European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00546.85.0711.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
Mit Beschluß vom 15. 2. 1984, ON 40, traf das Erstgericht folgende Verfügungen:
1.) Das Nachlaßhauptinventar mit einem Reinnachlaß von S 386.308,91 wurde zu Gericht angenommen.
2.) Die Erfüllung des erblasserischen Kodizills vom 15. 9. 1981 wurde für ausgewiesen erkannt.
3.) Der Nachlaß wurde eingeantwortet und die Verlassenschaftsabhandlung mit Rechtskraft der Einantwortungsurkunde für beendet erklärt.
4.) Die Österreichische Postsparkasse und die Raiffeisenbank Wien wurden über die Verfügungsberechtigung des Gerichtskommissärs Dr. Helmut P* über angeführte Konten benachrichtigt, der Schweizerische Bankverein über die Verfügungsberechtigung der erblasserischen Nichten Erika‑Regina K* und Erika‑Godela P* über ein gleichfalls angeführtes Konto.
6.) Forderungsanmeldungen der N*, der MA 6, der Maria Z*, der erblasserischen Nichte Erika‑Godela P* und des Finanzamtes für den 2., 20., 21. und 22. Bezirk wurden zur Kenntnis genommen.
7.) Die Gebühren des Gerichtskommissärs Dr. Helmut P* wurde mit S 27.855,‑‑, die Gebühr des gerichtlich beeideten Sachverständigen Heinrich B* mit S 1.645,‑‑ bestimmt.
8.) Der Gerichtskommissär Dr. Helmut P* wurde abhandlungsbehördlich ermächtigt, nach Rechtskraft des Beschlusses aus dem bei ihm erliegenden Nachlaß die unter Punkt 6 a bis d angeführten Forderungen sowie die Verfahrenskosten zu berichtigen, den unter Punkt 6 bekannt gegebenen Abgabenrückstand auszuzahlen und für die zu erwartende Erbschaftssteuer eine Rücklage zu bilden sowie den verbleibenden Restbetrag an die Erben entsprechend den Erbquoten zur Auszahlung zu bringen.
9.) Der Gerichtskommissär Dr. Helmut P* wurde ermächtigt, sämtliche bei ihm erliegenden Schlüssel mit Rechtskraft des Beschlusses an die erblasserische Nichte Erika‑Godela P* auszuhändigen.
10.) Der Akt wurde dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuern Wien zur Einsichtnahme vorgelegt.
Mit Einantwortungsurkunde vom 15. 2. 1984, ON 41, hat das Erstgericht den Nachlaß der erblasserischen Nichte Erika‑Regina K*, dem erblasserischen Neffen Ernst‑Tassilo D*, der erblasserischen Nichte Erika‑Godela P* und dem erblasserischen Neffen Ernst‑Wedigo D* zu je einem Viertel eingeantwortet, sowie folgende Grundbuchseintragungen verfügt:
Ob der in den Nachlaß gehörigen Liegenschaft EZ * des Grundbuches der Kat.Gem. S* die Einverleibung des Eigentumsrechtes für Erika‑Godela P* und ob der in den Nachlaß gehörigen Liegenschaft EZ * des Grundbuches der KG G* die Einverleibung des Eigentumsrechtes für Ernst‑Wedigo D*. In der Einantwortungsurkunde ON 41 hieß es:
„Der Nachlaß nach dem am 17. 7. 1982 mit Hinterlassung von ungültigen letztwilligen Anordnungen je vom 20. 3. 1979, 11. 8. 1981 und 15. 9. 1981 verstorbenen ... Helmut K* wird den nachgenannten Erben, deren auf Grund des Gesetzes abgegebene bedingte Erbserklärung zu Gericht angenommen wurden, und zwar: (Es folgen die Namen der vier gesetzlichen Erben) eingeantwortet.“
Mit Beschluß vom 15. 5. 1984, ON 49, berichtigte das Erstgericht die Einantwortungsurkunde ON 41 dahin, daß auf die erfolgte Annahme der bedingten Erbserklärungen von Erika‑Regina K* und Ernst‑Tassilo D* sowie der unbedingten Erbserklärungen von Erika‑Godela P* und Ernst‑Wedigo D* verwiesen wurde.
Mit Beschluß vom 3. 7. 1984, ON 51, berichtigte das Erstgericht die Einantwortungsurkunde ON 49 zusätzlich dahin, daß das Wort „ungültig“ durch „formgültig“ ersetzt wurde, sodaß der diesbezügliche Satz zu lauten hat: „Der Nachlaß nach dem am 17. 7. 1982 mit Hinterlassung von formgültigen letzten Anordnungen ...“
Das Rekursgericht wies den den Rekurs der erblasserischen Nichte Erika‑Regina K* gegen den Beschluß des Erstgerichtes vom 15. 5. 1984, ON 49, zurück und gab deren weiteren Rekursen gegen die Beschlüsse vom 15. 2. 1984, ON 40 und 41, sowie vom 3. 7. 1984, ON 53, nicht Folge, bestätigte also die letztgenannten Beschlüsse des Erstgerichtes.
Gegen „den Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz“ richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der erblasserischen Nichte Erika‑Regina K* mit dem Antrag, die vorinstanzlichen Beschlüsse dahin abzuändern, „daß die Liegenschaften EZ * KG S* und EZ * KG G* mit ihrem noch zu ermittelnden Verkehrswert in die Verlassenschaft hineinzurechnen sind und im übrigen die Vermächtnisse als Hineinvermächtnisse und nicht als Vorausvermächtnisse zu sehen sind, somit vom gesamten Nachlaß, inklusive Liegenschaft mit ihrem Verkehrswert die Erbquoten zu berechnen sind und die beiden Legate in die jeweilige Erbquote hineinzurechnen sind.“
Der Übersicht halber ist vorweg festzuhalten, daß der Beschluß des Rekursgerichtes, soweit er die Zurückweisung des Rekurses ON 52 gegen den Beschluß des Erstgerichtes ON 49 zum Gegenstand hatte aber auch soweit dem Rekurs ON 53 gegen den Beschluß ON 51 nicht Folge gegeben wurde, hier nicht mehr Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist. Im übrigen begründete das Rekursgericht seine die erstgerichtlichen Beschlüsse vom 15. 2. 1984, ON 40 und 46, bestätigenden ‑ hier nach Anfechtungserklärung, Rekursantrag und inhaltlichen Ausführungen allein noch strittigen Entscheidungen ‑ wie folgt:
Zunächst sei der unsubstanziierten Behauptung der (Revisions‑)Rekurswerberin entgegenzutreten, daß die Schriftzüge des Verstorbenen im Kodizill vom 15. 9. 1981 von den sonstigen Schriftzügen abweichen. Gegen dessen Formgültigkeit bestünden keine Bedenken. Im übrigen sei zu bedenken, daß es sich bei den beiden im Kodizill vom 15. 9. 1981 bedachten Personen um zwei von insgesamt vier Geschwistern handelt, welche die einzigen Erben sind; demgemäß lasse das Fehlen jedes Hinweises auf die beiden anderen Erben und das Fehlen jedes Hinweises auf die Erbeneigenschaft der beiden Bedachten nur den Schluß auf eine Begünstigungsabsicht des Erblassers zu, weshalb die Rechtsansicht des Erstgerichtes, es handle sich bei dem Kodizill vom 15. 9. 1981 um ein Vorausvermächtnis, als zutreffend erachtet werde. Da schließlich keiner der Erben, auch nicht die Rekurswerberin, eine Schätzung der Liegenschaften zum Zwecke der Abhandlung beantragten, habe das Erstgericht gemäß § 102 Abs. 2 AußStrG davon mit Recht Abstand nehmen können.
In dem außerordentlichen Revisionsrekurs wendet sich die erblasserische Nichte Erika‑Regina K* nicht mehr dagegen, daß das Kodizill vom 15. 9. 1981 gültig sei. Sie behauptet unter dem Rekursgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit lediglich; daß es sich hiebei nicht um ein Vorausvermächtnis handelte, weil eine Begünstigungsabsicht des Erblassers den beiden Bedachten gegenüber bestanden habe. Wären die Liegenschaften geschätzt worden, hätte sich herausgestellt, daß das Kodizill bloß ein sogenanntes „Hineinvermächtnis“ war.
Rechtliche Beurteilung
Die Auffassung der Vorinstanzen, daß es sich bei dem im Kodizill vom 15. 9. 1981 angeordneten Legat um ein „Vorausvermächtnis“ und nicht um ein sogenanntes „Hineinvermächtnis“ handelt, begründet entgegen der Meinung der Rechtsmittelwerberin jedoch keine offenbare Gesetzwidrigkeit. Eine solche liegt nur dann vor, wenn ein Fall im Gesetz selbst ausdrücklich und so klar geregelt ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit in Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (SZ 39/103; SZ 24/6; 4 Ob 554/83 u.z.a.). Ob im Einzelfall aufgrund der Erforschung der Absicht des Erblassers anzunehmen ist, daß dieser zwei von mehreren als Miterben in Betracht kommenden Personen begünstigen wollte und ob daraus das Vorliegen eines Vorausvermächtnisses abzuleiten ist, ist jedoch eine reine Auslegungsfrage. Das Rekursgericht löste sie dahin, daß es eine eindeutige Begünstigungsabsicht des Erblassers annahm und daraus im Sinne des § 648 ABGB und der dazu ergangenen bisherigen Lehrmeinungen (Eigner, Einzelzuwendungen an die Erben, NZ 1980, 142; Welser in Rummel § 648 RdZ 3 und 5) das Vorliegen eines Vorausvermächtnisses ableitete. Bildet aber eine Auslegungsfrage die Grundlage für eine Gesetzwidrigkeitsrüge im Sinne des § 16 AußStrG, genügt es nicht, Argumente vorzutragen, die eine andere Auslegungsmöglichkeit aufzeigen sollen, es müßte vielmehr dargetan werden, daß jene Auslegung die das Rekursgericht vorgenommen hat, bestehenden Auslegungsregeln widerspricht, unlogisch oder mit den Sprachregeln unvereinbar wäre (1 Ob 55/67; 6 Ob 4/71; 6 Ob 116/75; 1 Ob 745/83; 2 Ob 592/84 u.v.a.).
Soweit die Rechtsmittelwerberin zur Unterstützung eines gegenteiligen Standpunktes darauf verweist, daß eine Schätzung der Liegenschaften das Vorliegen eines Hineinvermächtnisses ergeben hätte, übersieht sie, daß sie eine solche nicht beantragt hat. Davon abgesehen könnten gemäß § 16 AußStrG nur Verfahrensmängel vom Range einer Nullität zu tragen kommen, was aber hier schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil die Rechtsmittelwerberin mit der Schätzung offensichtlich nur ein weiteres Indiz für die Richtigkeit ihrer von den Vorinstanzen nicht geteilten Argumentation erreichen wollte, wonach der Erblasser die beiden Legatare nicht begünstigte.
Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.
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