OGH 8Ob539/85

OGH8Ob539/8523.5.1985

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*, vertreten durch Dr. Anton Gradischnig und Dr. Peter Gradischnig, Rechtsanwälte in Villach, wider die beklagte Partei J*, vertreten durch Dr. Michael Stern und DDr. Peter Stern, Rechtsanwälte in Wien, wegen Ehescheidung, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 25. September 1984, GZ 7 R 78/84‑55, womit die Revision des Beklagten zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00539.85.0523.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

Gemäß Art. XVII § 2 Abs 6 der Zivilverfahrensnovelle 1983, BGBl. 1983/135, ist der § 30 Abs 2 ZPO nur auf Verfahren anzuwenden, in denen die Klage bzw. der Antrag auf Einleitung des Verfahrens nach dem 30. April 1983 bei Gericht eingelangt ist. Obwohl in der vorliegenden Rechtssache die Klage bereits am 27. Jänner 1981 eingebracht wurde, beriefen sich die neu herangezogenen Beklagtenvertreter in der von ihnen verfaßten Revisionsschrift unter Hinweis auf § 30 Abs 2 ZPO auf die ihnen vom Beklagten erteilte Vollmacht. Nach Zustellung der Revisionsschrift an die Klägerin und Einlangen der Revisionsbeantwortung, in der auf die Unzulässigkeit der Berufung auf die Vollmacht gemäß § 30 Abs 2 ZPO hingewiesen wurde, erteilte das Erstgericht den Beklagtenvertretern gemäß § 85 Abs 2 ZPO den Auftrag (AS 245), binnen der Frist von einer Woche eine vom Beklagten gefertigte Vollmacht vorzulegen. Dieser Beschluß (Auftrag) wurde den genannten Rechtsanwälten am 6. September 1984 zugestellt. Dem Verbesserungsauftrag des Erstgerichtes wurde nicht entsprochen. Das Erstgericht legte hierauf die Revision mit dem Vermerk, daß der Beklagte dem Auftrag auf Vollmachtsvorlage nicht nachgekommen sei, dem Gericht zweiter Instanz vor.

Das Berufungsgericht wies die Revision zurück. Unter Hinweis auf den oben dargestellten Sachverhalt führte es aus, daß der Erstattung der Revisionsschrift durch die vom Beklagten neu herangezogenen Rechtsanwälte keine Vollmacht des Beklagten zugrundeliege. Gemäß § 37 Abs 1 ZPO sei der Mangel der Vollmacht in jeder Lage des Rechtsstreites von Amts wegen zu berücksichtigen. Er führe zur Zurückweisung der betreffenden Prozeßhandlung. Das Berufungsgericht könne nur die Frage prüfen, ob ein die Zurückweisung rechtfertigender Formmangel vorliegt. Dies treffe nach dem Obgesagten wegen des Mangels der Vollmacht zu. Die Art der Verbesserungsanordnung sei in das Ermessen des Erstgerichtes gestellt und könne vom Berufungsgericht nicht überprüft werden.

In dem dagegen zulässig erhobenen Rekurs (siehe Fasching Zivilprozeßrecht, 1944) stellt sich der Beklagte auf den Standpunkt, daß der Verbesserungsauftrag des Erstgerichtes nicht gesetzmäßig gewesen sei; er sei bloß auf den gegnerischen Schriftsatz gesetzt worden und habe nicht die Überschrift „Beschluß“ getragen. Daher möge dem Beklagten neuerlich in Beschlußform die Vollmachtsvorlage aufgetragen werden. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden.

Den Beklagtenvertretern wurde vom Erstgericht unter Hinweis auf § 85 Abs 2 ZPO aufgetragen, die entsprechende Vollmacht des Beklagten binnen einer Woche vorzulegen. Der Auftrag entsprach der oben dargestellten Gesetzeslage, weil die Klage bereits am 27. Jänner 1981 bei Gericht eingebracht worden war, § 30 Abs 2 ZPO und damit die Berufung auf die erteilte Bevollmächtigung aber gemäß Art XVII § 2 Abs 6 BGBl. 1983/135 erst in Verfahren möglich ist, in denen die Klage nach dem 30. April 1983 bei Gericht eingelangt ist.

Gemäß § 59 Abs 3 der Geschäftsordnung der Gerichte ist die Behebung der Formgebrechen von Schriftsätzen, die – wie hier – im Rechtsmittelverfahren überreicht werden, sogleich vom Gericht erster Instanz zu veranlassen. Insbesondere sind vor der Vorlage auch die erforderlichen Vollmachten beizuschaffen. Auch dieser Vorschrift entsprach die Vorgangsweise des Erstgerichtes in jeder Hinsicht: Wie sich aus § 59 Abs 1, der Geschäftsordnung der Gerichte ergibt, hat die Beseitigung eines Formgebrechens, das die ordnungsgemäße geschäftliche Behandlung eines Schriftsatzes zu hindern geeignet ist, auf „möglichst einfache Art“ zu erfolgen. Gegen die vom Rekurswerber als unrichtig bezeichnete Vorgangsweise des Erstgerichtes, den Verbesserungsauftrag der Gleichschrift der Revisionsbeantwortung anzufügen, die ihm ohnedies zuzustellen war, bestehen daher keine Bedenken. An der inhaltlichen Wirkung der Aufforderung zur Vorlage der erforderlichen Vollmacht konnte es auch keinen Abbruch tun, daß das Erstgericht diese Anordnung nicht mit Beschluß überschrieb (siehe etwa ZP‑Form 58). Dem Beklagten gegenüber wurde jedenfalls klar zum Ausdruck gebracht, daß das Erstgericht unter den „Folgen des § 85 Abs 2 ZPO“ die Vorlage der Vollmacht der neu zur Vertretung im Revisionsverfahren herangezogenen Rechtsanwälte für erforderlich hielt, was – wie oben dargestellt wurde – der Gesetzeslage entsprach.

Gemäß § 37 Abs 1 ZPO hat das Gericht den Mangel der Vollmacht in jeder Lage des Rechtsstreites von Amts wegen zu berücksichtigen. Das Berufungsgericht entsprach demnach sowohl dieser Bestimmung als auch dem § 508 Abs 3 ZPO, welcher auch für rechtsunwirksam erhobene Revisionen anzuwenden ist, als es die ihm vorgelegte Revision zurückwies. Die durch eine dem Gesetz gemäß gezeichnete Prozeßvollmacht ausgewiesene Vertretungsmacht des Rechtsanwaltes ist Prozeßhandlungsvoraussetzung; wenn sie fehlt, sind die Prozeßhandlungen des Einschreiters unbeachtlich (JBl. 1976, 96 ua). Ein solcher Fall lag dem Gericht zweiter Instanz vor, weshalb es die nicht von einer ausgewiesenen Vollmacht der einschreitenden Rechtsanwälte legitimierte Revision in zutreffender Weise zurückwies.

Dem Rekurs war somit der Erfolg zu versagen.

Der Kostenausspruch beruht auf den §§ 40, 50 ZPO.

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