OGH 2Ob562/85

OGH2Ob562/857.5.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Friedrich S***, Geschäftsführer, Graz, Sigmundstadl 3, vertreten durch Dr. Leo Kaltenbäck, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien

1.) Alois G***, Pensionist, St. Veit a.d.Glan, Bürgergasse 1, vertreten durch Dr. Christian Moser, Rechtsanwalt in Graz,

2.) Elisabeth G***, Hausfrau, St.Margarethen, Auweg 10, vertreten durch Dr. Siegfried Leitner, Rechtsanwalt in Graz, wegen Feststellung, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 6. Februar 1985, GZ 5 R 168/84-83, womit das Urteil des Landesgerichtes f. ZRS Graz vom 15.Juni 1984, GZ 6 Cg 61/82-70, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Keiner der beiden Revisionen wird Folge gegeben.

Die beklagten Parteien haben zur ungeteilten Hand der klagenden Partei die mit S 5.953,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 541,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Melitta S***, die Tochter der Beklagten und geschiedene Ehefrau und Lebensgefährtin des Klägers ist am 22.6.1981 verstorben. Im Verlassenschaftsverfahren wurden zwei undatierte letztwillige Verfügungen vorgelegt, die eine vom Kläger mit dem Wortlaut: "Mein lieber Fritz! Sollte ich einmal sterben, dann sage ich Dir mit diesem Brief, daß ich Dich immer geliebt habe und mein ganzer Reichtum von S 500.000, in Worten fünfhunderttausend, Dein Eigentum ist. Und nimm Dir eine Frau, die Dich ehrlich liebt, nicht so wie Deine Liebe zu mir war, egoistisch und materialistisch. Es tut mir sehr leid, aber ich habe gewußt, daß Du nur mein Geld liebst, darum werde ich dieses Testament in Zukunft wieder ändern. G***". Die zweite von den Beklagten vorgelegte letztwillige Verfügung lautet:

"Wenn ich sterben sollte, gehört alles Vater und Mutter! S*** Melitta." Die Streitteile gaben je auf Grund des von ihnen vorgelegten Testamentes Erbserklärungen ab, die zu Gericht angenommen wurden. Für den Erbrechtsstreit wurde dem Kläger die Rolle der klagenden Partei zugewiesen. Er begehrt die Feststellung, daß ihm auf Grund des mit "G***" unterfertigten Testamentes das Erbrecht zum gesamten Nachlaß zustehe, den Beklagten hingegen auf Grund des von ihnen vorgelegten, mit "S*** Melitta" unterfertigten Testamentes kein Erbrecht zustehe.

Beide Streitteile behaupten jeweils die Unechtheit der Urkunde der Gegenseite, die Beklagten überdies mangelnde Ernstlichkeit und mangelnde Testierabsicht seitens der Erblasserin bei Errichtung der vom Kläger vorgelegten Urkunde.

Das Erstgericht sprach aus, daß dem Kläger auf Grund des undatierten und mit "G***" unterfertigten Testamentes das Erbrecht nach der am 22.6.1981 verstorbenen Melitta S*** zusteht. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteige. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richten sich die Revisionen der Beklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens. Die Zweitbeklagte stellte hilfsweise auch einen Aufhebungsantrag. Der Kläger beantragt, beiden Revisionen nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Keine der beiden Revisionen ist berechtigt.

Das Erstgericht legte seiner Entscheidung den auf den Aktenseiten 440 bis 445 dargestellten Sachverhalt zugrunde. Danach lebten Melitta S*** und der Kläger bereits im Jahre 1961 zusammen. Etwa im September 1961 beschlossen sie, zu heiraten. Zu Ende des Jahres 1961 zeigte Melitta S*** dem Kläger zwei ihr gehörige Sparbücher mit einem Einlagestand von zusammen ca. S 458.000. Zwei bis drei Wochen vor der am 2.3.1962 erfolgten Eheschließung schrieb Melitta S*** das vom Kläger vorgelegte Testament. Sie hatte schon öfters mit dem Kläger davon gesprochen, daß sie ein Geschäft aufmachen wolle, daß ihr aber etwas passieren könne. Das Testament schrieb sie, als sie noch im Bette lag, auf das Vorsatzblatt eines Buches. Soweit ihre Schriftzüge Unregelmäßigkeiten aufweisen, war dies dadurch bedingt, daß Melitta S*** beim Schreiben im Bette lag und nur zum Teil eine Unterlage verwendete. Nachdem sie das beschriebene Blatt aus dem Buch herausgerissen hatte, händigte sie es dem Kläger aus. Bei dem Vermögen von S 500.000 handelte es sich praktisch um das gesamte Vermögen der Melitta S*** im Februar 1982. Die Ehe zwischen ihr und dem Kläger wurde am 20.3.1964 geschieden. Ungeachtet der Scheidung lebten Melitta S*** und der Kläger weiterhin in Lebensgemeinschaft. Es gab fallweise Streit zwischen ihnen, insbesondere da der Kläger gern dem Alkohol zusprach. Die Lebensgemeinschaft war jedoch bis zum Tod der Melitta S*** aufrecht. Beide hatten die Absicht, einander nochmals zu heiraten.

Das von den Beklagten im Verlassenschaftsverfahren vorgelegte Schriftstück wurde nicht von Melitta S*** geschrieben. Nach der Rechtsauffassung des Erstgerichtes sei die vom Kläger vorgelegte Urkunde nach ihrer Form und nach ihrem Inhalt als Testament anzusehen. Aus der Urkunde ergebe sich auch die Absicht der Erblasserin, den Kläger zum Erben einzusetzen. Da es sich bei dem in der Urkunde erwähnten "Reichtum" von S 500.000 um das gesamte Vermögen der Erblasserin im Zeitpunkt der Testamentserrichtung gehandelt habe, liege auch nicht bloß ein Vermächtnis vor. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis einer einwandfreien Bewiswürdigung und teilte auch die Rechtsmeinung des Erstgerichtes.

Da sich beide Revisionen im wesentlichen nur gegen die von den Vorinstanzen angenommene Testierabsicht richten, können sie gemeinsam behandelt werden. Insoweit der Erstbeklagte darüber hinaus der letztwilligen Verfügung zugunsten des Klägers nur die Eigenschaft eines Vermächtnisses beilegen will, ist ihm entgegenzuhalten, daß eine Erbeinsetzung und nicht ein Vermächtnis anzunehmen ist, wenn der Erblasser sein ganzes Hab und Gut dem Bedachten zuwenden wollte (Welser in Rummel ABGB Rz 7 zu § 535; NotZ 1978, 208; SZ 35/92).

Grundlegende Voraussetzung für die Gültigkeit eines Testamentes ist der Testierwille, der animus testandi (Welser a.a.O. Rz 9 zu § 565). Die Vorinstanzen haben das Vorliegen des Testierwillens nach dem Inhalt der letztwilligen Verfügung bejaht. Das Ergebnis dieser Urkundenauslegung - andere Beweismittel wurden nicht herangezogen - unterliegt im Rahmen der rechtlichen Beurteilung der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof (SZ 26/49; SZ 25/198; 6 Ob 566/79). Den Vorinstanzen ist darin beizupflichten, daß sich aus dem ersten Teil der Urkunde zunächst jedenfalls die Absicht der Erblasserin ergibt, ihren letzten Willen zu erklären und ihr gesamtes Vermögen dem Kläger zuzuwenden. Der weitere Wortlaut der Urkunde könnte diese Erbeinsetzung nur dann unwirksam machen, wenn er zu der getroffenen Anordnung in Widerspruch stünde. Ein solcher Widerspruch ist etwa gegeben, wenn sich aus dem weiteren Inhalt der Urkunde ergibt, daß der Erblasser die Ereinsetzung wieder zurücknimmt oder die Bedachten enterbt (Weiß in Klang 2 III 260 f). Ein solcher Widerspruch liegt jedoch entgegen der Meinung der Revisionswerber hier nicht vor. Der letzte Satz der Urkunde enthält lediglich den Vorwurf an den Kläger, die Erblasserin nur ihres Geldes wegen geliebt zu haben, und die Ankündigung der Testamentsänderung in Zukunft. Die Möglichkeit des jederzeitigen Widerrufs eines Testamentes ermöglicht es dem Erblasser, von mehreren in Betracht kommenden Erben jeweils denjenigen zu berufen, dem er im Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung den Vorzug geben will. Ein der Erbeinsetzung beigefügter Vorwurf eines bestimmten Verhaltens oder die Ankündigung der Änderung des Testamentes schließt daher den animus testandi nicht aus. Auch der Hinweis der Revisionswerber auf das Motiv der Ehescheidung, das Vermögen der Melitta S*** dem Zugriff der Gläubiger des Klägers zu entziehen, ist nicht zielführend, weil für die Beurteilung des Vorhandenseins des animus testandi die Umstände im Zeitpunkt der Errichtung des Testamentes maßgebend sind (Ehrenzweig-Kralik Erbrecht 120). Die Unterzeichnung des Testamentes lediglich mit dem Familiennamen, die für die Wirksamkeit des Testamentes genügte (Welser a.a.O. Rz 6 zu § 578), läßt keine Rückschlüsse auf eine mangelnde Testierabsicht zu.

Demgemäß ist beiden Revisionen ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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