Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger begehrt die Scheidung seiner mit der Beklagten im Jahre 1943
geschlossenen Ehe, weil er seit dem Jahre 1972 getrennt von der Beklagten lebe und das eheliche Verhältnis tiefgreifend und unheilbar zerrüttet sei.
Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Sie behauptet, die Ehe sei nicht zerrüttet und die Wiederherstellung der bis April 1981 aufrechten ehelichen Gemeinschaft durchaus zu erwarten. Selbst bei Annahme der Zerrüttung der Ehe wäre das Klagebegehren aber abzuweisen, weil dies den Kläger weniger hart treffen würde als die Klagsstattgebung die Beklagte, auf deren Alter und schlechten Gesundheitszustand Bedacht zu nehmen sei wie ebenso auf die lange Dauer der Ehe, welcher zwei Kinder entstammten. Für den Fall der Scheidung müsse das Alleinverschulden des Klägers an der Zerrüttung der Ehe ausgesprochen werden, zumal er gegen ihren Willen ehewidrige Beziehungen zu einer anderen Frau aufgenommen habe. Der Kläger gestand das Alleinverschulden an der Zerrüttung der Ehe zu.
Das Erstgericht sprach die Scheidung der Ehe der Streitteile gemäß § 55 Abs 3 EheG aus und stellte gemäß § 61 Abs 3 EheG fest, daß den Kläger das Alleinverschulden an der Zerrüttung der Ehe treffe. Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil. Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wendet sich die auf § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision der Beklagten mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht gerechtfertigt.
Das Erstgericht stellte u.a. fest, daß der Kläger im Jahre 1972 aus der gemeinsamen Ehewohnung in Wien auszog, sich in Graz niederließ und sodann am 16. August 1978 von Graz in das Fürstentum Liechtenstein übersiedelte, wo er in der Gemeinde Eschen einen neuen Wohnsitz begründete. Spätestens seit diesem Zeitpunkt ist die häusliche Gemeinschaft zwischen den Streitteilen vollkommen aufgehoben. Vor der übersiedlung nach Liechtenstein hatte der Kläger der Beklagten erklärt, daß er die Ehe nicht mehr fortsetzen wolle. Die Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft durch ihn ist eigenmächtig und entgegen dem Willen der Beklagten erfolgt. In der Zwischenzeit ging er auch ein Verhältnis mit einer anderen Frau ein. Zwischen den Streitteilen besteht nur mehr Kontakt insofern, als sie gemeinsam eine Firma in Österreich führen und 'irgendwie Verbindung über die gemeinsamen Kinder hatten'.
In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht von der Feststellung der Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft der Streitteile vor mehr als sechs Jahren aus und hielt demgemäß die Voraussetzungen für die Scheidung gemäß § 55 Abs 3 EheG ohne Bedachtnahme auf den Widerspruch der Beklagten für gegeben. Das Berufungsgericht hielt weder die Verfahrens- und Beweisrüge der Beklagten noch ihre Rechtsrüge für gerechtfertigt. Nach Ablauf der in § 55 Abs 3 EheG vorgesehenen Frist von sechs Jahren entfalle entgegen der Ansicht der Berufungswerberin nicht nur die für den Fall des Widerspruches vorgesehene Prüfung des Verschuldens an der Zerrüttung der Ehe und die Abwägung der beiderseitigen Lebensumstände, sondern auch die Verpflichtung des Gerichtes, sich gemäß § 55 Abs 1 EheG davon zu überzeugen, ob nach den Umständen des Falles die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft zu erwarten sei. Die Bestimmung des § 55 Abs 3 EheG erscheine schließlich entgegen der Rechtsansicht der Berufungswerberin auch verfassungsrechtlich unbedenklich. In der Revision bekämpft die Beklagte zunächst die Ausführungen des Berufungsgerichtes zu ihrer 'Beweis- und Tatsachenrüge'. Nach ständiger Rechtsprechung ist auch in Ehesachen eint Bekämpfung der berufungsgerichtlichen Beweiswürdigung vor dem Revisionsgericht nicht zulässig (EF 32.086, 34.492; 2 Ob 525/83 u.a.). Das diesbezügliche Revisionsvorbringen ist daher unbeachtlich. Im weiteren erklärt die Revisionswerberin, in der Literatur werde teilweise die Auffassung vertreten, daß auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 55 Abs 3 EheG noch zu prüfen sei, ob eine tiefgreifende und unheilbare Zerrüttung der Ehe vorliege, also deren Wiederherstellung nicht zu erwarten sei. Die Rechtsprechung sei dieser Literatur zwar nicht gefolgt, doch könne deren Ansicht im Hinblick auf den Wortlaut des § 55 Abs 3 EheG 'nicht von der Hand gewiesen werden'. Ob mit der Wiederherstellung der Ehe der Streitteile wegen des Vorliegens einer unheilbaren Zerrüttung nicht mehr gerechnet werden könne, sei von den Unterinstanzen nicht mit der notwendigen Genauigkeit geprüft worden. Obgleich der Oberste Gerichtshof schon mehrfach ausgesprochen hat, daß die Bestimmung des § 55 Abs 3 EheG verfassungsrechtlich nicht bedenklich sei, werde dennoch auch auf eine solche Verfassungswidrigkeit wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes hingewiesen und müsse diese Frage auf Grund eines gerichtlichen Antrages vom Verfassungsgerichtshof geprüft werden.
Den Revisionsausführungen kann nicht gefolgt werden. Nach der Regelung des § 55 Abs 3 EheG ist dem Scheidungsbegehren jedenfalls stattzugeben, wenn die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten seit 6 Jahren aufgehoben ist. Wie der Oberste Gerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat (SZ 52/140; 5 Ob 661/81, 2 Ob 505/82, 6 Ob 532/82, 7 Ob 623/82 u.a.), läßt der Gebrauch des Wortes 'jedenfalls' unter Bedachtnahme auf die Systematik und den Gesamtzusammenhang der Regelungen des § 55 Abs 1 bis 3 EheG keinen Zweifel an der Absicht des Gesetzgebers zu, mit der Bestimmung des Abs 3 einen von den Voraussetzungen der Absätze 1
und 2 unabhängigen, absolut wirkenden Scheidungstatbestand zu normieren. Nach erwiesener 6-jähriger Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft der Ehegatten ist dem Scheidungsbegehren daher ohne jede weitere Voraussetzung, also auch ohne Prüfung der Frage der unheilbaren Zerrüttung der Ehe, stattzugeben. Die in einem Teil der Literatur geäußerte gegenteilige Ansicht hat der Oberste Gerichtshof unter ausführlicher Darlegung der Entstehungsgeschichte der neuen Regelung des § 55 EheG und im Hinblick auf den völlig eindeutigen Gesetzeswortlaut als nicht überzeugend erachtet. Die Revisionswerberin kann demgegenüber keinerlei neue Gesichtspunkte für die von ihr begehrte Gesetzesauslegung vorbringen. Das gleiche gilt für die von ihr behauptete Verfassungswidrigkeit der vorgenannten Bestimmung. Der Oberste Gerichtshof hat eine in dieser gelegene mögliche Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes, worauf die Revisionswerberin selbst hinweist, ausdrücklich verneint (EvBl 1979/234;
EF 34.009; 6 Ob 532/82 u.a.). Der erkennende Senat folgt der hiefür gegebenen, nicht widerlegten Begründung. Zu einer Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof besteht daher kein Anlaß. Der ungerechtfertigten Revision war demgemäß ein Erfolg zu versagen. Der Kläger hat im Revisionsverfahren keine Kosten verzeichnet, sodaß eine Kostenentscheidung entfällt.
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