). Hätte der Kläger den wegen unberechtigter vorzeitiger Vertragsauflösung erhobenen Schadenersatzanspruch entgegen dieser einhelligen Lehre und Rechtsprechung auf der Grundlage einer Jahresprovision ermittelt, wäre ihm insoferne ein von ihm zu vertretender Kunstfehler unterlaufen. Die Behauptung des Klägers der im Verfahren 11 Cg 31/82 des Erstgerichts erhobenen Anspruchs sei nicht auf § 24 HVG, sondern auf § 25 HVG gegründet, welche Bestimmung eine Entschädigung bis zur Höhe einer Jahresprovision vorsehe, steht mit dem Inhalt des Aktes 11 Cg 31/82 des Erstgerichtes im Widerspruch.

Die Genehmigung des Inhalts der Klage durch den Zweitbeklagten könnte der Kläger, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, nur dann entlasten, wenn ihm eine zutreffende Rechtsbelehrung erteilt worden wäre und er dennoch auf Einklagung eines Schadenersatzbetrags, berechnet auf der Basis der Jahresprovision, bestanden hätte.

Demzufolge ist dem Rekurs der Erfolg zu versagen.

Die von der zweitbeklagten Partei erstattete Rekursbeantwortung ist verspätet und zurückzuweisen. Die Rechtsmittelschrift des Klägers wurde dem Vertreter der zweitbeklagten Partei am 17. Mai 1985 zugestellt, so daß die Frist zur Erstattung der Rekursbeantwortung am 14. Juni 1985 endete. Die an diesem Tage abgefaßte und daher frühestens an diesem Tag zur Post gegebene Rekursbeantwortung war versehentlich an das Landesgericht für ZRS Wien adressiert, wo sie am 17. Juni 1985 einlangte. In einem solchen Fall ist die Frist nur dann gewahrt, wenn der Schriftsatz noch innerhalb der Rechtsmittelfrist beim zuständigen Gericht einlangt (SZ 24/10; Fasching, Kommentar II 672), was hier nicht zutrifft. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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