Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die Ehe der Eltern des minderjährigen Helmut wurde mit Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 24.Februar 1984 rechtskräftig geschieden. Da die Eltern seit Juni 1983 dauernd getrennt lebten, wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes Frankenmarkt vom 12.September 1983, P 86/83-8, rechtskräftig ausgesprochen, daß die aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten hinsichtlich dieses Kindes in Hinkunft der Mutter zustehen. Am 25.April 1984 stellte der Vater den Antrag, ihm das Kind in Pflege und Erziehung zu übergeben. Das Bezirksgericht Frankenmarkt wies diesen Antrag mit Beschluß vom 30.November 1984, ON 27, ab.
Nach übertragung der Zuständigkeit an das Bezirksgericht Pregarten stellte der Vater am 4.Februar 1985 neuerlich den Antrag, die aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten hinsichtlich des minderjährigen Helmut an ihn zu übertragen und das Kind in seine Pflege und Erziehung zu übergeben. Die Mutter sprach sich gegen diesen Antrag aus.
Das Erstgericht wies diesen Antrag mit Beschluß vom 21.Februar 1985, ON 32, ab. Es erachtete, daß seit der letzten Beschlußfassung am 30. November 1984 keinerlei Veränderungen in den bisherigen Verhältnissen betreffend die Zuweisung des Kindes an einen Elternteil eingetreten seien und keine Umstände vorlägen, die bei der derzeitigen Regelung eine Gefährdung des Wohles des Kindes befürchten ließen.
Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs des ehelichen Vaters mit der Maßgabe nicht Folge, daß der Antrag des Vaters zurückgewiesen wurde.
Es führte dazu im wesentlichen aus:
Es sei zu prüfen, ob seit der in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung ON 27 eine Änderung der Verhältnisse eingetreten sei oder nova reperta vorlägen. Eine Abänderung einer der Trennung der Eltern bzw. der Scheidung der Ehe der Eltern nachfolgenden Entscheidung im Sinne des § 177 ABGB könne nur vorgenommen werden, wenn besonders wichtige Gründe eine Abänderung geboten erscheinen ließen. Der Vater habe im letzten Antrag vorgebracht, daß es dem Kind zwar im Kinderdorf gefalle, es aber, wie es zuletzt zu Weihnachten 1984
geäußert habe, lieber zum Vater und zur 'Tanti Erni', der Lebensgefährtin des Vaters wolle. Er verkenne nicht, daß die Unterbringung des Kindes im Kinderdorf der geistigen Entwicklung des Kindes förderlich sei, es könne aber nicht stimmen, daß die übergabe des Kindes an den Vater derzeit nicht dem Wohl des Kindes entsprechen würde. Er werde selbstverständlich finanziell voll und ganz für den Sohn aufkommen und wolle nur nicht der Mutter irgendwelche Beträge überweisen. Diese Umstände seien alle bereits im rechtskräftigen Beschluß vom 30.November 1984 berücksichtigt und dabei unbekämpft festgestellt worden, daß die Unterbringung des Kindes im Kinderdorf seiner geistigen Entwicklung förderlich sei und eine übergabe an den Vater zur Zeit nicht dem Wohl des Kindes entsprechen würde. Soweit der Vater in seinem neuen Antrag diese Feststellungen bekämpfen wolle, stehe ihm insoweit die Rechtskraft entgegen. Da der Rechtsmittelwerber sohin keine neuen Umstände geltend gemacht habe und solche sich auch aus der Vernehmung der Mutter nicht ergeben hätten, sei es für das Erstgericht nicht erforderlich gewesen, dem Vater neuerlich Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Wegen der Rechtskraft der früheren Entscheidung habe die Vernehmung des Minderjährigen entfallen können, weil das Erstgericht nur über die Zulässigkeit des neuen Antrages abzusprechen gehabt habe. Im Rekurs bringe der Vater (teilweise neu) vor, daß der Minderjährige von seiner Mutter im Kinderdorf gar nicht oder nur selten besucht werde, diese kein Interesse an dem Kinde habe, der Lebensgefährte der Mutter den Buben nicht möge und der Minderjährige immer wieder geäußert habe, daß er nicht bei der Mutter bleiben wolle. Es sei - im Gegensatz zur Behauptung der Mutter - unrichtig bzw. habe der Vater nie bemerkt, daß der Minderjährige Depressionen habe. Die Mutter habe ihm und seiner Lebensgefährtin gegenüber erklärt, sie wolle nicht, daß das Kind zum Vater nach Graz komme, weil sie fürchte, in diesem Falle das Kind nicht mehr zu sehen. Das Kind sei ohne Wissen und gegen den Willen des Vaters im Kinderdorf untergebracht worden. Der Vater habe arge Befürchtungen, daß seine Unterhaltsleistungen für das Kind diesem gar nicht zugute kämen. Der Vater wiederhole dann, daß sich seine Lebensgefährtin und die Verhältnisse in deren Haus in Graz bestens für die Unterbringung des Minderjährigen eignen würde und dort auch eine Sonderschule zur Verfügung stünde. Entgegen der Auffassung des Erstgerichtes habe er in seinem letzten Antrag neu vorgebracht, daß der Minderjährige zu Weihnachten 1984 den dringenden Wunsch geäußert habe, beim Vater in Graz zu bleiben. Der gegen den Willen des Vaters erfolgten Unterbringung des Kindes in einem Kinderdorf sei der Aufenthalt des Kindes beim ehelichen Vater vorzuziehen, wo in der Person der Lebensgefährtin eine geeignete Betreuerin zur Verfügung stehe. Diesen Argumenten hielt das Rekursgericht die oberstgerichtliche Rechtsprechung entgegen, wonach eine Änderung in der Zuerkennung der elterlichen Rechte und Pflichten im Sinne des § 177 ABGB an einen Elternteil nur unter den Voraussetzungen des § 176 Abs 1 ABGB erfolgen dürfe, also nicht schon bei bloß geringfügigen Veränderungen der Interessenlage, sondern erst dann, wenn das Wohl des Kindes gefährdet sei, also besonders wichtige Gründe vorlägen und eine Änderung im Interesse des Kindes dringend geboten sei. Eine Gefährdung des Kindeswohles könne dabei schon darin liegen, daß dem Kind die auf Grund wesentlich geänderter Lebensverhältnisse gebotene Verbesserung seiner Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeit verwehrt werde. über dem Elternrecht stehe, wie das Gesetz unmißverständlich klarstelle, das Kindeswohl, das gerade auch durch den mehrfachen Wechsel der Pflege und Erziehung gefährdet sein könne. Das müsse insbesondere für Kinder gelten, die ohnedies schulische Schwierigkeiten hätten und eine geringe geistige Behinderung aufwiesen. Nun sei im vorliegenden Fall zu beachten, daß nach dem rechtskräftigen Beschluß vom 30.November 1984 die Unterbringung im Kinderdorf für das Wohl des Kindes von grundlegender Bedeutung sei. Dort besuche das Kind auch die Sonderschule. Gegen diese Unterbringung vermöge der Vater nichts Negatives vorzubringen; er verweise auf die zu bevorzugende Unterbringung beim leiblichen Vater, wo aber für die Betreuung des Kindes, offenbar auf Grund der Berufstätigkeit des Vaters, erst wieder kein leiblicher Elternteil zur Verfügung stünde. Die Tätigkeit der Lebensgefährtin in Graz als Pflegemutter sei etwa vergleichbar jener der Kinderdorfmutter, sodaß auch hier kein wesentlicher Unterschied gefunden werden könne. Ob und in welchem Ausmaß die Mutter das Kind im Kinderdorf besuche, sei während der Unterbringungszeiträume von geringerer Bedeutung. Diesbezüglich habe der Rekurswerber aber nicht geltend gemacht, daß sich die Besuchshäufigkeit der Mutter seit dem Beschluß vom 30. November 1984 geändert habe. Damals sei das Kind schon im Kinderdorf untergebracht gewesen, sodaß es nunmehr nicht darauf ankomme, ob das Kind gegen den Willen und anfangs ohne Wissen des Vaters sich dort aufhalte. Schon in dem zum rechtskräftigen Beschluß vom 30.November 1984 führenden Verfahren sei hervorgekommen, daß der Minderjährige an beiden Eltern hänge und in seinen Gefühlen hin- und hergerissen, leicht verzagt und sehr unglücklich sei, wenn er sich nicht zurechtfinde. Angesichts des Kampfes der Eltern um das Kind und der sonstigen, durch das Scheitern der Ehe der Eltern bedingten psychischen Belastungen des Kindes könne es durchaus dazu kommen, daß die Mutter den Eindruck gewonnen habe, das Kind leide unter Depressionen. Es könne demnach auch durchaus sein, daß das Kind abwechselnd zu dem einen oder anderen Elternteil wolle. Daraus folge aber keinesfalls, daß der derzeitige Aufenthalt des Kindes seinem Wohl widerspreche. Die Frage der Zahlung und Verwendung von Unterhaltsleistungen habe keine entscheidungswesentliche Bedeutung, da für die Alimentierung des Kindes ohnedies überwiegend im Rahmen des Oberösterreichischen Behindertengesetzes aufgekommen werde. Bedingt durch den Aufenthalt des Kindes im Kinderdorf während des größeren Teiles des Jahres komme dem Aufenthalt des Kindes bei seiner Mutter nur eine geringere, einem umfangreicheren Besuchsrecht vergleichbare Bedeutung zu. Ein derartiges Besuchsrecht stehe aber auch dem Vater zu. Der Vater bringe widersprüchlich vor, die Mutter habe die Befürchtung geäußert, bei einer übersiedlung des Kindes nach Graz dieses nicht mehr zu sehen, andererseits aber kein Interesse an diesem Kind mehr zu haben. Letzterem stehe allein schon ihre beharrliche Ablehnung der eine Abänderung der Regelung vom 12. September 1983 begehrenden Anträge des Vaters entgegen. Dafür, daß es der Mutter nur auf die Unterhaltszahlungen des Vaters ankäme, bestünden keine konkreten Anhaltspunkte, zumal sie auf Grund des Befreiungsantrages des Vaters mit einer Einschränkung auf monatlich 1.000 S ab 1.Februar 1985 einverstanden gewesen sei und die erhöhte Familienbeihilfe ohnedies als Pflegekostenersatz zu leisten habe. Wenn möglicherweise der Lebensgefährte der Mutter das Kind nicht sonderlich mögen sollte, so sei dies bei 'Stiefkindern' nichts Ungewöhnliches.
Daß dadurch schon eine gravierende Beeinträchtigung der Interessen des Kindes bzw. eine Gefährdung des Kindeswohles eingetreten wäre bzw. mit größerer Wahrscheinlichkeit eintreten werde, habe der Vater nicht vorgebracht. Es sei vielmehr zu beachten, daß der Minderjährige bei einem Wechsel des Pflegeplatzes mit anderen Personen in ständige Berührung käme, die ihm zunächst fremd wären und die ihm möglichgerweise ablehnend gegenüberstünden (etwa die von der Lebensgefährtin des Rekurswerbers derzeit betreuten Kinder). Der Rekurswerber habe also weder in seinem letzten Antrag noch im Rekurs Umstände geltend gemacht, die eine wesentliche Änderung der Verhältnisse gegenüber der Beschlußfassung vom 30.November 1984 bewirkt hätten oder damals noch nicht verwertet worden wären. Er habe also keine Umstände dargetan, die wegen einer Beeinträchtigung des Kindeswohles eine Änderung der schon mit Beschluß vom 12. September 1983 getroffenen Regelung erforderlich gemacht hätten. Der letzte Antrag des Vaters habe daher gegen die Rechtskraft des Beschlusses vom 30.November 1984 verstoßen, weshalb dem Rekurs mit der Maßgabe nicht Folge zu geben gewesen sei, daß der Antrag zurückgewiesen werde.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluß erhobene Revisionsrekurs des Vaters ist unzulässig.
Der Vater subsumiert sein Rechtsmittel zutreffenderweise dem § 16 AußStrG, weil die Vorinstanzen der Sache nach übereinstimmend eine Neuregelung bezüglich der Zuweisung der rein persönlichen Rechte und Pflichten mangels Änderung der Verhältnisse seit dem rechtskräftigen Beschluß vom 30.November 1984 (ON 27) für nicht möglich gehalten haben, sodaß eine bestätigende Entscheidung des Rekursgerichtes vorliegt (so auch 6 Ob 199/73).
Der Vater meint, es käme hier die Rechtsprechung zum Tragen, nach welcher die Nichtbeachtung von Neuerungen im Rekursverfahren Nichtigkeit begründe, wenn die Neuerungen geeignet gewesen wären, die gesamte Entscheidungsgrundlage zu verändern.
Diese Auffassung ist hier schon deshalb nicht richtig, weil der Vater, abgesehen davon, daß er immer wieder vom Vorbringen im erstinstanzlichen 'Schriftsatz vom 31.1.1985 und in meinem Rekurs vom 6.3.1985' spricht und dabei das Wort Neuerung im Sinne von Veränderung gegenüber dem rechtskräftigen Beschluß vom November 1984, ON 27, verwendet, keine tatsächlichen Umstände aufzuzeigen vermag, aus denen sich bei Aufrechterhaltung der mit dem Beschluß ON 27 erfolgten Zuweisung der elterlichen Rechte an die Mutter eine Gefährdung des Kindeswohles ergäbe. Nur dann könnte aber von einer wesentlichen Änderung der Sachlage gesprochen werden. Der in der angeblichen übergehung von Neuerungen erblickte Nichtigkeitsgrund liegt daher schon aus diesem Grunde nicht vor.
Soweit die Ausführungen des Vaters, eine erhebliche Verkürzung seiner Rechte liege darin, daß das Rekursgericht es für nicht notwendig erachtet habe, ihm (in erster Instanz) Gelegenheit zu geben, auf die Angaben der Mutter des Kindes in ON 31 einzugehen, die Geltendmachung der Verletzung des rechtlichen Gehöres bedeuten sollten, ist ihnen entgegenzuhalten, daß selbst eine in erster Instanz diesbezüglich tatsächlich vorgefallene Nichtigkeit in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden könnte, wenn der Rechtsmittelwerber, wie hier, Gelegenheit gehabt hat, den Mangel im Rekurs geltend zu machen.
Bei der Rüge eines (schlichten) Verfahrensmangels übersieht der Vater, daß Verfahrensmängel keinen Anfechtungsgrund im Sinne des § 16 Abs 1 AußStrG darstellen.
Der Vorwurf der Aktenwidrigkeit, die der Vater in der Ausführung des Rekursgerichtes erblickt, der Minderjährige Helmut käme bei einem Wechsel des Pflegeplatzes mit anderen Personen in ständige Berührung, die ihm zunächst fremd wären und die ihm möglicherweise auch ablehnend gegenüberstünden (etwa die von der Lebensgefährtin des Vaters derzeit betreuten Kinder), geht schon deshalb fehl, weil damit nur eine allfällige Verschlechterung des Kindeswohles bei einem Pflegeplatzwechsel bekämpft, nicht aber eine Gefährdung des Kindeswohles bei Aufrechterhaltung des bisherigen Zustandes berührt wird, aber nur letzteres entscheidungswesentlich sein könnte. Was schließlich den Anfechtungsgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit anlangt, führt der Rechtsmittelwerber aus, ihm scheine der Grundsatz, daß die Pflege und Erziehung eines ehelichen Kindes beim Vater einer solchen in einem Kinderdorf vorzuziehen sei, so klar geregelt, daß die gegenteilige Entscheidung des Rekursgerichtes wohl eindeutig gesetzwidrig sei; diese Entscheidung stehe auch mit den Grundprinzipien des Rechtes in Widerspruch.
Der Vater verkennt dabei, daß es bei der vorliegenden Entscheidung primär um die Frage geht, ob gegenüber der seinerzeitigen Entscheidung eine wesentliche Änderung eingetreten ist oder nicht. Diese Frage kann aber im Rahmen eines außerordentlichen Revisionsrekurses nicht aufgerollt werden, weil es sich dabei zunächst um eine Frage der Tatsachenfeststellung und dann um die rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes im Vergleich zu einem früheren Sachverhalt handelt, die naturgemäß im Gesetz nicht geregelt sein kann. Deshalb kann auch eine offenbare Gesetzwidrigkeit im Sinne der ständigen Rechtsprechung (vgl. EFSlg 37.388, 39.809, 42.327, 44.642 u.a.) nicht vorliegen (so auch 6 Ob 574/77).
Mangels gesetzlicher Anfechtungsgründe mußte daher der Revisionsrekurs zurückgewiesen werden.
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