European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1985:0050OB00569.840.0416.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 15.596 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 960 S an Barauslagen und 1.330,40 S an USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin führte im Auftrag der Erstbeklagten, deren persönlich haftender Gesellschafter der Zweitbeklagte ist, mittels Hubschrauber Holztransporte durch.
Mit ihren beim Erstgericht am 24. 10. 1980 und 9. 2. 1981 eingebrachten Klagen begehrte die Klägerin von den Beklagten zur ungeteilten Hand die Bezahlung von 372.476,44 S sA (7 Cg 613/80) und von 257.142,89 S sA (7 Cg 72/81) als Entgelt für die im Juli 1980 auftragsgemäß durchgeführten Hubschrauberholzbringungstransporte.
Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens, weil die Klägerin die Holzbringungsflüge nicht vereinbarungsgemäß durchgeführt habe, wodurch den Beklagten ein die Klagsbeträge übersteigender Schaden entstanden sei, den sie der Klagsforderung gegenüber aufrechnungsweise einwendeten.
Mit Beschluss vom 13. 4. 1981 wurden die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Mit dem in der Tagsatzung vom 7. 12. 1983 vorgetragenen Schriftsatz vom 30. 11. 1983 schränkte die Klägerin ihr Zahlungsbegehren auf 475.000 S samt 10 % Zinsen seit 18. 8. 1980 ein, welches sie am 18. 1. 1984 um 20 % Umsatzsteuer aus den Zinsen ausdehnte. Zur Begründung brachte sie vor, dass sich die Beklagten in einem außergerichtlichen Vergleich am 21. 7. 1983 zur Zahlung dieses Betrags in monatlichen Raten von 100.000 S ab 31. 7. 1983 und einer letzten Rate von 75.000 S am 30. 11. 1983 jeweils bei fünftägigem Respiro und Terminsverlust bei gegenseitiger Kostenaufhebung verpflichtet hätten. Für den Fall des Eintritts des Terminsverlustes sei der noch aushaftende Kapitalrestbetrag mit 10 % kontokorrentmäßig zu verzinsen. Im Verfahren sollte bei Erfüllung des Vergleichs Ruhen eintreten.
Die Beklagten bestritten den Abschluss eines Vergleichs, es seien nur unverbindliche Vergleichsgespräche geführt worden; es sei daher auch zu keiner Novation gekommen.
Das Erstgericht gab dem eingeschränkten Klagebegehren statt. Es traf im Wesentlichen folgende Feststellungen:
Am 21. 7. 1983 fand eine Befundaufnahme durch den Sachverständigen Dr. Zeibig statt, an der der Klagevertreter Dr. Gustav Gruber, der Geschäftsführer der Klägerin N*****, der Zweitbeklagte und für die Beklagten Dr. Michael Müllner, Rechtsanwaltsanwärter, für den damaligen Beklagtenvertreter Dr. Paternioner, teilnahmen. Bei dem anschließenden gemeinsamen Mittagessen kam es zu Vergleichsgesprächen, in deren Rahmen sowohl die bisher aufgelaufenen Prozesskosten als auch die Frage der eingewendeten Gegenforderungen, insbesondere ihre Durchsetzbarkeit, erörtert wurden. Nach gemeinsamer Erörterung des abzuschließenden Vergleichs haben die Parteien folgenden Vergleich geschlossen:
„1. Die beklagten Parteien verpflichten sich, der klagenden Partei zur ungeteilten Hand den Betrag von 475.000 S, (Schilling vierhundertfünfundsiebzigtausend) in folgenden Raten
31. 7. 1983 100.000 S
31. 8. 1983 100.000 S
30. 9. 1983 100.000 S
31. 10. 1983 100.000 S
30. 11. 1983 75.000 S
475.000 S
bei Exekution zu bezahlen.
Ein Respiro von 5 Tagen wurde eingeräumt.
Im Falle des Eintritts des Terminverlustes ist der noch aushaftende Kapitalrestbetrag vom 10 % Zinsen pa kontokorrentmäßig berechnet zu verzinsen.
2. Die Kosten der Streitteile werden gegenseitig aufgehoben.
3. Die Kosten des Sachverständigen Dr. Zeibig, werden von den Streitteilen je zur Hälfte getragen.
4. Es wird zeitliches Ruhen des Verfahrens vereinbart, welches nach vollständiger Bezahlung des Vergleichsbetrags in ein ewiges übergeht.
Die nächste mündliche Streitverhandlung wird, wenn bis zu dieser die Zahlungstermine eingehalten wurden, von beiden Streitteilen nicht verrichtet.“
Dieser Vergleich wurde an Ort und Stelle vom Klagevertreter handschriftlich festgehalten und von beiden Parteienvertretern sowie dem Geschäftsführer der Klägerin und dem Zweitbeklagten unterfertigt.
Mit Schreiben an den Beklagtenvertreter vom 28. 7. 1983 (Beil ./N) hielt der Klagevertreter den abgeschlossenen Vergleich fest und legte diesem Schreiben die im Gasthaus erfolgte handschriftliche Niederlegung des Vergleichs bei. Der Beklagtenvertreter bestätigte dem Klagevertreter mit Schreiben vom 2. 8. 1983 den Erhalt des Schreibens vom 28. 7. 1983 samt den darin angeführten Unterlagen und wies darauf hin, dass der am 21. 7. 1983 zustandegekommene Vergleich vom Klagevertreter in dessen Schreiben vom 28. 7. 1983 richtig wiedergegeben wurde (Zeugenaussagen Dr. Michael Müllner und Dr. Gustav Gruber, handschriftliche Niederlegung des Vergleichs vom 21. 7. 1983, Beil ./M, Schreiben des Klagevertreters an Dr. Paternioner vom 28. 7. 1983, Beilage ./N und das Schreiben des Dr. Paternioner an den Klagevertreter vom 2. 8. 1983, Beil ./O).
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, dass der von den Streitteilen am 21. 7. 1983 nach Erörterung und Abwägung aller Umstände, insbesondere auch der bisher aufgelaufenen Kosten und der Gegenforderung abgeschlossene Vergleich alle Erfordernisse des § 1380 ABGB erfülle und eine Novation im Sinne des § 1376 ABGB darstelle.
Das Gericht zweiter Instanz gab der von den Beklagten dagegen erhobenen Berufung teilweise Folge; es bestätigte das erstgerichtliche Urteil hinsichtlich des Zuspruchs eines Betrags von 475.000 S samt 10 % Zinsen seit 1. 8. 1983 zuzüglich 18 % Umsatzsteuer aus den Zinsen für die Zeit vom 1. 8. 1983 bis 31. 12. 1983 und 20 % USt aus den Zinsen seit 1. 1. 1984 und änderte es im Übrigen dahin ab, dass es das Mehrbegehren auf Zahlung von 10 % Zinsen aus 475.000 S vom 18. 8. 1980 bis 31. 7. 1983 zuzüglich 20 % USt hieraus und das Mehrbegehren auf Zahlung von 2 % USt aus 10 % Zinsen von 475.000 S für die Zeit vom 1. 8. 1983 bis 31. 12. 1983 abwies. Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen eines von den Berufungswerbern in der Unterlassung der Durchführung der Parteienvernehmung des Zweitbeklagten erblickten und auch unter dem Berufungsgrund der unrichtigen Beweiswürdigung geltend gemachten Verfahrensmangel und legte den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt seiner Entscheidung zugrunde. Davon ausgehend billigte es auch die Annahme des Erstgerichts über das Zustandekommen eines außergerichtlichen Vergleichs mit dem von ihm festgestellten Inhalt. Im Übrigen erachtete es die Berufung insoweit als berechtigt, als sie sich gegen einen Zuspruch von 10 % Zinsen (samt Umsatzsteuer) aus dem Kapitalbetrag von 475.000 S bereits seit 18. 8. 1980 wendet.
Gegen das Urteil des Gerichts zweiter Instanz in seinem die erstgerichtliche Entscheidung bestätigenden Umfang richtet sich die auf die Anfechtungsgründe des § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO gestützte Revision der Beklagten mit dem Antrag, das Urteil des Berufungsgerichts (wohl im Rahmen der Anfechtung) aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen; hilfsweise wird die Abänderung der Urteile der Vorinstanzen im Sinne der gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens beantragt.
Die Klägerin beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil seit der Änderung des Klagegrundes (Vergleich statt Werkvertrag) eine Klagsänderung im Sinne des § 235 ZPO auf einen einheitlichen Streitgegenstand, der 300.000 S übersteigt, vorliegt (§ 502 Abs 4 Z 2 ZPO).
Unter dem Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wiederholen die Revisionswerber ihre in der Berufung vorgetragene Verfahrensrüge. Angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die vom Berufungsgericht nicht als solche erkannt worden sind, können aber nicht mehr nach § 503 Abs 1 Z 2 ZPO geltend gemacht werden (SZ 22/106; SZ 41/8 uva).
In ihrer Rechtsrüge beharren die Beklagten auf dem Standpunkt, es seien am 21. 7. 1983 nur Vergleichsgespräche geführt worden. Da von der Gegenforderung weder in der handschriftlichen Skizze (Beil ./M) noch in der Vergleichstextierung im Schreiben Beil ./N die Rede sei, sei über die Ansprüche der Beklagten gegenüber der Klägerin keine vergleichsweise Regelung zustandegekommen. Außerdem fehle eine Generalklausel, die hier aber zur Bereinigung der gegenseitigen Ansprüche notwendig gewesen wäre. Insoweit die Revisionswerber sich damit gegen die Annahme des Abschlusses des Vergleichs durch die Vorinstanzen wenden, ist ihnen Folgendes zu entgegnen:
Die Auslegung einer nach Form und Inhalt unbedenklichen Urkunde fällt in den Bereich der rechtlichen Beurteilung. Wenn aber die Beantwortung der Frage, ob die Vertrags‑ oder Vergleichsverhandlungen überhaupt zu einem endgültigen Abschluss geführt haben oder bloß Vorgespräche geblieben sind, auch von der Würdigung der Aussagen von Zeugen, Sachverständigen oder Parteien abhängt, so ist dies eine Tatfrage (SZ 41/33; SZ 43/175 ua). Im vorliegenden Fall wurde die Frage des Zustandekommens des Vergleichs nicht nur aufgrund von Urkunden allein beantwortet, dabei wurden von den Vorinstanzen vielmehr auch die Aussagen von Zeugen berücksichtigt. Die im vorliegenden Fall somit der Tatsachengrundlage zuzurechnende Annahme des Zustandekommens eines Vergleichs kann daher von den Beklagten im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpft werden.
Unter Vergleich ist ‑ wie die Revisionswerber selbst erkennen ‑ die unter beiderseitigem Nachgeben einverständliche neue Festlegung strittiger oder zweifelhafter Rechte zu verstehen. Ein Recht ist dann strittig (zweifelhaft), wenn die Parteien sich nicht darüber einigen können, ob oder in welchem Umfang es entstanden ist oder noch besteht. Die Ungewissheit wird dadurch beseitigt, dass an die Stelle der strittigen oder zweifelhaften Verbindlichkeit eine feststehende neu gesetzt wird (Koziol ‑ Welser 6 I 226; Ertl in Rummel, ABGB, Rdz 1 zu § 1380; JBl 1955, 500; JBl 1968, 428). Im vorliegenden Fall waren die gegenseitigen Ansprüche aus der zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Vereinbarung über den Holzbringungstransport insofern strittig, als sie sich nicht über die Frage der ordnungsgemäßen Erfüllung des Vertrags durch die Klägerin und damit über die Höhe des Anspruchs der Klägerin auf Entgelt und allfällige Gewährleistungsansprüche der Beklagten einigen konnten. Es geht somit um Ansprüche, die der Verfügung der Parteien unterliegen und daher Gegenstand eines Vergleichs sein können (SZ 36/114). Im vorliegenden Fall begehrte die Klägerin von den Beklagten die Bezahlung von 629.619,33 S sA. Da die damals rechtsfreundlich vertretenen Streitteile nach der für die rechtliche Beurteilung allein maßgeblichen Sachverhaltsgrundlage im Zuge der Vergleichsgespräche auch die von den Beklagten zumindest in gleicher Höhe der Klagsforderung gegenüber compensando eingewendeten Gegenforderung erörtert und sich auch unter Bedachtnahme auf die voraussichtlich bisher aufgelaufenen Kosten auf eine Zahlungspflicht der Beklagten im Ausmaß von rund 75 % der Klagsforderung bei Kostenaufhebung geeinigt haben, ist es hier ohne Zweifel zu einer einverständlichen neuen Festlegung gegenseitiger strittiger Rechte unter beiderseitigem Nachgeben gekommen. Dass die von den Parteien selbst zu tragenden Kosten nicht zi8ffernmäßig in den Vergleich aufgenommen wurden, steht der Annahme des Vergleichsabschlusses nicht entgegen, weil die von den Rechtsvertretern erbrachten Leistungen und das ihnen dafür gebührende Honorar bestimmbar sind und in der Vereinbarung auch die in der Ungewissheit des Prozessausgangs liegenden Zweifel über die Kostenersatzpflicht beseitigt wurden. Das Berufungsgericht hat daher zutreffend erkannt, dass durch Abschluss des vorliegenden Vergleichs die bisherige Unsicherheit der gegenseitigen Ansprüche aus dem abgeschlossenen Transportvertrag endgültig beseitigt und damit ein eigener Rechtsgrund geschaffen wurde. Wegen der damit verbundenen „Bereinigungswirkung“ (vgl Koziol ‑ Welser aaO, 226; Ertl aaO Rdz 5 zu § 1380), bedurfte es zur Wirksamkeit des Vergleichs ‑ entgegen der von den Revisionswerbern vertretenen Ansicht ‑ nicht der Aufnahme einer allgemeinen Streitbereinigungsklausel (Generalklausel) in den Vergleich.
In der Annahme eines Vergleichsabschlusses in dem festgestellten Umfang durch die Vorinstanzen kann daher ein Rechtsirrtum nicht erblickt werden.
Die Beklagten wenden sich in ihrer Rechtsrüge schließlich noch gegen den Zuspruch der Umsatzsteuer aus den Zinsen. Den Beklagten ist zwar darin beizupflichten, dass über eine diesbezüglich sie treffende Zahlungspflicht im Vergleich nichts vereinbart wurde. Es besteht aber kein Zweifel, dass die der Klägerin aus dem Vergleich zustehende Leistung nur die Gegenleistung für die von ihr aufgrund des Werkvertrags erbrachte Leistung darstellt. Dass die Klägerin als Unternehmerin umsatzsteuerpflichtig ist, wurde von den Revisionswerbern nicht bestritten. Soweit die Umsatzsteuerpflicht reicht, sind auch die Verzugszinsen in die Berechnungsgrundlage einzubeziehen, woraus die Verpflichtung des Schuldners zur Leistung der Umsatzsteuer zu den Verzugszinsen abgeleitet wird (SZ 52/42; 6 Ob 513/79; 8 Ob 578/83).
Damit erweist sich aber die Revision als unberechtigt, weshalb ihr der Erfolg versagt werden musste.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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