OGH 4Ob55/85

OGH4Ob55/8514.5.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl und Dr.Gamerith und die Beisitzer Dr.Schaffelhofer und Dr.Neuwirth als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Angelika A, Angestellte, Wien 16., Habichergasse 15/15, vertreten durch Hermann Peter, leitender Sekretär der Gewerkschaft der Privatangestellten Wien, dieser vertreten durch Dr.Georg Grießer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr.Otwin B, Steuerberater, Wien 8., Alserstraße 43/7, vertreten durch Dr.Franz Calice, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 71.047,73 s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZSR Wien als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 29.November 1984, GZ 44 Cg 137/84-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 20.Feber 1984, GZ 9 Cr 2131/83-5, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit S 3.553,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 268,50 USt. und S 600,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war in der Steuerberatungskanzlei des Beklagten vom 1.6.1977 bis 7.10.1983 als Angestellte beschäftigt. Am 26.9.1983 teilte die Klägerin der Kanzlei telefonisch mit, daß sie einen Nervenzusammenbruch gehabt habe, an Kreislaufstörungen leide und frühestens in zwei Wochen wieder arbeiten könne. Mit Schreiben vom 30.9.1983 forderte der Beklagte die Klägerin auf, binnen drei Tagen eine amtsärztliche Bestätigung über ihre Arbeitsunfähigkeit vorzulegen. Mit Schreiben vom 4.10.1983 übermittelte die Klägerin dem Beklagten eine ärztliche Bestätigung über ihre Arbeitsunfähigkeit. Mit der Klägerin war vereinbart, daß ihr Gehalt auf ihr Konto überwiesen werden sollte. Am 6.10.1983, 11,45 Uhr, teilte die Klägerin dem Büro des Beklagten mit, sie gebe ihm heute und morgen Zeit, ihren Septembergehalt 1983 zu überweisen. Sollte die überweisung bis dahin nicht durchgeführt sein, 'kündige sie fristlos mit Montag dem 10.10.1983'. Am Freitag, dem 7.10.1983 übermittelte der Beklagte seiner Bank einen Auftrag zur überweisung des Septembergehaltes der Klägerin. Dieser Auftrag langte am 10.10.1983 bei der Bank ein. Der Gehalt wurde der Klägerin am 11.10.1983 gutgeschrieben. Mit Schreiben vom 7.10.1983 zur Post gegeben am 8.10.1983, teilte die Klägerin mit, daß sie wegen Nichteinhaltung der termingerechten Gehaltszahlung 'mit Wirkung vom 10.10.1983 fristlos kündige'. Dieses Schreiben langte am 10.10.1983 beim Beklagten ein.

Die Klägerin begehrte vom Beklagten zuletzt (AS 17, 52) an Kündigungsentschädigung, Weihnachtsremuneration und Abfertigung abzüglich geleisteter Teilzahlungen den der Höhe nach außer Streit stehenden Betrag von insgesamt S 71.047,73 netto sA mit der Behauptung, daß sie wegen Vorenthaltens des Septembergehaltes aus einem wichtigen Grund vorzeitig ausgetreten sei.

Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wendet ein, daß er den Gehalt innerhalb der von der Klägerin gesetzten Nachfrist aufforderungsgemäß überwiesen habe. überdies handle es sich um eine Holschuld.

Das Erstgericht sprach der Klägerin - insoweit ungekämpft - S 1.079,80 zu und wies das restliche Klagebegehren ab, weil der Beklagte innerhalb der Nachfrist, die ihm die Klägerin gesetzt habe, die überweisung des Septembergehaltes 1983 veranlaßt habe. Der Klägerin habe bewußt sein müssen, daß die geforderte überweisung längere Zeit als eine Barzahlung in Anspruch nehme. Im Berufungsverfahren brachte der Beklagte als Berufungsgegner ergänzend vor, er habe die Klägerin am 7.10.1983 unter Androhung der Entlassung aufgefordert, neuerlich eine Krankenstandsbestätigung für die Zeit ab 4.10.1983 vorzulegen. Mit Rücksicht darauf und zufolge der im wesentlichen umgehend erfolgten Gehaltsüberweisung sei der vorzeitige Austritt der Klägerin nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem, traf ergänzend (bereits im eingangs wiedergegebenen Sachverhalt berücksichtigte) Feststellungen und gab dem Klagebegehren in Stattgebung der Berufung durch Zuspruch von weiteren S 69.967,63 netto zur Gänze statt.

Da der Gehalt der Klägerin in der letzten Zeit regelmäßig auf ihr Konto überwiesen worden sei, habe der Beklagte von dieser Zahlungsweise nicht mehr einseitig abgehen dürfen. Er sei verpflichtet gewesen, den Septembergehalt so rechtzeitig auf das Konto der Klägerin zu überweisen, daß er ihr am Fälligkeitstage zur Verfügung gestanden wäre. Die Fälligkeit des Monatsgehaltes der Klägerin sei gemäß § 15 AngG je zur Hälfte spätestens am 5. und am Letzten eines jeden Monats eingetreten, da eine davon abweichende Vereinbarung nicht behauptet worden sei. Das Schreiben des Beklagten vom 30.9.1983, mit dem er von der Klägerin die Vorlage einer Bestätigung über ihre Arbeitsunfähigkeit verlangt habe, sei auf die Fälligkeit des Septembergehaltes ohne Einfluß gewesen. Die Klägerin habe dem Verlangen des Beklagten ohne Säumnis entsprochen. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, dem Beklagten eine Nachfrist zu gewähren. Der Beklagte habe die bis 7.10.1983 gesetzte Nachfrist nicht eingehalten, weil jener Zeitpunkt entscheidend sei, zu dem der Arbeitnehmer auf seinem Konto über den Betrag verfügen könne. Dem Beklagten sei ein ganzer Tag zur Verfügung gestanden, um durch Bareinzahlung auf das Konto der Klägerin die ihm gesetzte Frist einzuhalten. Die Klägerin sei daher aus wichtigem Grund berechtigt vorzeitig ausgetreten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist nicht berechtigt.

Da der Beklagte vorbrachte, daß der Gehalt der Klägerin über ihren Wunsch in letzter Zeit regelmäßig auf ihr Konto überwiesen wurde, und auch die Klägerin in ihrem Vorbringen von dieser Zahlungsweise ausgeht, ist der rechtlichen Beurteilung eine Vereinbarung der Streitteile zugrundezulegen, wonach die überweisung des Arbeitsentgelts auf das von der Klägerin angegebene Konto zu erfolgen hatte. Der Beklagte war daher verpflichtet, die dazu erforderlichen Dispositionen unter Berücksichtigung der üblichen überweisungsdauer so rechtzeitig zu treffen, daß der Gehalt dem Konto der Klägerin am Fälligkeitstag bereits gutgeschrieben war. Ob die erste Hälfte des Septembergehaltes gemäß der durch die heutige Praxis wohl weitgehend überholten Regel des § 15 Satz 1 AngG bereits am 15.9.1983 fällig gewesen wäre (worauf sich die Klägerin gar nicht stützte), kann dahingestellt bleiben. Die unterbliebene Erörterung dieser Frage in zweiter Instanz ist ohne Relevanz, weil der Klägerin das gesamte Septemberentgelt jedenfalls am 30.9.1983 auf ihrem Gehaltskonto hätte zur Verfügung stehen müssen. Eine mit der Klägerin geschlossene Vereinbarung, daß ihr Gehalt am letzten Tag des Monats erst vom Konto des Revisionswerbers abgebucht sein müsse und die überweisungsfrist zu ihren Lasten gehe, wurde in erster und zweiter Instanz nicht behauptet. Zudem ist aber die Vorschrift des § 15 AngG, soweit eine ungünstigere Vereinbarung als nach Satz 2 ('Die Zahlung für den Schluß eines jeden Kalendermonats kann vereinbart werden') getroffen wird, gemäß § 40 AngG zwingendes Recht, sodaß Vereinbarungen, wonach das Entgelt des Angestellten erst später als am Schluß eines jeden Kalendermonats zu zahlen ist, nichtig sind (Martinek-Schwarz, AngG 6 318,322).

Der Beklagte hat somit der Klägerin das ihr für September 1983 gebührende Entgelt, über das am 30.9.1983 weder dem Grunde noch der Höhe nach Meinungsverschiedenheiten bestanden, durch Unterlassung der rechtzeitigen überweisung zumindest aus Nachlässigkeit ungebührlich während einer nicht unerheblichen Frist vorenthalten. Es mußte ihm bei gehöriger Aufmerksamkeit bewußt sein, daß seine Vorgangsweise unrechtmäßig war (vgl.Arb.9082; 10.147 ua). Die Klägerin wäre daher schon am 6.10.1983 zum vorzeitigen Austritt berechtigt gewesen. Sie hatte aber die unter Androhung dieser Sanktion gesetzte Nachfrist abzuwarten. Die Behauptung des Revisionswerbers, er habe dem Verlangen der Klägerin entsprochen und die Nachfrist eingehalten, ist verfehlt. Er übersieht, daß die Klägerin bei der Setzung der Nachfrist ausdrücklich verlangte, daß die überweisung bis 7.10.1983 durchgeführt (und nicht nur veranlaßt!) sein müsse, was auch aus der angedrohten Sanktion ('fristlose Kündigung mit Montag, 10.10.1983') hervorgeht, da die Klägerin, wenn sie nur die Veranlassung der überweisung bis 7.10.1983 verlangt hätte, unter Berücksichtigung der üblichen Durchführungsfristen am 10.10.1983 noch gar nicht hätte beurteilen können, ob ihrem Verlangen entsprochen worden sei. Das Verlangen der Klägerin war somit deutlich erkennbar dahin zu verstehen, daß der Beklagte für eine rechtzeitige Gutschrift des Septembergehaltes auf ihrem Konto bis 7.10.1983 Sorge tragen müsse. Diesem Verlangen hat der Beklagte, der bereits eine Woche mit der Gehaltszahlung in Verzug war, nicht entsprochen, obwohl es, etwa durch Bareinzahlung, ohne weiteres möglich gewesen wäre, der Klägerin den Betrag noch bis 7.10.1983 zu verschaffen.

Durch den seit 26.9.1983 währenden Krankenstand der Klägerin wurde die Fälligkeit des Septembergehaltes nicht beeinflußt. Gemäß § 8 Abs 8 AngG ist der Angestellte verpflichtet, ohne Verzug die Dienstverhinderung dem Dienstgeber anzuzeigen und auf dessen Verlangen, das nach angemessener Zeit wiederholt werden kann, eine Bestätigung der zuständigen Krankenkassa oder eines Amts- oder Gemeindearztes über Ursache und Dauer der Arbeitsunfähigkeit vorzulegen. Kommt der Angestellte diesen Verpflichtungen nicht nach, so verliert er für die Dauer der Säumnis den Anspruch auf das Entgelt. Die Klägerin hat der Vorschrift des § 8 Abs 8 AngG entsprochen. Sie zeigte ihre Dienstverhinderung schon am ersten Tag ihrer Erkrankung (26.9.1983) an und entsprach auch dem Verlangen des Dienstgebers zur Beibringung einer Bestätigung über ihre Arbeitsunfähigkeit fristgerecht. Mit dem Revisionsvorbringen, die Klägerin habe fünf Tage lang keine Krankmeldung erstattet und diese erst am sechsten Abwesenheitstag telefonisch nachgeholt, weicht der Revisionswerber von der Feststellung des Erstgerichtes, daß die Klägerin ab 26.9. im Krankenstand war, und von der Feststellung des Berufungsgerichtes, daß sie an diesem Tag ihre Dienstverhinderung bekanntgab, ab. Das Berufungsgericht hat allerdings Feststellungen darüber, daß der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 7.10.1983 (Beilage 8) unter Androhung der fristlosen Entlassung neuerlich aufforderte, eine Bestätigung über ihren weiteren Krankenstand für die Zeit ab 5.10.1983 vorzulegen oder den Dienst anzutreten, nicht getroffen. Aus der von der Klägerin mit Schreiben vom 4.10.1983 vorgelegten Bestätigung ging aber nicht hervor, daß der 4.10.1983 der letzte Tag ihrer Dienstunfähigkeit war. Ob der Beklagte zu einer Wiederholung seines Verlangens, daß die Klägerin über den weiteren Krankenstand eine Bestätigung vorlege, berechtigt war, kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn der Klägerin für die Zeit ab 4.10.1983 insofern Säumnisse zur Last fielen, konnte davon nur ihr Entgeltanspruch für die weitere Dauer der Säumnis, nicht aber ihr Anspruch auf den Septembergehalt berührt werden. Wegen Unklarheiten über die Dauer des bis 4.10.1983 schon bescheinigten Krankenstandes der Klägerin war ein Zuwarten mit der Abweisung des am 30.9.1983 fällig gewordenen Septembergehaltes nicht gerechtfertigt. Die vom Revisionswerber vermißten Feststellungen sind daher unerheblich. Von einem Fehlen des Unrechtsbewußtseins des Dienstgebers kann bei dem vorliegenden Sachverhalt nicht gesprochen werden.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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