OGH 2Ob536/85

OGH2Ob536/8523.4.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Arnold A, Bibersteinstraße 54, CH-5022 Rombach, 2.) Werner A, Paracelsusweg 5, CH-6370 Stans, 3.) Rosa B, Zürichstraße 46, CH-5200 Windisch, 4.) Hermann C, Allmendstraße 25, CH-6382 Büren, 5.) Martin D, Unterdorf, CH-6386 Wolfenschiessen, 6.) Herbert A, Paracelsusweg 5, CH-6370 Stans, alle vertreten durch Dr. Christoph Schneider, Rechtsanwalt in Kufstein, wider die beklagte Partei E F IM G, reg.Genossenschaft m. b.H., 6364 Brixen im Thale, vertreten durch Dr. Peter Greil, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Vermögensangabe und Eidesleistung, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 18. Oktober 1984, GZ 2 R 243/84-15, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 4.Mai 1984, GZ 14 Cg 680/83-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Kläger haben der Beklagten zur ungeteilten Hand die mit S 11.278,80

bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.920,- Barauslagen und S 850,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind Erben nach dem am 12.9.1979 verstorbenen schweizer Staatsangehörigen Adolf Robert A. Sie brachten vor, erfahren zu haben, daß der Verstorbene den Ehegatten Elisabeth und Hans Wilhelm H anvertraut habe, einen Geldbetrag in beträchtlicher Höhe, vermutlich einen sechsstelligen Betrag in Schweizer Franken, unter einem langfristig gesperrten Nummernkonto bei der Beklagten angelegt zu haben. Da im Nachlaß hierüber keine Urkunden vorgefunden worden seien, könnten keine näheren Angaben gemacht werden, die Kläger seien über die Einlage im Ungewissen. Sie begehren daher, die Beklagte schuldig zu erkennen, unter Vorlage eines Verzeichnisses alles anzugeben, was ihr von einer von Herrn Adolf Robert A bei ihr geleisteten Einlage, über deren Bestand und Höhe zu dessen Todestag am 12.9.1979, sowie von der Verschweigung oder Verheimlichung dieses Vermögens bekannt ist und einen Eid dahingehend zu leisten, daß diese Angaben richtig und vollständig sind.

Die Beklagte wendete ein, schon auf Grund des Bankgeheimnisses dürfe sie keine Auskunft geben. Da die Kläger nicht in der Lage seien, legitimierende Urkunden vorzulegen, bestehe keine Auskunftspflicht. Die Beklagte sei über ein von ihr geführtes Nummernkonto nicht rechnungslegungspflichtig.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Die Beklagte führte für Robert Adolf A zur Zeit seines Todes kein Girokonto oder legitimiertes Sparkonto. Ob und auf Grund welcher Vereinbarung ihm zur Zeit seines Todes oder sonst jemals eine Forderung gegen die Beklagte zustand oder die Beklagte von der Verschweigung oder Verheimlichung eines Vermögens des Verstorbenen vermutlich Kenntnis hat, ist nicht feststellbar.

Von einem Ehepaar erfuhren die Kläger, daß der Erblasser in den letzten Jahren vor seinem Tod auf eine nicht näher bekannte Weise zu nicht näher feststellbaren Bedingungen einen namhaften Geldbetrag, vermutlich im Wert eines sechsstelligen Betrages in Schweizer Franken bei der Beklagten als Geldeinlage eingebracht habe. Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, nach dem ersten Fall des Art. I EGZPO könne nur derjenige eidliche Vermögensangabe verlangen, demgegenüber eine Pflicht zur Vermögensangabe bestehe. Die Kläger hätten eine Vereinbarung zwischen ihrem Rechtsvorgänger und der Beklagten nicht bewiesen, so daß die Beklagte zur Vermögensangabe nicht verhalten werden könne. Nach dem zweiten Fall des Art. I EGZPO genüge zwar der bloße Verdacht der Verheimlichung oder Verschweigung eines Vermögens, doch müßten auch hier die Kläger konkrete Umstände behaupten und beweisen, zumindest aber bescheinigen, welche einen derartigen Verdacht begründen könnten. Die von einem Ehepaar den Klägern zugekommenen Mitteilungen reichten für einen derartigen Verdacht nicht aus.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge. Es führte aus, die Aussagen der Ehegatten B*** stellten zwar Indizien dafür dar, daß Robert Adolf A mit der Beklagten einen Einlagevertrag abgeschlossen habe und zumindest früher ein Guthaben aus diesem Vertrag bei der Beklagten gehabt habe. Die Ehegatten H seien aber nur Zeugen 'vom Hörensagen', so daß ihre Aussagen nicht ausreichten, eine Geschäftsverbindung als erwiesen anzunehmen, wohl aber ergebe sich die Vermutung, daß eine derartige Geschäftsverbindung aus einem Einlagevertrag vorliegen könnte. Da den Klägern der Nachweis einer Geschäftsverbindung nicht gelungen sei, könne Art. I erster Fall EGZPO ihren Anspruch nicht begründen. Einer auf einen bloßen Verdacht gestützten Klage im Sinne des zweiten Falles des Art. I EGZPO stehe das Bankgeheimnis entgegen. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes, in welchem ausgesprochen wurde, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteige, richtet sich die Revision der Kläger. Sie machen den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragen Abänderung im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Kläger vertreten die Ansicht, die bloße Vermutung einer Geschäftsverbindung genüge. Die gegenteilige Ansicht würde den Grundsätzen von Treu und Glauben und den vom Gesetzgeber verlangten Zielen des Bankwesens widersprechen. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen normierten eine Auskunftspflicht der Banken. Das Bankgeheimnis sei im Interesse der Rechtspflege durchbrochen und gelte nicht, wenn der Kunde zustimme. Gegenüber dem Abhandlungsgericht bestehe Auskunftspflicht, wobei die Vermutung einer Geschäftsverbindung genüge. Im vorliegenden Fall könne aber eine Auskunft des Verlassenschaftsgerichtes nicht eingeholt werden, weil nach schweizer Recht kein formelles Verlassenschaftsverfahren mit Einantwortung stattfinde. Die Kläger hätten somit volles Auskunftsrecht gleich dem Verstorbenen über alles, was diesem bekannt gewesen sei. Die Kläger hätten die Klage aber auch auf den zweiten Fall des Art. I EGZPO gestützt. Sie hätten bescheinigt, daß vermutlich eine Geschäftsverbindung bestanden habe, so daß die Beklagte Kenntnis von den vermutlich erlegten Geldern habe. Dieses Vermögen sei den Klägern durch die Auskunftsverweigerung verschwiegen worden. Auch die zweite Ehegattin des Verstorbenen habe, wie aus den Beweisergebnissen hervorgehe, den Klägern dieses Vermögen verheimlicht und verschwiegen. Damit habe sich das Berufungsgericht nicht auseinandergesetzt. Auch die Bank sei von der Verpflichtung gemäß Art. I zweiter Fall EGZPO nicht ausgenommen. Nur dann, wenn sie das Bankgeheimnis eines ihrer Kunden verletzen würde, dürfte sie die Auskunft verweigern. Die Erbeneigenschaft der Kläger sei aber erwiesen, so daß für alle Tatsachen, die die Beklagte auf Grund einer vermutlichen Geschäftsverbindung mit Robert Adolf A erfahren habe, nach § 23 Abs 2 Z 3 KWG die Befreiung der Beklagten vom Bankgeheimnis gegeben sei. Die Beklagte sei daher verpflichtet, den Klägern über verschwiegenes oder verheimlichtes Vermögen Auskunft zu geben, soweit dieses Vermögen bei der Beklagten im Besitz des Erblassers gewesen sei und so lange und so weit dieser über derartige Vermögen verfügungsberechtigt gewesen sei.

Diesen Ausführungen ist folgendes zu entgegnen: Der erste Anwendungsfall des Art. I Abs 1 ZPO schafft keinen neuen bürgerlich rechtlichen Tatbestand für Rechnungslegung oder Vermögensbekanntgabe. Besteht ein Anspruch auf Angabe des Vermögens nach bürgerlichem Recht nicht, dann kann diese Vorschrift nicht zur Anwendung kommen (Fasching II 90). War die Beklagte gegenüber dem Erblasser auskunftspflichtig, dann ist sie dies auch gegenüber dessen Rechtsnachfolgern und kann sich nicht auf das Bankgeheimnis berufen (4 Ob 522/84). Bestand eine derartige Auskunftspflicht gegenüber dem Erblasser nicht, dann haben auch seine Erben keinen Anspruch im Sinne des ersten Anwendungsfalles des Art. I Abs 1 EGZPO auf Bekanntgabe eines Vermögens.

Die Kläger hätten daher Tatsachen beweisen müssen, aus denen ein Anspruch des Erblassers auf Rechnungslegung bzw. Vermögensbekanntgabe und daher auch ein derartiger Anspruch seiner Rechtsnachfolger abgeleitet werden könnte. Einen solchen Beweis haben sie aber nicht erbracht. Die bloße Vermutung von Tatsachen reicht nicht aus, um einen Anspruch zu begründen. Der Hinweis der Revisionswerber auf eine Auskunftspflicht der Bank nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist nicht zielführend, weil die Auskunftspflicht nur gegenüber den Kunden besteht. Daß der Erblasser tatsächlich Kunde der Beklagten war, ist aber nicht erwiesen. Auch der Hinweis auf den Grundsatz von Treu und Glauben und die vom Gesetzgeber verlangten Ziele des Bankwesens vermag kein für die Kläger günstigeres Ergebnis herbeizuführen.

Der zweite Anwendungsfall des Art. I Abs 1 EGZPO stellt im Gegensatz zum ersten Anwendungsfall eine eigene Norm des materiellen Rechtes dar, die bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen auch ohne sonstige rechtliche Verpflichtung zur Vermögensabgabe und Eidesleistung zwingt (Fasching II 89;

SZ 48/114; 4 Ob 522/84). Voraussetzung ist allerdings eine bewußte absichtliche Verschweigung oder Verheimlichung eines Vermögens und daher eine Tätigkeit der Beklagten, die die Verschweigung oder Verheimlichung des Vermögens bezweckt. In einem bloß passiven Verhalten, insbesondere in der bloßen Verweigerung einer Auskunft über ein Vermögen, kann ein Verheimlichen oder Verschweigen im Sinne des Art. I Abs 1 zweiter Anwendungsfall EGZPO nicht erblickt werden (Fasching II 95; SZ 48/114; 4 Ob 522/84). Die Klägerin wirft der Beklagten aber ausschließlich eine solche Auskunftsverweigerung vor. Demnach kann auch der zweite Anwendungsfall des Art. I Abs 1 EGZPO das Klagebegehren nicht rechtfertigen.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die § 41, 50 ZPO.

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