Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben. Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung zu lauten hat:
'Die zwischen der Klägerin Theresia A, geborene B, geboren am 25. März 1959 in Wolfsegg, und dem Beklagten Oskar Josef A, geboren am 27.November 1955 in Schwanenstadt, am 30.August 1980 vor dem Standesamt Schwanenstadt geschlossene und im Ehebuch unter Nr 50/1980
beurkundete Ehe wird aus dem Verschulden beider Parteien geschieden. Das Verschulden des Beklagten überwiegt.
Der Beklagte hat der Klägerin die mit S 5.310,67 bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz und die mit S 2.742,37 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.' Der Beklagte hat der Klägerin weiters die mit S 3.193,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Beide Parteien sind österreichische Staatsbürger, ihrer am 30.8.1980 geschlossenen Ehe entstammen keine Kinder. Ihr letzter gewöhnlicher Aufenthalt war in Schwanenstadt.
Der Beklagte neigt etwas dem Alkohol zu und hat - wahrscheinlich in alkoholisiertem Zustand - einen Verkehrsunfall verschuldet. Im Jänner und im Juni 1983 hat er - offensichtlich unter Alkoholeinfluß
- die Klägerin mißhandelt. Am 1.9.1983 hat er einen Selbstmordversuch unternommen oder vortäuschen wollen. Der Beklagte hat in zunehmendem Maß kein wirkliches Interesse an der Klägerin gezeigt, wofür auch eine Beeinflussung durch seine Eltern mitursächlich war, die ihre Schwiegertochter in zunehmendem Maß abgelehnt haben. Allerdings haben die Streitteile - mehr oder weniger regelmäßig - bis November oder Dezember 1983 miteinander geschlechtlich verkehrt. Im Jahr 1982 hat der Beklagte gemeinsam mit Freunden mehrmals ein Freudenhaus besucht, wofür er trotz etwas beengter finanzieller Verhältnisse (die Klägerin hatte zur Abdeckung von Schulden den ihr aus einem Bausparvertrag ausbezahlten Betrag aufwenden müssen) S 16.500,- zu bezahlen hatte. Am 8.10.1983 sah sich die Klägerin veranlaßt, aus der Ehewohnung wegzugehen und zu ihren Eltern zurückzukehren; dies im allgemeinen wegen des gespannten Verhältnisses zu ihren Schwiegereltern und im besonderen, weil sie an diesem Tag ein Gespräch zwischen dem Kläger und seinem Vater belauscht hatte, in dem sich der Vater des Klägers äußerte, mit der Beklagten, die zuckerkrank ist, müsse etwas geschehen, sie müsse ins Krankenhaus nach Vöcklabruck oder ins Wagner-Jauregg-Krankenhaus kommen. Am 19.10.1983 kehrte die Klägerin dann wieder in die Ehewohnung zurück, und zwar mit der Absicht, die eheliche Gemeinschaft mit dem Beklagten fortzusetzen. Der Beklagte ist jedoch
- sowohl auf Grund seiner Einstellung zur Klägerin als auch auf Grund der Einflußnahme durch seine Eltern - in der Wohnung der Eltern im Parterre geblieben und ist nur gelegentlich in die Ehewohnung im 1.Stock gegangen. Die Klägerin ist aber ohnedies an den Wochenenden bei ihren Eltern gewesen. Ende November 1983 hat sie Karl C jun. näher kennen gelernt, woraus sich ein intimes Verhältnis entwickelte; der erste Geschlechtsverkehr fand um die Weihnachtszeit 1983 statt. Dieser Umstand hatte zur Folge, daß die Klägerin sich noch öfters im Haus ihrer Eltern aufhielt, weil sie dort mit Karl C jun. zusammentraf. Diese Beziehung dauerte bis März oder April 1984. Während dieser Zeit hat die Klägerin ihren Freund von dessen Eltern wiederholt abgeholt oder besucht. Außerdem hat sie ihm seine Sachen für eine Reise nach Rußland zusammengepackt, wo er sich ca. 1 1/2 Monate auf Montage befand (Jänner/Februar 1984). Der Beklagte hat von der Beziehung seiner Frau zu Karl C jun. relativ schnell erfahren; besonders betroffen war er jedoch davon nicht und hat auch der Klägerin keine Vorhaltungen gemacht. Die Klägerin war über Weihnachten bis zum 2.1.1984 bei ihren Eltern und hat sich an diesem Tag bei ihrer Rückkehr in die Ehewohnung nach einem Streit mit ihrem Schwiegervater entschlossen, endgültig wegzuziehen. Seither leben die Parteien getrennt und sehen keine Möglichkeit mehr, miteinander eine normal funktionierende Ehegemeinschaft aufzubauen. Die Klägerin begehrte die Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden des Beklagten.
Der Beklagte sprach sich nicht gegen die Scheidung aus, beantragte jedoch, das überwiegende Verschulden der Klägerin auszusprechen. Das Erstgericht schied die Ehe aus beiderseitigem gleichteiligen Verschulden. Es vertrat die Ansicht, beide Parteien hätten schwere Eheverfehlungen begangen. Obwohl es der Beklagte gewesen sei, der zuerst Eheverfehlungen begangen habe, könne dieser Umstand bei der Schwere der Eheverfehlung der Klägerin (Ehebruch) nur dazu führen, daß die auf beiden Seiten gesetzten ehefeindlichen Verhaltensweisen als etwa gleich schwer einzustufen seien. Die Klägerin habe nämlich ihre ehebrecherischen Beziehungen bereits zu einem Zeitpunkt aufgenommen, als die Ehe noch nicht gänzlich zerrüttet, sondern eine Ehegemeinschaft noch vorhanden gewesen sei, die durch diese ehebrecherischen Beziehungen belastet worden seien. Das Berufungsgericht gab den von beiden Parteien erhobenen Berufungen nicht Folge. Zu der im Revisionsverfahren noch zu entscheidenden Frage, ob das Verschulden der Klägerin gleich schwer wiege wie das des Beklagten oder ob dessen Verschulden überwiege, führte das Berufungsgericht aus, auf Grund des festgestellten Sachverhaltes könne nicht davon gesprochen werden, daß die Ehe bereits Ende November 1983 vollkommen zerrüttet gewesen sei, weil die Streitteile noch bis November oder Dezember 1983 miteinander geschlechtlich verkehrt hätten und der Beklagte zu dieser Zeit noch gelegentlich in die Ehewohnung in den ersten Stock gekommen sei. Wenn auch der Beklagte von den ehewidrigen Beziehungen seiner Frau nicht besonders betroffen gewesen sei, so habe ihn dies doch unangenehm berührt. Das ehebrecherische Verhältnis der Klägerin müsse demnach schon auf Grund dieser Umstände als Scheidungsgrund gewertet werden. Abgesehen davon stelle ein Ehebruch einen absoluten Scheidungsgrund dar, so daß eine ehezerstörende Wirkung nicht Voraussetzung sei und auch ein nach Zerrüttung der Ehe erfolgter Ehebruch eine Scheidung aus dem Verschulden des Ehebrechers rechtfertige. Das ehebrecherische Verhältnis der Klägerin rechtfertige trotz der Eheverfehlungen, die sich der Beklagte habe zuschulden kommen lassen, den Ausspruch gleichteiligen Verschuldens. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß das überwiegende Verschulden des Beklagten ausgesprochen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Mit Recht wendet sich die Klägerin gegen die Ansicht der Vorinstanzen, die Ehe sei zur Zeit des Beginnes ihres ehebrecherischen Verhältnisses noch nicht zerrüttet gewesen. Hiebei ist zu berücksichtigen, daß der Beklagte die Klägerin unter Alkoholeinfluß im Jänner und Juni 1983 mißhandelte und er im September 1983 einen Selbstmordversuch unternahm oder vortäuschte. Er zeigte in zunehmendem Maß kein Interesse mehr an der Klägerin. Schon im Jahr 1982
hatte er mehrmals ein Freudenhaus besucht und hiebei trotz beengter finanzieller Verhältnisse S 16.500,- ausgegeben. Im Juni 1983 brachte er eine Klage ein, in der er die Ehescheidung aus dem Verschulden der nunmehrigen Klägerin begehrte (in diesem Verfahren erging in erster Instanz ein klagsabweisendes Urteil, in zweiter Instanz trat Ruhen des Verfahrens ein).
Bei seiner Parteienvernehmung in diesem Verfahren am 14.10.1983 sagte er aus, er möchte die Ehe auf keinen Fall mehr fortsetzen. Als die Klägerin am 19.10.1983 in die Ehewohnung zurückkehrte, verblieb er in der Wohnung seiner Eltern. Daß er noch gelegentlich in die Ehewohnung ging, ist ohne Bedeutung.
Aus diesem Grund ist davon auszugehen, daß die Ehe schon vor Weihnachten 1983
weitgehend zerrüttet war. Daran vermag der Umstand, daß die Ehegatten noch bis November oder Dezember 1983 geschlechtlich verkehrten, nichts zu ändern.
Das ehebrecherische Verhältnis der Klägerin begann erst etwa zu Weihnachten 1983, also zu einem Zeitpunkt, als die Ehe aus dem Verschulden des Beklagten bereits weitgehend zerrüttet war. Wohl ist dieses ehebrecherische Verhältnis als schwere Eheverfehlung anzusehen, sie erscheint im Sinne der ständigen Rechtsprechung aber in einem milderen Licht und hindert nicht den Ausspruch des überwiegenden Verschuldens des Klägers. (EFSlg 38.793, 41.286, 43.687, 43.688 ua).
Diesem ehewidrigen Verhalten der Klägerin steht nicht nur gegenüber, daß der Beklagte schon im Jahr 1982 mehrmals ein Freudenhaus besuchte und dort Ausgaben machte, die im Hinblick auf die finanziellen Verhältnisse der Streitteile keinesfalls unbedeutend waren, sondern auch, daß er im Jahr 1983
unter Alkoholeinfluß die Klägerin mißhandelte und einen Selbstmordversuch unternahm oder vortäuschte, weiters, daß er an der Klägerin kein Interesse mehr zeigte und nicht in der Ehewohnung, sondern in der Wohnung seiner Eltern wohnte; dadurch führte er die Zerrüttung der Ehe herbei. Da bei der Verschuldensabwägung vor allem zu berücksichtigen ist, wer mit der schuldhaften Zerrüttung der Ehe den Anfang machte (EFSlg 43.678, 43.682 uva), ist trotz des ehebrecherischen Verhältnisses der Klägerin der Ausspruch des überwiegenden Verschuldens des Beklagten gerechtfertigt. Aus diesen Gründen war der Revision Folge zu geben. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz beruht auf den §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO, wobei der Klägerin die Hälfte ihrer Kosten zuzusprechen war. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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