OGH 4Ob514/85

OGH4Ob514/859.7.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl, Dr.Kuderna, Dr.Vogel und Dr.Gamerith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien Walter und Maria A, Arbeiter und Hausfrau, beide Neumarkt, Lest 25 und vertreten durch DDr. Gunter Peyrl, Rechtsanwalt in Freistadt, wider die beklagte Partei Erna B, Pensionistin, Neumarkt, Lest 21, vertreten durch Dr.Peter Wagner, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unterlassung (Streitwert 30.000 S), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 30.Jänner 1985, GZ 14 R 92/84-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Freistadt vom 12. April 1984, GZ 2 Cg 466/83-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die Kläger sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Beklagten die mit 11.242,54 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (davon 1.000,24 S Umsatzsteuer und keine Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte hat auf Grund des Vergleiches vom 1. März 1983 das Recht, mit Fahrzeugen aller Art bis zu 2,5 m Breite über das Grundstück der Kläger Nr. 852/4 der EZ 85 KG Pernau zu ihrer Liegenschaft EZ 86 KG Pernau zu fahren. Ein Recht, auf dem Grundstück der Kläger zu halten oder dort Ladetätigkeiten durchzuführen, steht der Beklagten nicht zu. Am 30. November 1983 wurden der Beklagten von der Fa. C Möbel zugestellt. Die Zusteller versuchten, über das Grundstück 852/4 der Kläger zur Liegenschaft der Beklagten zu fahren, was aber wegen des hohen Aufbaues des Möbelwagens nicht gelang.

Die Kläger begehren, die Beklagte schuldig zu erkennen, das Abstellen von Fahrzeugen und die Durchführung von Ladetätigkeiten auf dem Grundstück 852/4 der EZ 85 KG Pernau zu unterlassen. Sie behaupten, nach dem Stehenbleiben des LKWs in der Einfahrt seien im Beisein der Beklagten Entladetätigkeiten durchgeführt worden. Außerdem hätten Besucher des Hauses der Beklagten am 30.Mai, 1. August und 24.Dezember 1983 ihre Kraftfahrzeuge in der Einfahrt der Kläger (gemeint: auf dem Grundstück Nr. 852/4) abgestellt. Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Sie behauptete schikanöse Rechtsverfolgung durch die Kläger und Unschlüssigkeit des Klagebegehrens. Die Beklagte habe die Zusteller der Fa. C sofort aufgefordert, die begonnene Ladetätigkeit abzubrechen und wieder aus der Einfahrt hinauszufahren. Diesem Ersuchen hätten die beiden Angestellten entsprochen. Die Beklagte habe damit alles Zumutbare vorgekehrt, um einen Verstoß gegen die Dienstbarkeitsregelung zu vermeiden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und traf folgende wesentliche Feststellungen:

Die Beklagte forderte die Zusteller der Fa. C auf, zu ihrem Haus zuzufahren. Falls dies nicht gelänge, sollte sie gleich wieder hinausfahren. Der LKW kam wegen seines hohen Aufbaues nicht bis zum Haus der Beklagten, sondern blieb vor dem Haus der Kläger stehen. Die Zusteller der Fa. C öffneten die hintere Tür des Möbelwagens und wollten mit dem Abladen beginnen. Die Zusteller gaben der Beklagten, die inzwischen dort erschienen war, ein Brett. Die Beklagte sagte zu den beiden Angestellten, daß sie in der Einfahrt nicht stehenbleiben könnten, sondern sofort auf den öffentlichen Weg hinausfahren müßten. Die beiden Zusteller waren gerade beim Abladen eines großen Kartons, als sie von der Beklagten wieder aufgefordert wurden, sofort aus der Einfahrt hinauszufahren; auch die Tochter der Beklagten, Irmtraud D, wiederholte diese Aufforderung. Die beiden Angestellten der Fa. C nahmen diese Aufforderung zunächst nicht ernst. Bevor sie der Aufforderung nachkamen, erschien die Zweitklägerin, fotografierte den Möbelwagen, forderte die Zusteller auf, ihre Daten bekanntzugeben und kündigte gerichtliche Schritte an. Der Möbelwagen stand ca. 3 bis 4 Minuten in der Zufahrt. In dieser Zeit wollte niemand diese Zufahrt benützen. Der Möbelwagen wurde zunächst vor die Garage der Kläger gefahren, über Aufforderung der Beklagten aber schließlich auf der öffentlichen Straße abgestellt und die Möbel von dort aus zum Haus der Beklagten getragen. Am 30.Mai, 1.August und 24.Dezember 1983 stellten Besucher der Tochter der Beklagten für jeweils kürzere Zeit (10 Minuten; wenige Minuten; 15 bis 20 Minuten) ihre Kraftfahrzeuge in der Einfahrt der Kläger ab.

Das Erstgericht war der Ansicht, daß es sich bei dem Vorfall vom 30. November 1983 um einen einmaligen Eingriff handle, der keine dauernde Störung verursacht habe und keine Wiederholung besorgen lasse. Die weiteren Eingriffshandlungen seien nicht der Sphäre der Beklagten zuzurechnen.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren in Stattgebung der Berufung Folge, sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, 15.000 S nicht aber 300.000 S übersteigt und daß die Revision nach § 502 Abs 4 ZPO nicht zulässig sei.

Die zweite Instanz gelangte nach teilweiser Beweiswiederholung zu folgenden von der Darstellung des Erstgerichtes abweichenden Feststellungen:

Es kann nicht festgestellt werden, zu welchem Zeitpunkt die Beklagte die Möbellieferanten aufforderte, aus der Zufahrt wieder hinauszufahren. Es kann auch nicht festgestellt werden, wie lange der Möbelwagen in der Zufahrt stand und das Ausladen der Möbel insgesamt in Anspruch nahm. Aus den aufgenommenen Beweisen könne nicht die notwendige Gewißheit gewonnen werden, daß die Beklagte Anweisung zum sofortigen Wegfahren erteilt habe. Im übrigen übernahm das Berufungsgericht die erstgerichtlichen Feststellungen. Das Berufungsgericht war der Ansicht, daß eine schikanöse Rechtsausübung bei der Wahrung und Verfolgung der sich aus der Freiheit des Eigentums ergebenden Rechte schon wegen der Verhinderung der Ersitzung eines allfälligen Servitutsrechtes oder der Erweiterung dieses Rechtes auszuschließen sei. Der Eigentümer könne nicht nur den Störer, sondern auch denjenigen auf Unterlassung klagen, der den Eingriff veranlaßt habe, den unerlaubten Zustand aufrechterhalte oder von dem sonst Abhilfe zu erwarten sei. Der Beklagten sei der Beweis, daß sie alle zumutbaren Vorkehrungen zur Verhütung der Störung getroffen habe, nicht gelungen. Da eine gewisse Vermutung dafür spreche, daß jemand, der einen unbefugten Eingriff vorgenommen habe, zur Begehung weitrerer derartiger Eingriffe geneigt sei, hätte die Beklagte den Wegfall der Wiederholungsgefahr beweisen müssen. Das Unterlassungsbegehren sei somit schon auf Grund des Vorfalles vom 30.November 1983 berechtigt, sodaß es sich erübrige, auf die weiteren in der Klage behaupteten Eingriffe einzugehen.

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobene Revision der Beklagten ist zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung der in der Revision angeschnittenen Rechtsfrage abhängt, ob ein für Eigentumseingriffe Dritter Verantwortlicher auf Unterlassung der von den Dritten begangenen Handlungen oder auf Abstellung des Verhaltens der Störer in Anspruch genommen werden kann. Dieser Frage kommt für die Rechtssicherheit erhebliche Bedeutung zu, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist (§ 502 Abs 4 Z 1 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist auch berechtigt.

Die Eigentumsfreiheitsklage kann gegen jeden unberechtigten Eingriff in das Eigentumsrecht erhoben werden, aber im allgemeinen nicht wegen Handlungen Dritter (vgl EvBl 1959/1; MietSlg 18.179, 22.135; JBl 1978, 592), außer der Beklagte hat den Eingriff veranlaßt (EvBl 1978/165; vgl auch EvBl 1959/1), hält den unerlaubten Zustand aufrecht (EvBl 1965/197; MietSlg 29.042; JBl 1978, 592) oder es ist sonst von ihm Abhilfe zu erwarten (MietSlg 29.064; JBl 1978, 592; zu allem Petrasch in Rummel, ABGB, Rdz 9 zu § 523). Der Oberste Gerichtshof sprach wiederholt aus, daß die sich aus der unzulässigen Ausdehnung des Dienstbarkeitsrechtes ergebende Unterlassungspflicht auch die Verpflichtung in sich schließe, auf die Dritten im Sinne der Unterlassung einzuwirken (SZ 5/216; MietSlg 22.037, 29.096, 33.048 ua). Daraus folgt aber nicht, daß das Begehren der Eigentumsfreiheitsklage in den Fällen, in denen der Beklagte für die Eigentumseingriffe Dritter verantwortlich ist, ohne selbst tätig geworden zu sein, auf Unterlassung durch den Beklagten zu richten ist. Auf Unterlassung einer Handlung, die von einem anderen begangen wurde, kann nicht geklagt werden (ähnlich MietSlg 18.179, 22.135, 26.491, 35.055). In solchen Fällen kann nur begehrt werden, das Verhalten jener Personen abzustellen, dh auf sie einzuwirken (MietSlg 35.055; vgl auch Petrasch aaO Rdz 11). Eine persönliche Unterlassungspflicht trifft nur denjenigen, der an der Störung zumindest persönlich mitgewirkt oder andere dazu veranlaßt hat. Wer etwa Lieferanten bestellt und Gäste für seine Jausenstation anwirbt, obwohl er auf diese Art durch die Dritten in die Eigentumsrechte des im geringeren Umfang servitutsbelasteten Nachbarn eingreift (MietSlg 29.064), ist auch zur persönlichen Unterlassung verpflichtet. Darüber hinaus hat er die als Folge der Verletzung eigener Unterlassungspflichten auftretenden Eingriffe dadurch abzustellen, daß er auf die Dritten einwirkt. Das Begehren, das Verhalten der tatsächlichen Störer abzustellen und auf diese einzuwirken, besteht in einer positiven Leistungspflicht und bildet gegenüber dem Begehren, selbst derartige Störungen zu unterlassen, ein aliud (MietSlg 35.055; vgl auch MietSlg 22.135). Die Beklagte stellte persönlich keine Kraftfahrzeuge auf dem Grundstück Nr 852/4 der Kläger ab und veranlaßte das Abstellen des Möbelwagens auf dem fremden Grund auch nicht schon dadurch, daß sie sich Möbel zu ihrem Haus zustellen ließ. Da ihr das Recht des Fahrens über das Grundstück 852/4 der Kläger mit Kraftfahrzeugen bis zu einer Breite von 2,5 m eingeräumt wurde, mußte sie nicht von vorneherein damit rechnen, daß es bei der von ihr veranlaßten Möbelzustellung zu einer Verletzung fremder Rechte durch Abstellen des LKWs und zu einer Ladetätigkeit auf fremdem Grund kommen werde, zumal sie die beiden Zusteller darauf hinwies, gleich wieder aus der Zufahrt hinauszufahren, wenn ihnen das Zufahren zu ihrem Haus nicht gelänge. Die Beklagte könnte daher nur dafür verantwortlich gemacht werden, daß sie Eingriffe Dritter in das Eigentum des Klägers nicht unverzüglich abzustellen suchte, als bei der Möbelzustellung Zufahrtsschwierigkeiten auftraten. Ein auf Abstellung des Verhaltens Dritter gerichtetes Klagebegehren wurde aber von den Klägern nicht erhoben. Gleiches gilt für die übrigen vom Erstgericht festgestellten Vorfälle, bei denen Kraftfahrzeuge von Besuchern der Tochter der Beklagten kurze Zeit auf dem Grundstück der Kläger abgestellt wurden. Auch hier käme, wenn überhaupt eine Verantwortlichkeit besteht, nur ein Begehren auf Abstellung dieser Eingriffe in Frage. Die Erledigung der diese Frage betreffenden Feststellungsrüge der Kläger in der Berufung (S 80 zweiter Absatz) ist daher entbehrlich.

In der übernahme eines einzigen bereits von den Zustellern herausgegebenen Bretts kann eine persönliche Mitwirkung der Beklagten an der von dritter Seite begonnenen Entladetätigkeit nicht gesehen werden, da dies ohne ins Gewicht fallenden Einfluß auf die Zeit des Haltens des LKWs auf dem Grund der Kläger war. Eine andere positive Rechtsverletzung durch die Beklagte haben die soweit beweispflichtigen Kläger nicht bewiesen. Für eine weitere Entladetätigkeit der Dritten (Zusteller) könnte die Beklagte zwar verantwortlich gemacht werden, wenn sie dieses Verhalten Dritter zu spät abgestellt hätte, doch ist ein auf die Abstellung einer Tätigkeit Dritter gerichtetes Begeheren wiederum nicht Gegenstand der Klage.

Das Ersturteil ist daher in Stattgebung der Revision wieder herzustellen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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