OGH 2Ob571/84

OGH2Ob571/8423.4.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Melber, Dr.Huber und Dr.Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Firma A Realitäten Gesellschaft m.b.H., 1040 Wien, Prinz-Eugen-Straße 70, vertreten durch Dr.Josef Bock, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dipl.Ing.Dr.Karl F.B, Architekt, 1040 Wien, Prinz-Eugen-Straße 70, vertreten durch Dr.Gustav Witt, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 25. Jänner 1984, GZ 41 R 3/84-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Sadt Wien vom 3.Oktober 1983, GZ 43 C 893/82-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte hat der klagenden Partei die mit S 2.459,68 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 214,88 USt. und S 96,-Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei kündigte dem Beklagten das von ihm gemietete, im Hause 1040 Wien, Prinz-Eugen-Straße 70/7, gelegene Atelier aus den Kündigungsgründen des § 30 Abs 2 Z 1 und 7 MRG mit der Begründung auf, er habe trotz Abmahnung einen Mietzinsbetrag von S 785,80 nicht bezahlt und der Bestandgegenstand werde nicht regelmäßig zu der im Vertrag bedungenen geschäftlichen Tätigkeit verwendet. Der Beklagte bestritt das Vorliegen der behaupteten Kündigungsgründe und beantragte, die Aufkündigung für unwirksam zu erklären. Das Erstgericht hob die Aufkündigung als rechtsunwirksam auf und wies das Klagebegehren auf Rückstellung des Bestandobjektes ab. Das Berufungsgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam und gab dem Klagebegehren demgemäß statt; es erklärte die Revision für zulässig.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhebt der Beklagte eine auf § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision mit dem sinngemäßen Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteiles; hilfsweise stellt er auch einen Aufhebungsantrag.

Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Das Erstgericht legte seiner Entscheidung nachstehenden Sachverhalt zugrunde: Der Beklagte mietete das im Eigentum der klagenden Partei stehende Atelier im Jahre 1951 zu Bürozwecken gemeinsam mit einem Kollegen, der vor acht Jahren in Pension ging und sein Bestandverhältnis auflöste. Er verwendete das Atelier als Architekt für berufliche Zwecke. Seit 1.6.1982 läßt er, nunmehr 74 Jahre alt, seine Architektenbefugnis ruhen, was zur Folge hat, daß die an die Kammer zu bezahlenden Gebühren reduziert sind und während der Dauer des Ruhens der Befugnis eine Pension ausbezahlt wird. Dieser Zustand des Ruhens kann jederzeit ohne Schwierigkeiten, etwa durch briefliche Mitteilung, beseitigt werden. Derzeit arbeitet der Beklagte gemeinsam mit einem Kollegen am Projekt 'Juridische Fakultät'. Die Arbeiten, die eine Aufteilung auf zwei Büros nicht gestatten, finden in den Büroräumlichkeiten des Kollegen statt. Das Ruhen der Befugnis steht der Möglichkeit nicht entgegen, an Projekten mitzuarbeiten, Pläne zu verfassen, Berechnungen durchzuführen usw., sondern bewirkt lediglich, daß der Planverfasser den Plan nicht dokumentieren und im eigenen Namen einreichen darf. Der Beklagte benützt das Atelier hauptsächlich zum Aufbewahren von Planunterlagen, Aktenberechnungen, Druckfahnen etc., wozu er als Architekt verpflichtet ist. Die Aufbewahrung erfolgt in Kästen und Laden, um das Verstauben zu verhindern. Der Beklagte ist auch wissenschaftlich tätig, wobei er kleinere Formate zu Hause herstellt, größere im Atelier. Dort befindet sich auch die Handbibliothek, sodaß er Arbeiten, die ein Nachschlagen erfordern, dort verrichtet. Während des Verfahrens hat der Beklagte den behaupteten Mietzinsrückstand beglichen.

In seiner rechtlichen Beurteilung verneinte das Erstgericht das Vorliegen der geltendgemachten Kündigungsgründe, wobei es hinsichtlich jenes zu § 30 Abs 2 Z 7 MRG die Auffassung vertrat, daß das Bestandobjekt vom Beklagten weiterhin benützt werde, weil es ihm nach wie vor zur ständigen Aufbewahrung von Planunterlagen, Berechnungen usw. diene, wozu er als Architekt verpflichtet sei. Darüberhinaus diene es dem Beklagten bei der Herstellung größerer Formate auch noch immer als Arbeitsstätte und auch als Bibliothek. Somit könne nicht gesagt werden, die Bestandräumlichkeiten würden nicht mehr zu der im Vertrag bedungenen oder einer gleichwertigen geschäftlichen Betätigung regelmäßig verwendet. Daran ändere auch die ruhende Architektenbefugnis nichts.

Das lediglich hinsichtlich des Kündigungsgrundes des § 30 Abs 2 Z 7 MRG angerufene Berufungsgericht erklärte zur Beweisrüge der klagenden Partei, die bekämpfte Feststellung über die Berechtigung des Beklagten, weiterhin im festgestellten Umfang tätig zu sein, erscheine nicht entscheidungserheblich, übernahm die übrigen erstgerichtlichen Feststellungen und traf nach einer teilweisen Beweiswiederholung durch Vernehmung des Beklagten als Partei folgende weitere Feststellungen: Der Beklagte suchte das Atelier in den Jahren 1982 und 1983 jeweils etwa 20mal auf. Diese Besuche dauerten jeweils ca. 10 bis 45 Minuten, höchstens einen halben Tag. Zumeist holte er etwas aus dem Atelier (z.B. Zinszettel), ansonsten stellte er 1982 und 1983 jeweils ca.drei Zeichnungen im Atelier her. Der Beklagte, der nunmehr Privatgelehrter ist, begann nach Zurücklegung seiner Architektenbefugnis stufenweise mit der Räumung des Ateliers. Möbel, Schränke, Zeichentische und eine Zeichenmaschine wurden bereits fortgebracht, sodaß sich nur mehr die Hälfte der ursprünglichen Einrichtungsgegenstände im Atelier befindet. Dies sind vornehmlich Kästen mit Plänen, Schriftstücke und Büchern.

Ausgehend von der erweiterten Sachverhaltsgrundlage kam das Berufungsgericht zur Rechtsansicht, von einer regelmäßigen Benützung des Ateliers zu Bürozwecken im Sinne der Bestimmung des § 30 Abs 2 Z 7 MRG könne unter den gegebenen Umständen nicht die Rede sein. Die Anwesenheit des Beklagten im Atelier sei äußerst beschränkt, eine ständige Verwendung des Ateliers erfolge nur zum Zwecke des Aufbewahrens einiger zum Betrieb eines Architekten gehörender Gegenstände, worin jedoch keine regelmäßige geschäftliche oder gleichwertige Tätigkeit gesehen werden könne.

In der Revision wird vorgebracht, das Berufungsgericht habe die Tätigkeit des Beklagten im Atelier unzutreffenderweise abgewertet. Auch bei seiner nunmehrigen kooperativen Tätigkeit mit einem anderen Architektenbüro handle es sich um eine gleichwertige geschäftliche Tätigkeit bezogen auf das Bestandobjekt, ebenso hinsichtlich seiner in diesem durchgeführten fachwissenschaftlichen Arbeiten. Die eigenen Feststellungen des Berufungsgerichtes seien unrichtig. Insbesondere habe dieses auch die Archivierungspflicht, die jeden Architekten treffe, nicht berücksichtigt. Bei der Prüfung der Intensität der Benützung sei auf die speziellen beruflichen Erfordernisse eines freiberuflich Tätigen Bedacht zu nehmen. Der Revisionswerber benötige das Bestandobjekt jedenfalls weiterhin zur Erfüllung seiner beruflichen Aufgaben.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Soweit der Revisionswerber die ergänzenden berufungsgerichtlichen Feststellungen als unrichtig bekämpft, ist er darauf zu verweisen, daß ein solcher Revisionsgrund im Gesetz nicht vorgesehen ist (§ 503 Abs 1 ZPO). Die diesbezüglichen Ausführungen sind daher unbeachtlich. Im übrigen ist zu entgegnen:

Gemäß § 30 Abs 2 Z 7 MRG ist es als wichtiger Grund, der den Vermieter zur Aufkündigung des Bestandverhältnisses berechtigt, anzusehen, wenn die vermieteten Räumlichkeiten nicht zu der im Vertrag bedungenen oder einer gleichwertigen geschäftlichen Betätigung regelmäßig verwendet werden, es sei denn, daß der Mieter nur vorübergehend wegen Urlaubs, Krankheit oder Kuraufenthalts, abwesend ist.

Das Gesetz fordert also - anders als in der früheren, bezughabenden Bestimmung des § 19 Abs 2 Z 14 MG - für diesen Kündigungsgrund, daß weder eine regelmäßige Verwendung zu der im Vertrag bedungenen noch zu einer gleichwertigen geschäftlichen Betätigung erfolgt. Vorliegendenfalls liegt der im Mietvertrag bedungene Gebrauch des Ateliers in der Führung eines Büros.

Es stellt sich somit zunächst die Frage, ob dieser bedungene Gebrauch weiterhin regelmäßig erfolgt. Da sich der 74jährige Beklagte, der seine Architektenbefugnis ruhen läßt, durchschnittlich betrachtet, einmal in vier Monaten, und dann jeweils maximal durch einen halben Tag im Büro zum Anfertigen 'größerer Formate' aufhält, im übrigen, wiederum durchschnittlich betrachtet, kaum zweimal monatlich, und dabei jeweils nur für 10 bis 45

Minuten, in das Büro kommt, um Unterlagen abzuholen oder in Büchern nachzuschlagen, muß die Frage einer regelmäßigen geschäftlichen Betätigung im Rahmen des bedungenen Gebrauchs verneint werden. In solchen unregelmäßigen und durchschnittlich kaum zweimal monatlich vorgenommenen, im wesentlichen auch nur ganz kurz dauernden und ganz beschränkten Zwecken dienenden Bürobesuchen liegt nämlich bereits eine derart weitgehend eingeschränkte und unregelmäßige Tätigkeit, daß von einer regelmäßigen Verwendung zu Bürozwecken nicht mehr gesprochen werden kann. Daß diese beschränkten Zwecke auch für den Beklagten unbedeutend erscheinen, ergibt sich aus seiner Parteienvernehmung (AS 27), nach welcher er 'das Atelier schon aufgegeben hätte', wenn er für die Unterlagen wo anders Platz fände. Aber auch die auf Grund der Archivierungspflicht der Architekten erfolgende bloße Verwahrung der früheren Geschäftsunterlagen - sie geschieht nach den Angaben in der Parteienvernehmung des Beklagten (AS 26) im wesentlichen in zwei Kästen - kann nicht als wesentlicher Zweck der seinerzeitigen Miete des Ateliers und somit hinreichende Fortsetzung des bedungenen Gebrauchs desselben gewertet werden. Die Verwendungsform als Büro geht begrifflich über jene eines Aktenlagers als möglichen Bestandteil eines Büros weit hinaus. Eine solche Verwendung bloß zu Verwahrungszwecken stellt demgemäß schließlich aber auch nicht - und zwar auch nicht in Zusammenhalt mit den Bürobesuchen des Beklagten - eine dem bedungenen Gebrauch gleichwertige geschäftliche Betätigung dar. Die Miete 'für Bürozwecke' hat, wie ausgeführt, eine wesentlich qualifiziertere Verwendung des ca. 80 m 2 großen Ateliers (siehe Lageplan in Beilage ./2) zum Gegenstand.

Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers hat das Berufungsgericht daher zu Recht den Mangel einer regelmäßigen Verwendung des Ateliers zu der im Bestandvertrag bedungenen oder einer gleichwertigen geschäftlichen Betätigung zugrundegelegt.

Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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