Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung über die Berufung der Klägerin aufgetragen.
Die Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung
Das das Unterhaltsbegehren der Klägerin abweisende Urteil des Erstgerichtes wurde dem im erstgerichtlichen Verfahren von der Klägerin bevollmächtigten Rechtsanwalt Dr. Hammerer am 14.11.1984 zugestellt. Am 28.11.1984 stellte die Klägerin persönlich beim Erstgericht unter Vorlage eines Vermögensbekenntnisses den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe durch Beistellung ihres bisherigen Anwaltes Dr. Hammerer. Eine auf das Erlöschen des bestehenden Vollmachtsverhältnisses hinweisende Erklärung hat sie nicht abgegeben.
Mit Beschluß vom 28.11.1984 hat das Erstgericht den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe mit der Begründung abgewiesen, die Voraussetzungen des § 63 ZPO lägen nicht vor, weil die Klägerin nicht außerstande sei, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung ihres notwendigen Unterhaltes zu bestreiten. Dieser Beschluß wurde Dr. Hammerer am 7.12.1984 zugestellt. Am 31.1.1985 gab Dr. Hammerer für die Klägerin eine Berufung gegen das Ersturteil zur Post.
Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Berufungsgericht die Berufung als verspätet zurückgewiesen und hiebei den Standpunkt vertreten, der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe bewirke nicht die Auflösung eines bestehenden Vollmachtsverhältnisses. Demnach sei die Bevollmächtigung des Dr. Hammerer durch die Klägerin nach wie vor aufrecht. Eine Verlängerung der Berufungsfrist im Sinne des § 464 Abs. 3 ZPO trete jedoch nicht ein, wenn die die Verfahrenshilfe beantragende Partei nach wie vor durch einen frei gewählten Anwalt vertreten sei. Gehe man aber von der ursprünglichen Zustellung des erstgerichtlichen Urteiles an den Vertreter der Klägerin am 14.11.1984 aus, so habe die Berufungsfrist am 12.12.1984 geendet.
Rechtliche Beurteilung
Der von der Klägerin gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs ist gerechtfertigt.
Es ist zwar grundsätzlich richtig, daß durch den bloßen Antrag auf Verfahrenshilfe ein bisher bestehendes Vollmachtsverhältnis zu einem gewählten Rechtsanwalt nicht aufgelöst wird. Aus der Tatsache des Antrages auf Verfahrenshilfe und auf Beigabe eines Rechtsanwaltes ist aber zu schließen, daß der Antragsteller anstelle seines bisher gewählten Vertreters einen zu bestellenden Verfahrenshelfer wünscht, weil er die mit den Handlungen des frei gewählten Vertreters verbundenen Kosten nicht mehr tragen will oder kann. Demnach ist es Sache des Gerichtes, an das ein Antrag auf Beigabe eines Rechtsanwaltes im Rahmen der Verfahrenshilfe gerichtet wird und das Kenntnis von der seinerzeitigen Bevollmächtigung eines Anwaltes durch den nunmehrigen Antragsteller hat, eine entsprechende Aufklärung darüber herbeizuführen, ob der Antragsteller sein Vollmachtsverhältnis zu seinem bisherigen Anwalt aufrechterhalten will oder nicht. Beantragt daher eine durch einen Rechtsanwalt vertretene Partei die Bewilligung der Verfahrenshilfe und die Beigebung eines Rechtsanwaltes, so ist sie vom Prozeßgericht zu einer Anzeige im Sinne des § 36 Abs 1 ZPO anzuleiten. Sonst gilt dieser Antrag auch als Anzeige des Erlöschens des Vollmachtsverhältnisses zu ihrem bisherigen Rechtsvertreter. Auch in diesem Fall ist der Beginn der Berufungsfrist nach § 464 Abs 3 ZPO zu beurteilen (SZ 48/93, 8 Ob 216,274/80, 7 Ob 642/83). Zwar lagen den genannten Entscheidungen stets Fälle zugrunde, bei denen das Erstgericht die beantragte Verfahrenshilfe bewilligt und einen Anwalt bestellt hat, doch kann die Entscheidung darüber, ob bereits in dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe eine Anzeige von der Auflösung eines bestehenden Vollmachtsverhältnisses zu erblicken ist, nicht von der Art der nachträglichen Entscheidung des Gerichtes über diesen Antrag abhängen. Wenn daher die positive Erledigung eines solchen Antrages der Partei die Wirkung hat, daß der Antrag als Anzeige der Auflösung eines Vollmachtsverhältnisses anzusehen ist, muß dies auch für eine negative Entscheidung gelten. Maßgebend kann nämlich immer nur der Antrag selbst, nicht aber dessen Erledigung durch das Gericht sein. Wendet man den aufgezeigten Grundsatz auf den vorliegenden Fall an, so hat die Antragstellerin der Klägerin zu einer Verlängerung der Berufungsfrist im Sinne des § 464 Abs. 3 ZPO geführt. Daraus ergibt sich aber die Rechtzeitigkeit der Berufung.
Die vom Berufungsgericht zitierte Stelle bei Fasching (Erg.Bd. 54) stützt sich lediglich auf die in RZ 1958, 14, veröffentlichte Entscheidung, der jedoch ein anderer Sachverhalt zugrunde lag. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.
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