OGH 7Ob624/84

OGH7Ob624/8430.7.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Petrasch, sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*****, vertreten durch Dr. Erich Kadlec, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei T*****, vertreten durch Dr. Peter Karl Wolf, Rechtsanwalt in Wien, wegen 43.342.573,54 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 10. Mai 1984, GZ 3 R 64/84‑16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Teilurteil des Handelsgerichts Wien vom 16. Jänner 1984, GZ 19 Cg 36/83‑11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1985:0070OB00624.840.0730.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird ebenso wie das Ersturteil aufgehoben und die Rechtssache zur weiteren Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Die klagende Partei begehrt aufgrund einer Abrechnungsvereinbarung vom 7. 1. und 23. 2. 1983 nach Teilzahlung von 50 Mio S und einer einverständlichen Betragskorrektur die Zahlung der Restschuld in der Höhe des Klagsbetrags.

Die beklagte Partei stellte die Klageforderung der Höhe nach außer Streit, machte aber einerseits ein Zurückbehaltungsrecht wegen Nichterfüllung von Gegenverpflichtungen der klagenden Partei aus der Abrechnungsvereinbarung und andererseits den Klagsbetrag überschreitende Gegenforderungen geltend, die ihr aus einem Mietverhältnis zediert worden seien, das auf Seite des Bestandnehmers auf die klagende Partei übergegangen sei.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei mit Teilurteil schuldig, der klagenden Partei die Klageforderung mit gesetzlichen Zinsen zu bezahlen. Es stellte bloß das umfangreiche beiderseitige Parteienvorbringen dar und vertrat die Rechtsansicht, dass die Einwendungen der beklagten Partei einer Entscheidung über die unbestrittene Klageforderung nicht entgegenstünden, weil die behauptete Vereinbarung der Klage‑ und Schadloshaltung die Zurückbehaltung der unbedingt versprochenen eigenen Leistung nicht rechtfertige, solange die abzuwehrenden Ansprüche Dritter nicht einmal erhoben wurden, und die nur im Wege der Kompensationseinrede erhobenen Gegenforderungen mit der Klageforderung nicht im rechtlichen Zusammenhang stünden.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es trat unter Hinweis auf den Inhalt verschiedener Urkunden der Rechtsansicht des Erstgerichts bei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist berechtigt.

Die behaupteten Mängel des Berufungverfahrens liegen allerdings nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO; ergänzende Feststellungen hat das Berufungsgericht nicht getroffen, sondern bloß den als unbestritten angesehenen Sachverhalt wiedergegeben).

Bei der Überprüfung der rechtlichen Beurteilung der Sache durch das Berufungsgericht ist davon auszugehen, dass keinerlei Tatsachenfeststellungen vorliegen. Das Teilurteil über die Klageforderung könnte demnach nur dann aufrecht erhalten werden, wenn alle Einwendungen der beklagten Partei unschlüssig wären oder höchstens Gegenforderungen beträfen, die mit der Klageforderung nicht im rechtlichen Zusammenhang stehen (§ 391 Abs 3 ZPO), oder wenn sich eine solche Unschlüssigkeit wenigstens aus dem unbestrittenen Inhalt als echt anerkannter Urkunden ergäbe. Dieser Fall liegt jedoch nicht vor:

Zu Unrecht beruft sich die Revisionswerberin allerdings darauf, dass die Erlassung des Teilurteils schon deshalb unzulässig gewesen sei, weil sie schon vor dem Rechtsstreit eine Aufrechnung nach materiellem Recht vorgenommen habe. Sie hat sich nämlich auf das in der Revision bezogene Schreiben Beilage M vom 4. 3. 1983, das die Revisionsgegnerin mit anderen Urkunden und in einem anderen Zusammenhang vorgelegt hat, in erster Instanz nicht berufen. Im Prozess selbst hat die beklagte Partei dann aber nur unspezifisch vorgebracht, dass Gegenforderungen bestünden, die dem Klageanspruch aufrechnungsweise entgegengehalten werden (so schon Klagebeantwortung S 9). Der einzigen Andeutung einer außergerichtlichen Aufrechnung im Einleitungssatz des Punktes 5.1 des Schriftsatzes ON 6 kommt schon deshalb keine entscheidende Bedeutung zu, weil zwar eine materiell‑rechtliche Aufrechnung auch im Rechtsstreit möglich ist, ihr Wesen aber darin besteht, dass sie unbedingt und ohne Rücksicht auf den Bestand der Hauptforderung erklärt wird. Sie setzt die Anerkennung der Hauptforderung voraus und stellt ihr nur die Gegenbehauptung entgegen, dass diese wegen Schuldtilgung nicht mehr bestehe. Nur die prozessuale Aufrechnungserklärung wird bedingt für den Fall abgegeben, dass das Gericht den Bestand der Hauptforderung bejaht (SZ 50/35 uva). Der gegenteiligen Ansicht von Rummel , ABGB, Rz 12 zu § 1438) kann nicht gefolgt werden. Bei der außergerichtlichen Aufrechnungserklärung handelt es sich nach heutiger Auffassung um die Ausübung eines Gestaltungsrechts (so auch Rummel aaO). Einseitige Rechtsgestaltungserklärungen sind aber nach herrschender Ansicht bedingungsfeindlich, wenn die berechtigten Interessen des Partners die sofortige Klarstellung fordern ( Koziol‑Welser , Grundriss 6 I 128). Letzteres ist hier zu bejahen, weil die schuldtilgende Wirkung einer Kompensationserklärung nicht nach dem Belieben des Schuldners in Schwebe gelassen werden kann. Der Gläubiger, gegen dessen Forderung kompensiert wird, muss im Vertrauen darauf gestützt werden, dass das Erlöschen beider Forderungen infolge der erklärten Aufrechnung nur noch vom Vorliegen der gesetzlichen Aufrechnungsvoraussetzungen abhängt.

Auch auf die Unsicherheitseinrede nach § 1052 zweiter Fall ABGB kann das von der beklagten Partei behauptete „Zurückbehaltungsrecht“ nicht gestützt werden. Die bloße Behauptung, die klagende Partei habe einen Konkursantrag beabsichtigt, ist allein durch den zwischenweiligen Zeitablauf gegenstandslos geworden. Aber auch eine Verschlechterung der Vermögensverhältnisse, wodurch die vereinbarte Gegenleistung gefährdet wäre, hat die Revisionswerberin mit dem bloßen Vorbringen, die klagende Partei sei immer noch überschuldet, nicht schlüssig behauptet. Sie hat einerseits eine Aufstockung des Stammkapitals der klagenden Partei Ende Dezember 1982 um 30 Mio S zugestanden, ohne zu behaupten, dass diese Kapitalaufstockung nicht effektuiert worden sei; eine eigene Teilzahlung von 50 Mio S steht darüber hinaus außer Streit. Das Nichtzustandekommen einer erhofften Fusion mit einem anderen Unternehmen stellt aber keine Vermögensverschlechterung dar.

Zutreffend hat schließlich das Berufungsgericht ausgeführt, dass durch die Zession einer Gegenforderung ein Zusammenhang mit der Hauptforderung nur „künstlich“ hergestellt wird und deshalb für den rechtlichen Zusammenhang nicht ausreicht, der allein der Erlassung eines Teilurteils im Wege stünde ( Fasching , Komm III 582 f; SZ 22/50). Ein dingliches Zurückbehaltungsrecht im Sinne des § 471 ABGB oder der §§ 368 ff HGB hat die beklagte Partei nicht einmal behauptet und es scheidet ein solches Zurückbehaltungsrecht an geschuldetem Geld von vorneherein aus (HS 203 ua).

Mit Recht verweist die Revisionswerberin aber darauf, dass sie sich schon in erster Instanz nicht nur auf die Zession von Mietzinsforderungen eines Dritten berufen, sondern überdies vorgebracht hat, kraft ausdrücklicher Parteienvereinbarung habe die klagende Partei in der dem Klagebegehren zugrundeliegenden Vereinbarung die Gegenverpflichtung zur Befreiung von allen mit der Entflechtung der Unternehmen zusammenhängenden Schulden übernommen, wozu auch die Einhaltung der Miet‑ und Leasingverträge gehöre (S 37 f 71 f). Damit hat die Revisionswerberin entgegen der Ansicht der Vorinstanzen schlüssig vorgebracht, dass die Klageforderung und die eingewendeten Gegenforderungen aus einem einheitlichen Vertrag abgeleitet werden und demnach (JBl 1980, 548 uva) im rechtlichen Zusammenhang stehen. Die Revisionswerberin hat weiters auch die Verletzung anderer Schuldübernahmeverpflichtungen durch die klagende Partei behauptet. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen geht es also nicht bloß darum, dass Mietzinsforderungen zediert wurden, sondern um die Richtigkeit der Behauptung betreffend die Übernahme und Nichteinhaltung bestimmter Gegenverpflichtungen der klagenden Partei. Auch der Umstand, dass zwei ausländische Gläubiger die beklagte Partei noch nicht in Anspruch genommen haben, trifft nur einen Teil dieser behaupteten Gegenverpflichtungen. Die Erlassung eines Teilurteils setzt somit die Prüfung der als schlüssig anzuerkennenden Einwendung der beklagten Partei voraus, dass die Leistungspflicht der beklagten Partei im Abfindungsvertrag von nicht erfüllten Gegenleistungen der klagenden Partei abhängig gemacht wurde.

Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

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