OGH 10Os25/85

OGH10Os25/8530.7.1985

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.Juli 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schrott als Schriftführer, in der Strafsache gegen Helga A wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 148 erster Fall StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28.August 1984, GZ. 2 a Vr 4646/84-17, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Berufung wegen Schuld wird zurückgewiesen.

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Strafsache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Darauf wird die Angeklagte mit ihrer Berufung (wegen Strafe) verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem bekämpften Urteil wurde die Angeklagte Helga A des Verbrechens des gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 148 erster Fall StGB. schuldig erkannt, weil sie - nach dem Inhalt des erstgerichtlichen Urteilstenors - in Wien im Jahr 1983 bis Ende November 1983 in mehrfachen Tathandlungen in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Maria B durch Täuschung über die Höhe der von dieser als Serviererin eingenommenen Beträge zu Handlungen, nämlich zur Ausfolgung höherer als der tatsächlich vereinnahmten Erlöse - abzüglich des vereinbarten

'Lohnes' - verleitete, die diese an ihrem Vermögen in einem näher nicht mehr bestimmbaren, 5.000 S nicht übersteigenden Betrage schädigten.

Die Angeklagte erhebt gegen dieses Urteil eine auf die Z. 4, 5, 9 (zu ergänzen: lit. a) und 10 des § 281 Abs. 1 StPO. gestützte Nichtigkeitsbeschwerde, eine Berufung wegen Schuld (in deren Rahmen eine Wiederholung und Ergänzung des Beweisverfahrens durch das Rechtsmittelgericht beantragt wird) sowie eine Berufung wegen Strafe.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung wegen Schuld war zurückzuweisen, weil ein derartiges Rechtsmittel gegen schöffengerichtliche Urteile in der Strafprozeßordnung ebensowenig vorgesehen ist wie die Möglichkeit einer Beweiswiederholung vor dem Obersten Gerichtshof zur Schuldfrage.

Wiewohl die Verfahrensrüge der Angeklagten mangels einer Legitimation hiezu unbeachtlich ist (unerledigt gebliebene Beweisanträge wurden in der gemäß § 276 a StPO. neu durchgeführten, mit der Fällung des angefochtenen Urteils beendeten Hauptverhandlung nicht gestellt) und ihre Rechtsrüge zur Gänze nicht gesetzmäßig ausgeführt ist, weil sie nicht von dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt ausgeht und diesen mit dem Gesetz vergleicht, sondern diesen durch einen von ihr angenommenen anderen Sachverhalt ersetzt, und obgleich weite Strecken in den Ausführungen der Mängelrüge der - von zahlreichen Rechtschreib- und Diktatfehlern durchsetzten und zum Teil in ihrer sprachlichen Diktion überhaupt unverständlich bleibenden - Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten nach Inhalt und Zielsetzung wieder nichts anderes darstellen als eine unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung des Erstgerichtes nach Art einer Schuldberufung und somit insoweit keine Begründungsmängel aufzeigen, kann ihr in einem Punkt (der Mängelrüge) Berechtigung nicht versagt werden.

Das Erstgericht stellte fest, daß nur die Angeklagte im Besitz des sogenannten 'Z-Schlüssels' war, mit dem allein eine Summierung aller in die Kasse (oder Rechenmaschine) eingetippten Beträge (über verkaufte Speisen und Getränke) möglich war, wogegen die beiden Servieberinnen B und C bloß über einen 'X-Schlüssel' verfügten, der es nur ermöglichte, Zwischensummen zu ziehen (S. 121). Das Erstgericht leitete hieraus ersichtlich ab, daß es (nur) die Angeklagte gewesen sein konnte, die vor Beginn von Arbeitstagen Beträge von 100 oder 150 S in den Tippstreifen eingegeben hatte, weil den Serviererinnen diese (unzutreffende) Eingabe bei einem Abruf mit dem 'X-Schlüssel' verborgen geblieben wäre und die Angeklagte keine Entdeckung durch die Serviererinnen zu befürchten hatte (wenn nicht - als ungewähnlicher und somit kaum zu erwartender Vorgang - der Apparat geöffnet und der gesamte Tippstreifen herausgenommen worden wäre).

Bei dieser für die erstgerichtliche Beweiswürdigung augenscheinlich entscheidungswesentlichen Konstatierung, daß sich die Angeklagte allein im Besitz des 'Z-Schlüssels' befand, überging das Erstgericht jedoch, was die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten - insofern zutreffend - moniert, ein dieser Tatsachenfeststellung entgegenstehendes Beweisergebnis mit Stillschweigen: Der Zeuge D gab nämlich hiezu an, daß sowohl der 'Z-Schlüssel' als auch der 'X-Schlüssel' im Lokal in einem Glas verwahrt war (S. 111).

Wohl beschäftigte sich das Erstgericht - mit denkmöglicher Argumentation - damit, daß der Zeugin B wegen des sich für sie ergebenden finanziellen Nachteils nicht zugesonnen werden könne, sie hätte tatsächlich nicht vereinnahmte Beträge eingetippt (S. 126/127), doch schloß es mit dieser Argumentation nicht die unter der Voraussetzung des Zutreffens der Bekundung des Zeugen D im Raum bleibende Möglichkeit aus, eine dritte Person könnte einen derartigen Vorgang getätigt haben; diese Möglichkeit ist vorliegend nicht bloß abstrakter Art, denn nach einem - bisher allerdings auch unerörtert gebliebenen - Vorbringen im Verfahren hätte die Angeklagte selbst erklärt, es könne sein, ihr Lebensgefährte 'Peter' (offenbar der Zeuge Peter D) habe 'diese runden Beträge eingetippt' (Aussagen des Zeugen E S. 24 und 69).

Da das Erstgericht somit nicht darlegte, wie es bei seiner Konstatierung einer ausschließlichen Verfügungsgewalt der Angeklagten über den sogenannten 'Z-Schlüssel' über die erwähnte Aussage des Zeugen D hinwegkam (mit dessen Aussage beschäftigte sich nur in einem anderen Zusammenhang - S. 128), leidet das erstgerichtliche Urteil insoweit an einem Mangel im Sinn der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO.

Aus diesem Umstand ist eine Aufhebung des erstgerichtlichen Urteiles und die Anordnung der Verfahrenserneuerung gemäß § 285 e StPO. bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung erforderlich, ohne daß es notwendig wäre, auf die

weiteren - allerdings nach der bisherigen Verfahrenslage durchwegs nicht zielführenden - Ausführungen der Nichtigkeitsbeschwerde näher einzugehen.

Mit ihrer Berufung wegen Strafe war die Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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