Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin die mit 17.221,40 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Barauslagen 1.920 S, die USt 1.391,04) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 14. 2. 1981 gegen 15:30 Uhr ereignete sich auf der Unterinntaler Landesstraße 215 in Kundl (Dr. Bachmann-Straße) auf Höhe des Bauernhauses Kundl 45 (Lettinger-Bauer) ein Verkehrsunfall, an dem die Klägerin als Fußgängerin und der VW-Pritschenwagen mit dem polizeilichen Kennzeichen ***** beteiligt waren. Zum Unfall kam es dadurch, dass der VW-Pritschenwagen beim Ausfahren aus der in Sicht des Fahrzeuglenkers gesehenen Linkskurve auf der vereisten Fahrbahn ins Schleudern geriet, dadurch auf die linke Straßenseite fuhr und die Klägerin niederstieß. Lenker des VW-Pritschenwagens war zum Unfallszeitpunkt der Zweitbeklagte. Der Erstbeklagte war Halter dieses bei der Drittbeklagten haftpflichtversicherten Fahrzeugs. Der Zweitbeklagte wurde mit der Strafverfügung des Bezirksgerichts Rattenberg vom 4. 3. 1981, U 138/81, nach § 88 Abs 4 erster Fall StGB rechtskräftig schuldig gesprochen.
Die Klägerin erlitt beim Unfall schwere Verletzungen. Sie begehrte von den Beklagten ein Schmerzengeld von 400.000 S, eine Verunstaltungsentschädigung von 50.000 S, einen Verdienstentgang von 37.941,70 S den Ersatz verschiedener Spesen von 4.000 S, von Besuchskosten und Trinkgeldern von 6.132 S und von Sachschäden von 3.250 S, abzüglich eines von der Drittbeklagten bezahlten Betrags von 100.000 S, insgesamt daher 401.323,70 S sA. Weiters begehrte sie die Zahlung einer monatlichen Rente von 600 S zur Abgeltung vermehrter Bedürfnisse ab 1. 11. 1982 sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten zu ungeteilten Hand - die Drittbeklagte nur bis zur Höhe der Versicherungssumme - für alle künftigen Schäden der Klägerin aus dem Unfall. Der Gehsteig im Bereich der Unfallstelle sei zur Unfallszeit nicht geräumt gewesen. Wenn ihn die Klägerin benützt hätte, wäre es dennoch zum Unfall gekommen. Der vom Zweitbeklagten gelenkte Pritschenwagen habe auch den Gehsteig überfahren. Die Beklagten hätten das Verschulden des Zweitbeklagten anerkannt. Die Klägerin habe schwere Verletzungen erlitten und intensive und langdauernde Schmerzen zu erdulden gehabt. Die noch nicht endgültig absehbaren Unfallfolgen bestünden im Wesentlichen in einer stark verminderten Gangleistung mit auffallendem Hinken. Weitere Komplikationen seien zu befürchten. Durch die operativen Eingriffe seien am Körper der Klägerin zahlreiche entstellende Narben verblieben. Unfallsbedingt könne die Klägerin seit dem Unfall nur Diätkost zu sich nehmen. Hiedurch entstehe ein monatlicher Mehraufwand von mindestens 300 S. Da die Klägerin nur mehr kurze Strecken gehen könne, müsse sie vielfach ein Taxi oder andere Verkehrsmittel benützen. Hiefür müsse die Klägerin monatlich mindestens 300 S aufwenden.
Die Beklagten anerkannten das Feststellungsbegehren mit der Einschränkung der Haftung auf 50 % (worauf das Erstgericht ein diesbezügliches, in Rechtskraft erwachsenes Teilanerkenntnisurteil erließ), beantragten jedoch im Übrigen die Abweisung des Klagebegehrens. Am Unfall treffe die Klägerin ein erhebliches Mitverschulden von mindestens 50 %, weil sie den Gehsteig, obwohl dieser „schneegeräumt“ gewesen sei, nicht benützt habe und ohne auf den Verkehr zu achten auf der Fahrbahn gegangen sei. Hiedurch sei der Zweitbeklagte zu einem Bremsmanöver veranlasst worden, in dessen Zuge er ins Schleudern kam. Hätte die Klägerin den Gehsteig benützt, wäre der Unfall aller Voraussicht nach verhindert worden. Das Schmerzengeld sei überhöht. Die Voraussetzungen für eine Verunstaltungsentschädigung lägen nicht vor. Mangels eines durch den Unfall ausgelösten Mehraufwands bestehe auch das Rentenbegehren nicht zu Recht.
Das Erstgericht sprach der Klägerin 278.188,70 S sA zu, gab dem Feststellungsbegehren zur Gänze statt und wies das Mehrbegehren von 153.135 S (richtig 123.135 S) sA sowie das Rentenbegehren ab.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht, hingegen jener der Klägerin teilweise Folge und änderte die erstgerichtliche Entscheidung dahin ab, dass es der Klägerin 398.188,70 S sA zusprach und nur ein Mehrbegehren von 3.135 S sA abwies. Im Übrigen bestätigte es das erstgerichtliche Urteil im Feststellungsausspruch sowie in der Abweisung der begehrten Rente und sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands 300.000 S übersteigt.
Gegen die Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz richtet sich die Revision der Beklagten aus den Anfechtungsgründen des § 503 Abs 1 Z 2, 3 und 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass der Klägerin nur 78.792,47 S sA zugesprochen und das Feststellungsbegehren nur hinsichtlich der Haftung für zwei Drittel der Unfallsfolgen für berechtigt erkannt werde.
Die Klägerin beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Vorinstanzen gingen bei ihren Entscheidungen im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:
Die Unterinntaler Landesstraße 214 (im Ortsgebiet von Kundl: Dr. Bachmann-Straße) verläuft im Unfallsbereich ungefähr in Nord-Süd-Richtung. In Fahrtrichtung Süden, der Fahrtrichtung des Beklagtenfahrzeugs, beschreibt sie vorerst eine Linkskurve, deren größte Krümmung mit einem Kurvenradius von 85 m ca 30 m vor dem späteren Kollisionspunkt liegt. Die Fahrbahnbreite beträgt 5,20 m. An ihrer rechten (westlichen) Seite befinden sich mehrere Häuser, etwa auf Höhe des Unfallorts insbesondere ein Kaufhaus mit davor gelegener Parkfläche. Ein Gehweg ist dort nicht vorhanden. Auf der gegenüberliegenden östlichen Straßenseite verläuft ein 1,55 m breiter Gehsteig, der zur anschließenden Wiese hin durch einen Bretterzaun abgegrenzt wird. Ungefähr 12,80 m vor dem Punkt des ersten Kontakts des Unfallswagens mit diesem Zaun geht die Straße in eine Gerade über. Die Maximalsichtweite auf die Unfallstelle beträgt 75 m, die Sicht zum Unfallszeitpunkt lässt sich allerdings wegen der damals am Fahrbahnrand vorhandenen Schneewälle nicht mehr ausreichend rekonstruieren. Zur Unfallszeit war es „sonnig hell“. Die Fahrbahn war im Großen und Ganzen im Ortsbereich trocken und ungestreut. Im ausgehenden Kurvenbereich trat jedoch spiegelglattes Eis auf der gesamten Fahrbahn etwa im Bereich des Schattens des Hauses Nr 45 auf. Ob und in welchem Maß die Vereisung in der Kurve für den KFZ-Lenker erkennbar war, ist nicht objektivierbar. Am westlichen Fahrbahnrand lagen Schneewälle, die bis zur Fahrbahn reichten. Lediglich der Bereich des Parkplatzes vor dem Kaufhaus war bis zum Schaufenster hin vom Schnee geräumt. Der Gehsteig war zwar ebenfalls teilweise geräumt, es befand sich aber eine stärkere Auflage festgepressten Schnees darauf. Diese Schneedecke, die sowohl auf natürlichen Schneefall wie auch auf Schneewurf infolge Freipflügens der Fahrbahn zurückging, war bereits alt, verschmutzt und verfestigt. Zur Glätte dieser Auflage kam noch deren Schräge von etwa 10 bis 20 Grad im Verhältnis zur Fahrbahn hinzu. Dadurch bestand auf dem Gehsteig auch mit „mittlerem Winterschuhwerk“ Rutsch- und Sturzgefahr, sodass für einen Fußgänger das Gehen dort nicht nur beschwerlich, sondern unzumutbar war. Vor der Unfallstelle (in Gehrichtung der Klägerin) war der Gehsteig streckenweise überhaupt nicht geräumt bzw durch Schneehäufen unpassierbar.
Auf dieser östlichen Straßenseite ging die damals 15 Jahre alte Klägerin, und zwar entlang des Gehsteigrands auf der Fahrbahn. Der von ihr zum Fahrbahnrand genau eingehaltene Seitenabstand konnte nicht festgestellt werden. Er überschritt jedoch einen Meter sicher nicht und lag möglicherweise sogar deutlich darunter. Die Klägerin trug Winterschuhe (Lederstiefel) mit durchschnittlich griffiger Sohle (Kreppsohle mit mittelstarken, runden Rippen). Der Klägerin kam auf der gegenüberliegenden Fahrbahnseite der VW-Pritschenwagen entgegen. Der Zweitbeklagte lenkte das Fahrzeug, ohne die für ihn vorgeschriebene Sehbrille zu tragen. Im Hinblick auf seine, wenn auch nur geringgradige Sehschwäche von etwa 1,5 Dioptrien Weitsichtigkeit hatte er auch lediglich eine befristete Lenkerberechtigung ausgestellt erhalten. Diese war bereits seit 1979 abgelaufen. Die Geschwindigkeit des Fahrzeugs betrug zumindest 50 km/h. Eine Abgrenzung nach oben hin war nicht möglich. Das Fahrzeug war gut bereift, unbeladen und ohne technische Mängel. Der Wagen geriet auf der Eisfläche in der Kurve ins Schleudern. Es lässt sich nicht feststellen, ob neben der für die gegebene Eisglätte jedenfalls zu hohen Fahrgeschwindigkeit auch eine Schreckreaktion des Lenkers angesichts der Fußgängerin auslösendes Moment hiefür war. Genausowenig kann die Schleuderstrecke und Schleuderzeit genau rekonstruiert werden. Für die Klägerin bestand aber ab dem Zeitpunkt, in welchem ihr das „Auf-sie-zu-Schleudern“ des Fahrzeugs auffällig wurde (ca 1,1 bis 1,4 Sekunden vor der Kollision), keine Möglichkeit, sich durch einen seitlichen Sprung vor dem auf sie zukommenden Fahrzeug in Sicherheit zu bringen, zumal für sie auch die Schleuderrichtung nicht sicher vorhersehbar war. Die Klägerin wurde von dem VW-Bus mit der linken Vorderfront erfasst und weggeschleudert. Die Kollisionsstelle auf der Fahrbahn ist nicht mehr objektivierbar. Das Fahrzeug überquerte noch den Gehsteig und fuhr den Bretterzaun auf eine Länge von 12 m nieder, ehe es zum Stillstand kam. Die Klägerin blieb in der angrenzenden Wiese 4 bis 5 m vom Zaun entfernt liegen. Ob sie vom Fahrzeug auf Höhe ihres Standorts auch dann erfasst worden wäre, wenn sie sich auf dem Gehsteig anstatt auf der Fahrbahn aufgehalten hätte, steht nicht fest. Dies ist aber möglich.
Durch die Kollision erlitt die Klägerin schwerste lebensgefährliche Verletzungen. Sie musste in die Intensivstation der Universitätsklinik Innsbruck eingeliefert werden. Ihre Verletzungen bestanden in einem Schädelhirntrauma mit occipitaler Schädeldachfraktur, Serienrippenbrüchen rechts, Bruch des ersten und zweiten Lendenwirbelkörpers mit Querfortsatzfrakturen rechts, einem stumpfen Beckentrauma mit Malgaigne`schen Beckenfrakturen beiderseits, einem intraartikulären Speichenbruch rechts, einem stumpfen Gesichtsschädeltrauma, einer Peronaeusteilparese rechts und links, einer Nervenwurzelausfallssymptomatik S 3 beiderseits, einer traumatischen Nierenartheriestenose links mit nachfolgender funktionsloser Schrumpfniere links, weiters in einer Gehirnerschütterung und einem Oberschenkelschaftbruch links. Verkomplizierend kam es zu einem neuerlichen Verschluss der rekonstruierten Nierenartherie, zu einer Lähmung des rechten Wadennervs und zu einer Versteifung des linken Kreuzdarmbeingelenks. Das Heilungsverfahren ist auch heute noch nicht zur Gänze abgeschlossen, gelegentliche Kontrollen sind erforderlich. Die Daten der medizinischen Versorgung, innerhalb derer eine Vielzahl von Operationen und Behandlungsmethoden zur Heilung der oben genannten Verletzungen erforderlich waren, sind im Wesentlichen Folgende: Stationärer Aufenthalt der Klägerin zu klinischen bzw therapeutischen Behandlungen in der Zeit vom 14. 2. 1981 bis zum 19. 6. 1981 auf der Unfallschirurgie, vom 16. 7. 1981 bis 15. 10. 1981 im Rehabilitationszentrum Bad Häring, vom 22. 10. 1981 bis 12. 11. 1981 im Rehabilitationszentrum Althofen in Kärnten, vom 17. 5. 1982 bis 19. 6. 1982 in der Chirurgischen Klinik Innsbruck, vom 21. 9. 1982 bis 19. 10. 1982 im Rehabilitationszentrum Bad Häring und schließlich vom 31. 10. 1983 bis zum 4. 11. 1983 in der Chirurgischen Klinik (Marknagelentfernung). Die Gesamtaufenthaltsdauer (gemeint: im Krankenhaus und Rehabilitationszentrum) betrug 285 Tage. Im Zusammenhang mit ihren Verletzungen hatte die Klägerin durch die mehrmaligen Operationen komprimiert etwa 4 Wochen Schmerzen starken Grades zu erleiden. Ihre Schmerzen mittleren Grades sind zusammengefasst mit ca 70 Tagen zu beziffern, während solche leichten Grades 120 bis 167 Tage lang als dauernde anhielten. Auch heute noch treten zeitweilig Schmerzen leichten Grades auf, zu denen es vor allem nach Wetterwechsel und nach körperlicher Belastung kommt. Diese sind pro Jahr komprimiert mit etwa zwei Wochen leichtgradiger Schmerzen auszudrücken, wobei die Zukunft keine Änderung dieser Lage erwarten lässt. An heute noch bestehenden Unfallsfolgen zeigen sich bei der Klägerin eine starke Verminderung der Gangleistung bei einer Deformation des gesamten Beckens, eine Unmöglichkeit des Fersen- und des Zehengangs rechts, reizlose und kaum sichtbare Narben im Gesicht, jedoch deutlich sichtbare, teilweise stark verbreitete und entstellende Narben am Bauch und am Gesäß sowie an beiden Beinen. Es finden sich Reste einer Nervenlähmung des rechten Wadennervs, eine sogenannte stumme Niere links, weiters eine Deformheilung von Wirbelbrüchen bei sichtbarer leichter Verbiegung der Lendenwirbelsäule. Es ist nur eine geringgradige Besserung der Gangleistung durch Zunahme der Muskelkraft und völlige Rückbildung der Nervenlähmung zu erwarten. Durch die Deformierung der Wirbelsäule und des Beckens ist mit weiteren Spätfolgen im Sinne zunehmender arthrotischer Veränderungen, vor allem im Bereich der syndesimalen Verbindung des Beckens und der Gelenke der Lendenwirbensäule, zu rechnen. Die stumme Niere könnte beim Auftreten von Komplikationen zur operativen Entfernung der Niere führen. Derzeit ist aber dazu kein Anlass vorhanden. In gynäkologischer Hinsicht treten keine weiteren Unfallsfolgen auf. Mit einem Geburtshindernis ist nicht zu rechnen. Die stumme Niere allerdings macht jede zukünftige Schwangerschaft zu einer Risikoschwangerschaft. Eine besondere Beobachtung durch den Frauenarzt und eine ständige Kontrolle während der Gravidität ist unbedingt erforderlich. Die stumme Niere bringt desweiteren Risken für den Falle einer fortschreitenden entzündlichen Erkältung mit sich. Die Lebenserwartung „Einnieriger“ ist in der Hälfte der Fälle verringert; die Restniere ist jedenfalls kranheitsanfälliger. Das Fehlen einer zweiten funktionierenden Niere entspricht einer 30%-igen MdE. Durch die Verletzungsfolgen ist die unverheiratete Klägerin an einer Sportausübung gehindert. Sie war vor dem Unfall ein sportliches, kontaktfreudiges Mädchen und betrieb Schifahren, Radfahren, Tischtennis und Schimmen besonders häufig. Oft und gern besuchte sie Tanzveranstaltungen und hatte einen großen Bekanntenkreis. Eine der wenigen Sportarten, die die Klägerin noch ausüben kann, ist Schwimmen. Nach jeder längeren Belastung in Form von Gehen oder Stehen kommt es zu „entsprechend“ statischen Beschwerden im Becken und in der Lendenwirbelsäule. Gerade beim „Schwimmengehen“ sind aber die Entstellungen der Klägerin durch ihre Narben besonders störend. Das bedingt für die jugendliche Klägerin schwere psychische Belastungen, Kontaktängste und Minderwertigkeitskomplexe. Auch am Tanzen kann die Klägerin wegen der Unfallsfolgen kein rechtes Vergnügen mehr empfinden. Den Anschluss an ihren Bekanntenkreis hat sie praktisch zur Gänze verloren. Sie fühlt sich - ob zu Recht oder nicht - lediglich bemitleidet und von Männern aufgrund ihrer Behinderung abgelehnt. Außerdem ist ihr das Tanzen schneller Tänze wegen der körperlichen Behinderung nicht mehr möglich. Es ist für die Klägerin nicht erforderlich, eine besondere Diät einzuhalten. Wegen des Fehlens der Gallenblase und der damit verbundenen Fettunverträglichkeit muss jedoch auf fette Speisen verzichtet werden. Die Gangleistung der Klägerin beträgt etwa eine halbe Stunde. Damit ist die Klägerin in der Lage, Einkäufe in mäßigem Ausmaß selbst zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu erledigen. Ein Mehraufwand entsteht für die Klägerin jedenfalls auch durch ihre Gehbehinderung nicht. Ihre Mobilität auf weitere Entfernungen ist wie früher durch die Benützung des öffentlichen Omnibusses, anderer Mitfahrgelegenheiten sowie nunmehr auch durch Verwendung eines eigenen Mofas gegeben. Mehrbelastungen finanzieller Art durch die Unfallsfolgen sind daher nicht feststellbar.
Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, dass der Zweitbeklagte gegen § 20 StVO verstoßen habe. Der Lenker dürfe nur eine solche Geschwindigkeit wählen, die es ihm ermögliche, das Fahrzeug jederzeit zu beherrschen. Ein Verschulden der Klägerin am Zustandekommen des Unfalls sei nicht zu erkennen. § 76 StVO schreibe nur das Gehen am äußersten Fahrbahnrand für den Fall vor, dass kein Gehsteig vorhanden sei. Der hier gegebene Fall der Unbegehbarkeit des Gehsteigs komme dem gleich. Als Schmerzengeld sei ein Betrag von 280.000 S angemessen, als Verunstaltungsentschädigung ein solcher von 50.000 S.
Auch das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, dass den Zweitbeklagten das alleinige Verschulden am Unfall treffe. Die Klägerin sei zu einer Benützung des Gehsteigs nicht verpflichtet gewesen, da dessen Zustand die Begehung als unzumutbar erscheinen ließ. Es sei von ihr aber auch nicht zu verlangen gewesen, den auf der linken Seite befindlichen Parkplatz (Vorplatz) eines Kaufhauses zum Gehen zu benutzen, zumal vor und nach dieser Fläche bis zum Fahrbahnrand reichende Schneewälle lagen, nur der Bereich des Parkplatzes vom Schnee geräumt war und die Klägerin nicht verpflichtet war, nur zum Zwecke der Benutzung dieser auf kurze Strecke (Parkplatzbreite) bestehenden Möglichkeit, links neben der Fahrbahn zu gehen, die Straße zu überqueren. Die Höhe der zugesprochenen Verunstaltungsentschädigung entspreche durchaus den üblichen Sätzen. Das Schmerzengeld sei jedoch zu gering ausgemessen worden: Berücksichtige man die vielfachen überaus schweren, lebensgefährlichen Verletzungen der Klägerin, den langwierigen, nicht komplikationsfreien und noch immer nicht abgeschlossenen Heilungsverlauf, die langdauernden Aufenthalte im Krankenhaus und in den Rehabilitationszentren, die mehrmaligen operativen Eingriffe, die festgestellten Schmerzen, den Funktionsverlust einer Niere, die sonstigen gewichtigen Dauerschäden und Beeinträchtigungen, die daraus resultierenden seelischen Unlustgefühle und den seit der Verletzung eingetretenen Kaufkraftverlust der Währung, dann erscheine das von der Klägerin begehrte Schmerzengeld von 400.000 S unter Bedachtnahme auf vergleichbare Fälle als angemessen.
Demgegenüber behaupten die Beklagten in der Revisions zunächst, dass das berufungsgerichtliche Verfahren mangelhaft geblieben sei und dass dem Gericht zweiter Instanz eine Aktenwidrigkeit unterlaufen wäre. Dies ist jedoch nicht richtig, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die Rechtsrüge bauen die Beklagten darauf auf, dass es auf die Zumutbarkeit der Begehung des Gehsteigs nicht ankomme. Wenn ein Gehsteig vorhanden sei, müsse er zum Gehen benützt werden, gleichgültig, ob dies möglich bzw zumutbar sei oder nicht. Zumindest hätte das Straßenbankett benützt werden müssen. Die Vorinstanzen hätten zwar festgestellt, dass ein Straßenbankett nicht vorhanden war, dies ändere aber nichts daran, dass die Klägerin dann ganz links am Fahrbahnrand zu gehen hatte. An Schmerzengeld hätten nur 200.000 S und an Verunstaltungsentschädigung nur 20.000 S zugesprochen werden dürfen. Dem ist zu entgegnen:
Obwohl das Gesetz (§ 76 Abs 1 StVO) die Unzumutbarkeit nur im Zusammenhang mit dem Gehen auf Freilandstraßen ausdrücklich erwähnt, muss dieser Gesichtspunkt (der Unzumutbarkeit) wegen des Regelungszusammenhangs bei Bedachtnahme auf den Zweck dieser Verkehrssicherheit dienenden Bestimmung allgemein betrachtet werden, und gilt auch für die Beurteilung der Frage, ob dem Fußgänger die Benützung des Gehsteigs, des Gehwegs, des Straßenbanketts und des Fahrbahnrands zumutbar ist (OGH in ZVR 1969/339; ZVR 1971/78, ZVR 1974/88; und insb ZVR 1975/155; VwGH in ZVR 1982/57). Die Vorinstanzen haben festgestellt, dass die Schneedecke, die auf dem Gehsteig lag, verschmutzt, verfestigt und glatt war, wobei die gesamte Auflage noch eine Schräge von etwa 10 bis 20 Grad aufwies. Es bestand beträchtliche Rutsch- und Sturzgefahr. Die Vorinstanzen haben darauf zutreffend den Schluss gezogen, dass es der Klägerin nicht zumutbar war, trotz dieser irregulären Verhältnisse den Gehsteig zu benützen. Dass im Übrigen kein Straßenbankett vorhanden war, räumt die Revision selbst ein. Der Klägerin konnte auch nicht zugemutet werden, nur deshalb die Fahrbahn zu überqueren, um auf der anderen Seite einen kurzen Vorplatz des Kaufhauses zum Gehen zu benützen, zumal die Verhältnisse davor und danach um nichts besser waren, als auf der von der Klägerin schon bisher benützten Straßenseite. Schließlich kann dahingestellt bleiben, ob der Abstand der Klägerin vom Straßenrand - der 1 m nicht überschritt, vielmehr deutlich unter 1 m gewesen sein kann - zu gering war oder nicht; denn selbst im ungünstigsten Falle, dass die Klägerin um einige Zentimeter zu weit vom Fahrbahnrand entfernt gegangen wäre, müsste ihr geringes Versehen gegenüber dem schwerwiegenden Verstoß des Zweitbeklagten gegen grundliegende Vorschriften der StVO, demzufolge er von der bisher eingehaltenen Fahrbahnseite schleudernd auf den gegenüberliegenden Fahrbahnrand und sogar darüber hinaus geriet und dabei die Klägerin niederstieß, bei der Verschuldensabwägung vernachlässigt werden. Die Vorinstanzen gingen daher zutreffend vom Alleinverschulden des Zweitbeklagten und demgemäß von der alleinigen Haftung der Beklagten für die Unfallsfolgen aus.
Was die Bemessung des Schmerzengelds anlangt, kann der vom Berufungsgericht zugesprochene Betrag von 400.000 S unter Bedachtnahme auf die mehrfachen schweren Verletzungen, die erheblichen Schmerzperioden, den langwierigen Heilungsverlauf und die verbliebenen Dauerfolgen sowie die unfallsbedingten erheblichen psychischen Belastungen der Klägerin nicht als überhöht angesehen werden.
Dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Verunstaltungsentschädigung nach § 1326 ABGB im vorliegenden Fall gegeben sind, bestreiten die Revisionswerber nicht. Was die Höhe des zugesprochenen Betrags anlangt, bestehen angesichts der Verunstaltungen, die durchaus geeignet sind, ihre Heiratsaussichten erheblich zu vermindern, gegen die von den Vorinstanzen vorgenommene Bemessung mit 50.000 S keine Bedenken.
Der Revision war somit der Erfolg zu versagen und wie im Spruch zu erkennen.
Der Ausspruch der Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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