OGH 8Ob642/84

OGH8Ob642/8421.3.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch, Dr. Zehetner und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*****-AG, *****, vertreten durch Dr. Eberhard Wilhelm, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Edith W*****, vertreten durch Dr. Helga Hönel-Jakoncig und Dr. Veronika Staudinger, Rechtsanwältinnen in Innsbruck, wegen 60.000 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 11. September 1984, GZ 1 R 194/84-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 29. Mai 1984, GZ 6 Cg 12/84-9, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 3.553,50 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Barauslagen 600 S, die USt 268,50 S) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte betrieb am Standort *****, L*****straße *****, ein Caféhaus unter der Bezeichnung „S*****“, in dem sie auch Bier, Mineral- und Tafelwasser abgab. Aufgrund des mit der Klägerin abgeschlossenen Lieferungs- und Leistungsübereinkommens vom 6. 7. 1978 erhielt sie einen einmaligen, nicht rückzahlbaren Betrag von 41.300 S. Als Gegenleistung verpflichtete sich die Beklagte, für ihren Betrieb auf die Dauer von 10 Jahren bei einer Mindestmenge von insgesamt 700 hl Biere, Mineral- und Tafelwasser ausschließlich von der Klägerin zu beziehen und den Bezug von Bieren anderer Provenienz zu unterlassen.

Die Klägerin behauptete, dass sich die Beklagte überdies verpflichtet habe, diese von ihr eingegangenen Verpflichtungen auf ihre Rechts- und Geschäftsnachfolger so zu überbinden, dass diese die Vereinbarung als eigene Verpflichtung anerkennen. Am 1. 4. 1983 habe die Klägerin den Caféhausbetrieb geschlossen. Am 6. 4. 1983 habe sie mit Johannes L***** die zu HRB 4467 des Landesgerichts Innsbruck am 9. 5. 1983 protokollierte Firma „S***** Gesellschaft mbH“ gegründet, an der die Beklagte mit einer Stammeinlage von 1.000 S beteiligt sei. Seitdem werde das Caféhaus der Beklagten von dieser Gesellschaft mbH, deren selbständig zeichnungsberechtigte Geschäftsführerin die Beklagte sei, betrieben. Ungeachtet ihrer vertraglichen Bindung an die Klägerin habe es die Beklagte unterlassen, bei Gründung der Gesellschaft und bei Einbringung ihres Betriebs in die Gesellschaft für eine Übernahme der Bezugsverpflichtung durch die Gesellschaft zu sorgen. Der Mehrheitsgesellschafter und zweite Geschäftsführer Johannes L***** lehne eine Übernahme der Bierbezugsverpflichtung ab. Die Klägerin beantragte daher primär, die Beklagten zu verpflichten, den bezogenen Gesellschaftsvertrag vom 6. 4. 1983 aufzulösen und den Gastgewerbebetrieb selbst zu führen. Gleichzeitig stellte sie das Eventualbegehren, die Beklagte schuldig zu erkennen, die Übernahme des zwischen ihr und der Klägerin am 6. 7. 1978 abgeschlossenen Lieferungs- und Leistungsübereinkommen als Schuldübernahme durch die Rechtsnachfolgerin, die „S***** Gesellschaft mbH“, zu erwirken.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Es sei zwar richtig, dass die Streitteile am 6. 7. 1978 ein Lieferungs- und Leistungsabkommen geschlossen haben; der Gegenwert für den 10-Jahres-Vertrag sei im Hinblick auf die Belastungen, welche die Beklagte auf sich zu nehmen hatte, derart gering und branchenunüblich, dass diesbezüglich Sittenwidrigkeit vorläge. Die neu gegründete Gesellschaft mbH sei nicht Rechtsnachfolgerin des Unternehmens der Beklagten. Die Räumlichkeiten seien von der Beklagten auch nicht als Sachleistung in die Gesellschaft mbH eingebracht worden.

Im Lieferungs- und Leistungsübereinkommen sei festgehalten worden, dass der Vertrag erlösche, wenn die Beklagte diesen Betrieb aufgibt. Die Beklagte könne die neugegründete Gesellschaft zur Übernahme des Liefervertrags nicht zwingen. Durch Wegfall der Geschäftsgrundlage sei das Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen erloschen. Die Beklagte habe sich zwar bemüht, den bestimmenden Hauptgesellschafter L***** zur Übernahme des Vertrags zu überreden, doch sei dieser mit der Klägerin nicht zu einer Einigung gekommen.

Das Erstgericht wies sowohl das Haupt- als auch das Eventualbegehren ab. Es ging von folgendem Sachverhalt aus:

Die Beklagte schloss mit der Klägerin das bereits oben beschriebene Lieferungs- und Leistungsübereinkommen, welches auf die beiderseitigen Rechts- und Geschäftsnachfolger und Rechtsnehmer so zu überbinden war, dass sie diese Vereinbarung als ihre eigene Verpflichtung anerkennen. Am 1. 4. 1983 schloss die Beklagte ihren Caféhausbetrieb. Am 6. 4. 1983 gründete sie mit Johannes L*****, Kaufmann in Bludenz, die zu HRB 4467 des Landesgerichts Innsbruck am 9. 5. 1983 protokollierte Firma „S***** Gesellschaft mbH“, an der die Beklagte mit einer Stammeinlage von 1.000 S beteiligt ist. Als Geschäftsführer der Gesellschaft wurden im Handelsregister die Beklagte und Johannes L***** eingetragen. Mit dem Beschluss der Generalversammlung vom 24. 10. 1983 wurde zur weiteren selbständig vertretungsbefugten Geschäftsführerin Ingrid G***** bestellt. Konzessionsinhaberin für das Lokal ist die Beklagte. Die Firma S***** Gesellschaft mbH mietete von der Beklagten laut Mietvertrag vom 15. 4. 1983 die Geschäftseinheit Top Nr 3 im Haus L*****straße Nr *****. Die Einrichtung und das Personal wurden nicht übernommen. Die Beklagte ist nur mehr 20 Wochenstunden im Betrieb beschäftigt. Die Hauptarbeit wird von der Geschäftsführerin Ingrid G***** ausgeführt. Johannes L*****, der Mehrheitsgesellschafter der S***** Gesellschaft mbH, war zur Übernahme des Lieferungs- und Leistungsübereinkommens vom 6. 8. 1978 nicht bereit. Es kam zwar zu Gesprächen mit der Klägerin, wobei er vorschlug, die Resterfüllung des Lieferungs- und Leistungsübereinkommens in einem seiner Betriebe in Vorarlberg durchzuführen, doch war die Klägerin hiemit nicht einverstanden. Sie wäre mit den Vorschlägen des Johann L***** nur unter der Bedingung einverstanden gewesen, dass für den Betrieb in *****, L*****straße Nr *****, ein neues Leistungs- und Lieferungsübereinkommen abgeschlossen würde, womit Johannes L***** nicht einverstanden war, weil er von der A***** Gesellschaft mbH in I***** günstigere Konditionen angeboten erhielt.

Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, dass das Hauptbegehren aus dem Lieferungs- und Leistungsübereinkommen nicht abgeleitet werden könne. Auch das Eventualbegehren sei unrichtig, weil die Beklagte als Minderheitsgesellschafterin der S***** Gesellschaft mbH keine Möglichkeit gehabt habe, die Übernahme der Verpflichtungen aus dem Lieferungs- und Leistungsübereinkommen von dieser zu erwirken.

Das Berufungsgericht gab der Berufung im Hauptbegehren nicht, in Ansehung des Eventualbegehrens aber Folge und erkannte die Beklagte schuldig, die Übernahme des zwischen ihr und der Klägerin am 6. 7. 1978 abgeschlossenen Lieferungs- und Leistungsübereinkommens durch die S***** Gesellschaft mbH zu erwirken. Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, dass der Wert des letzteren Streitgegenstands 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt und ließ die Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zu.

Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, dass die „S***** Gesellschaft mbH“ als „Geschäftsnachfolgerin“ im Sinne des Lieferungs- und Leistungsübereinkommens anzusehen sei. Die Beklagte hätte dafür zu sorgen gehabt, dass die S***** Gesellschaft mbH die darin enthaltene Getränkeabnahmeverpflichtung als eigene Verpflichtung übernimmt. Dies habe sie nicht getan, weshalb sie sich nicht auf § 1447 ABGB berufen könne. Bei einer relativen, lediglich gegenüber bestimmten Personen wirkenden Leistungsunmöglichkeit brauche sich der in seinen Rechten verletzte Vertragspartner nicht auf den Schadenersatzanspruch nach § 920 ABGB verweisen zu lassen; er könne vielmehr weiterhin Erfüllung verlangen. Von einer absoluten Unmöglichkeit der Leistung könne umso weniger gesprochen werden, als die Beklagte als Mitgesellschafterin der S***** Gesellschaft mbH weiterhin ihren Einfluss dahin geltend machen kann, dass die Gesellschaft doch noch in das Lieferungs- und Leistungübereinkommen eintritt, also durchaus ernst zu nehmende Chancen dafür bestehen. Im Sinne der in JBl 1975, 206 dargelegten oberstgerichtlichen Judikatur habe die Beklagte bei der nicht absoluten, sondern nur relativen und nur gegenüber bestimmten Personen wirkenden Leistungsunmöglichkeit die Folgen ihres Vertragsbruchs und damit allenfalls auch die Zwangsvollstreckung aufgrund eines gegen sie erwirkten Urteils auf Leistung auf sich zu nehmen. Sollte der erwirkte Exekutionstitel nicht vollstreckbar sein, bleibe der Gläubigerin immer noch die Möglichkeit eines Vorgehens im Sinne des § 920 ABGB, § 368 EO.

Gegen die Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz richtet sich die Revision der Beklagten, in welcher sie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, dass angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen wird; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Beklagte wendet sich zunächst dagegen, dass die S***** Gesellschaft mbH als Geschäftsnachfolgerin der Beklagten im Sinne des Lieferungs- und Leistungsübereinkommens anzusehen sei. Weiters vertritt sie den Standpunkt, dass die Überbindung der Verpflichtungen aus dem Lieferungs- und Leistungsübereinkommen auf die S***** Gesellschaft mbH, nicht möglich wäre. Der Beklagten wäre nur die Möglichkeit offen gestanden, die Räume nicht an die S***** Gesellschaft mbH zu vermieten. Dass die Beklagte Mitgesellschafterin der S***** Gesellschaft mbH sei, bedeute noch nicht, dass sie Einfluss auf die Gesellschaft habe. Aus der Vorentscheidung 8 Ob 179, 180/67 ergebe sich der gegenteilige Standpunkt der oberstgerichtlichen Judikatur zu jener des Berufungsgerichts.

Zu diesen Ausführungen war zu erwägen:

Zunächst steht die Auslegung des Lieferungs- und Leistungsübereinkommens vom 6. 7. 1978 insoweit im Vordergrund, als darnach zu beurteilen ist, ob die Beklagte die darin vereinbarte Verpflichtung auf Bezug von Getränken auf die S***** Gesellschaft mbH zu überbinden hat. Dass die Gesellschaft mbH, an der die Beklagte als Geschäftsführerin und Konzessionsinhaberin selbst beteiligt und in der sie selbst beschäftigt ist, als deren Geschäftsnachfolgerin im Sinne des genannten Übereinkommens anzusehen ist, steht außer Zweifel; der Kaffeehausbetrieb ging wirtschaftlich betrachtet - worauf es hier bei Vertragsabschluss offenbar ankommen sollte - von der Beklagten auf die Gesellschaft mbH über. Die im Lieferungs- und Leistungsübereinkommen vom 6. 7. 1978 vorgesehene Überbindung der Abnahmeverpflichtung ist für diesen Fall geradezu typisch. Die gegenteiligen Ausführungen der Revision sind daher nicht stichhältig.

Nach nunmehr überwiegender Lehre und Rechtsprechung kann eine Verurteilung zur Leistung selbst im Falle der nachträglichen selbstverschuldeten subjektiven Leistungsunmöglichkeit nicht mehr erfolgen, wenn sich der Dritte endgültig weigert, die für die ordnungsgemäße Erfüllung erforderlichen Mitwirkungshandlungen zu setzen (Ehrenzweig 2 II/1, 294; Pisko-Gschnitzer in Klang 2 VI 552; Gschnitzer, Schuldrecht-Allgemeiner Teil 62; JBl 1958, 471; JBl 1979, 146, 4 Ob 128, 129/81; 5 Ob 84/83 ua). Ob die Unmöglichkeit der Leistung als eine dauernde (endgültige) anzusehen ist, ist zum Teil reine Tatfrage, zum Teil auch ein Wertungsproblem (vgl Bydlinski in Klang 2 IV/2, 114; Koziol-Welser 6 I 184; 5 Ob 510/82). Eine Verurteilung zur Leistung setzt jedenfalls eine ernst zu nehmende, irgendwie ins Gewicht fallende Chance voraus, dass die Leistung (wenigstens) später erbracht werden kann (Bydlinski aaO; Koziol-Welser aaO 185). Steht dagegen nach der Beurteilung des Verkehrs praktisch mit Sicherheit („mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“) fest, dass die Leistung auch in Zukunft nicht mehr wird erbracht werden können, so kann der Gläubiger nicht auf dem Erfüllungsanspruch beharren (Bydlinski aaO). Selbst Reischauer in Rummel, ABGB, 1087 f, Rdz 10 zu § 920 lehrt, dass eine Verurteilung zur Leistung nicht mehr erfolgen dürfe, wenn die Vereitelung notorisch sei oder (im Leistungsprozess) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit offenkundig werde (5 Ob 84/83 ua). Davon kann aber im vorliegenden Fall nicht die Rede sein. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, ist die Beklagte in die S***** Gesellschaft mbH in mehrfacher Hinsicht integriert. Es besteht daher kein Grund zu der Annahme, dass die Beklagte nicht darauf hinwirken kann, ihrer Geschäftsnachfolgerin die Übernahme der im Übrigen durchaus nicht außerhalb des Üblichen liegenden Lieferungs- und Leistungsverpflichtung mit Erfolg nahe zu legen und damit doch noch die ihr vertraglich obliegende Verpflichtung zu erfüllen. Die gegenteiligen Ausführungen der Beklagten sind somit nicht geeignet, einen für sie günstigeren Standpunkt zu begründen. Dass das stattgebende Urteil im Sinn des Eventualbegehrens gemäß § 354 Abs 1 EO nicht vollstreckbar ist, vermag an dem Ergebnis nichts zu ändern, weil es immerhin die Grundlage einer denkbaren Interessenlage gemäß § 368 EO bildet.

Ihrer Revision war daher der Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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