OGH 7Ob580/85

OGH7Ob580/8513.6.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta und Dr.Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Irmgard A, Salzburg, Ignaz-Harrer-Straße 52, vertreten durch Dr.Harald Burmann, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Hermann A, Abteilungsleiter, Innsbruck, Hofwaldweg 33, vertreten durch Dr.Fritz Czerwenka, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 14.Februar 1985, GZ.2 R 24/85-34, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 25.September 1984, GZ.5 Cg 403/83-23, bezüglich seiner Entscheidung über die Ehescheidung bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 3.997,35 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 600 S Barauslagen und 308,85 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile sind seit dem 20.Juni 1964 miteinander verheiratet. Der Ehe entstammt die am 3.Mai 1974 geborene Elke.

Die Vorinstanzen haben die Ehe aus dem Verschulden des Beklagten geschieden. Ihre Entscheidung über ein Unterhaltsbegehren der Klägerin ist nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens. Bei ihrer Entscheidung gingen die Vorinstanzen von folgendem wesentlichen Sachverhalt aus:

Die Ehe verlief bis zur Geburt des Kindes harmonisch. Danach ging der Beklagte weiter seiner Vorliebe für große Reisen nach, während sich die Klägerin um das Kind kümmern mußte. Einem Ersuchen der Klägerin, den Urlaub zusammen mit seiner Familie in Österreich zu verbringen, entsprach der Beklagte nicht.

Zwischen der Klägerin einerseits und den Verwandten des Beklagten andererseits kam es zu Spannungen, die zum Abbruch der Beziehungen zwischen diesen Personen führten. Die Klägerin hat eine Versöhnung mit den Verwandten des Beklagten stets abgelehnt. Dies führte zu Streitigkeiten zwischen den Ehegatten. Im Zuge dieser Streitigkeiten bedrohte der Beklagte die Klägerin mit dem Umbringen. Im Jahre 1981 versetzte der Beklagte der Klägerin in Gegenwart des Kindes Ohrfeigen. Etwa ein halbes Jahr danach kam es zu einer neuerlichen Auseinandersetzung, weil der Beklagte an einem Sonntag allein fortgehen wollte. Bei diesem Streit bedrohte er die Klägerin, damit, sie so lange zu schlagen, bis sie unter dem Bett landen würde. Auch bei diesem Vorfall war die damals 7-jährige Elke zugegen. Bei anderen Gelegenheiten versetzte der Beklagte der Klägerin Ohrfeigen. Ungefähr zur selben Zeit blieb der Beklagte häufig bis 21 oder 22 Uhr von zu Hause fort, ohne der Klägerin mitzuteilen, wo er sich aufhalte.

Anläßlich einer Auseinandersetzung am 6.11.1981 verletzte der Beklagte die Klägerin durch Schläge. Als die Klägerin hierauf die Absicht äußerte, sich scheiden zu lassen, bedrohte sie der Beklagte wiederholt mit dem Umbringen. Er erklärte, er werde es so anstellen, daß es wie ein Unfall aussehe. Eine derartige am 6.12.1981 erfolgte Drohung nahm die Klägerin zum Anlaß, Anzeige zu erstatten. Als der Beklagte in einem Schreiben vom 20.12.1981 in vielen Punkten Besserung versprach, erteilte die Klägerin in dem gegen den Beklagten eingeleiteten Strafverfahren keine Verfolgungsermächtigung. Nachdem jedoch der Beklagte in der Folge weiter gedroht hatte, die Klägerin seelisch fertigzumachen, sie zu zerpflücken und in eine Irrenanstalt zu bringen, brachte diese am 26.5.1982 die Scheidungsklage ein. Im Sommer 1982 zog sie für kurze Zeit nach Salzburg. Im Zuge eines Versuches, die Ehe fortzusetzen, kehrte die Klägerin jedoch wieder zum Beklagten nach Innsbruck zurück, worauf am 25.10.1982 Ruhen des Verfahrens eintrat. Der Beklagte begann jedoch die Klägerin vor dem Kind sexuell zu bedrängen und sie unter dem Rock abzugreifen, was die Klägerin mit Rücksicht auf das Kind nicht wünschte. Im Zuge von Streitigkeiten bezeichnete der Beklagte die Klägerin als geistig krank und kündigte an, sie für unzurechnungsfähig erklären zu lassen. Am 1.7.1983 kam es zu einem heftigen Streit, in dessen Verlauf die Klägerin erklärte, sie werde sich scheiden lassen. Der Beklagte erwiderte, er werde sie so klein machen, daß von ihr nichts mehr übrig bleibe. Im August 1983 hatte sich die Klägerin mit dem Kind in das Schlafzimmer eingesperrt. Als die Klägerin der Aufforderung des Beklagten, die Tür zu öffnen, nicht entsprach, warf sich der Beklagte mit Gewalt gegen die Tür. Diesen Vorfall nahm die Klägerin zum Anlaß, endgültig nach Salzburg zu ziehen und die häusliche Gemeinschaft aufzuheben. Diese gesonderte Wohnungsnahme wurde gerichtlich genehmigt.

Die Vorinstanzen erblickten in dem Verhalten des Beklagten schwere Eheverfehlungen. Das Berufungsgericht ließ einen Mitschuldantrag des Beklagten als gegen das Neuerungsverbot vertoßend nicht zu. Die vom Beklagten gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt. Das Berufungsgericht hat auf Grund der Verfahrensergebnisse die Ausführungen des Erstgerichtes bezüglich der geistigen Gesundheit der Klägerin übernommen. Es hat eine weitere Prüfung dieser Frage durch Einholung eines Sachverständigengutachtens als nicht erforderlich bezeichnet. Hiebei handelt es sich um einen Akt der Tatsachenfeststellung, der im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpft werden kann.

Rechtliche Beurteilung

Mit Recht hat das Berufungsgericht den erstmals in der Berufung gestellten Mitschuldantrag des Beklagten für nicht zulässig erklärt. Die mündliche Streitverhandlung erster Instanz wurde nach dem 31.12.1983 geschlossen. Nach Art.10 Z 4 des Bundesgesetzes vom 11.11.1983 über Änderungen des Personen-, Ehe- und Kindschaftsrechtes, BGBl.566, ist auf Eheverfahren, in denen die mündliche Streitverhandlung erster Instanz nach dem erwähnten Termin geschlossen wird, die Zivilprozeßordnung in der Fassung dieses Bundesgesetzes anzuwenden. Somit gilt für derartige Verahren auch das sich aus § 482 ZPO ergebende Neuerungsverbot. Nach § 482 Abs.1 ZPO dürfen im Berufungsverfahren keine neuen Einreden erhoben werden. Dies bedeutet, daß auch ein Mitschuldantrag in der Berufung nicht mehr gestellt werden kann. Durch das vorerwähnte Gesetz wurde die Bestimmung des § 76 der 1.DVzEheG beseitigt, auf die die Judikatur (SZ 25/331 = JB 57 neu, u.a.) ihre Ausführungen über die Zulässigkeit von Neuerungen im Ehescheidungsverfahren gestützt hat. Die genannte Entscheidung (= JB 57 neu) gelangt zu dem Ergebnis, daß in der Berufung auch erstmalig Mitschuldanträge erhoben werden können, aus der Erwägung, wenn man weitere Scheidungsgründe zulasse, müsse man auch einerseits der Abwehr des Scheidungsbegehrens dienende und andererseits auf eine Modifizierung des Verschuldensausspruches abzielende Anträge zulassen. Dies ergebe sich schon aus der Erwägung, daß man nicht einerseits neue Sachvorbringen zulassen, andererseits aber Sachanträge ablehnen könne. Durch die oben erwähnte Gesetzesänderung ist dieser Judikatur die Basis entzogen. Jetzt sind Neuerungen im Berufungsverfahren auch im Ehescheidungsverfahren grundsätzlich ausgeschlossen, was der Berücksichtigung eines erstmals in der Berufung gestellten Mitschuldantrages entgegensteht (7 Ob 541/85).

Bei der Ausführung der Rechtsrüge geht die Revision insoferne nicht von dem festgestellten Sachverhalt aus, als die den Standpunkt vertritt, es lägen keine innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 57 Abs.1 EheG festgestellten Eheverfehlungen vor. Die Ehescheidungsklage wurde am 26.5.1982 eingebracht. Demnach erstreckt sich die Sechsmonatsfrist vom 26.November 1981 bis zum 26.Mai 1982. Nach den getroffenen Feststellungen hat der Beklagte auch am 6.12.1981 der Klägerin mit dem Umbringen gedroht. Derartige Drohungen wurden auch nach dem 20.12.1981 ausgesprochen und führten dann zur Einbringung der Scheidungsklage. Daß solche Drohungen schwere Eheverfehlungen darstellen, bedarf wohl keiner näheren Begründung. Selbst die Revision führt nichts Gegenteiliges aus. Sohin bedarf es keiner weiteren Eröterung der Frage, ob verfristete Eheverfehlungen auch dann berücksichtigt werden könnten, wenn leidglich im Zuge des Ehescheidungsverfahrens hinzutretende weitere Verfehlungen vorlägen. Daß aber verfristete oder verziehene Eheverfehlungen (vgl. EFSlg.2461, 7016 ua) auch noch nach Abblauf der Frist des § 57 Abs.1 EheG zur Unterstützung des Scheidungsbegehrens herangezogen werden können, falls nicht verfristete oder veziehene Eheverfehlungen vorliegen, ergibt sich aus § 59 Abs.2 EheG. Solche weitere schwere Eheverfehlungen wurden von den Vorinstanzen festgestellt. Hier ist vor allem auf die am 1.7.1983 vom Beklagten ausgesprochene Drohung und auf seine Gewalttätigkeit im August 1983 zu verweisen. Gerade im Hinblick darauf, daß der Beklagte gegen die Klägerin schon mehrfach gewalttätig geworden war und sie laufend schwerstens bedroht hatte, dürfen diese festgestellten Verfehlungen nicht als gering bewertet werden. Es handelt sich hiebei um schwere Eheverfehlungen, die gemäß § 59 Abs.2 EheG die Mitberücksichtigung der bereits verfristeten Eheverfehlungen bewirken und im Zusammenhang mit diesen das Scheidungsbegehren aus Verschulden des Beklagten rechtfertigten. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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