OGH 3Ob527/85

OGH3Ob527/8520.3.1985

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Hule als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Huber, Dr.Klinger und Mag.Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Leonhard W***, Elektromeister, 7311 Neckenmarkt, Lange Zeile 32, vertreten durch Dr.Johann Kölly, Rechtsanwalt in Oberpullendorf, wider die beklagte Partei Paula W***, Hausfrau, 7311 Neckenmarkt, Lange Zeile 32, vertreten durch Dr.Ernst Stühlinger, Rechtsanwalt in Oberpullendorf, wegen Ehescheidung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 10. Dezember 1984, GZ.12 R 286/84-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 7. September 1984, GZ.3 Cg 212/84-18, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 3.193,50 (darin S 240,-- Barauslagen und S 268,50 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 8.7.1945 geborene Kläger und die am 18.12.1946 geborene Beklagte sind miteinander seit 2.1.1968 verheiratet. Beide waren vorher ledig, sind Österreicher und römisch-katholisch. Ihr gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt ist Neckenmarkt im Gerichtsbezirk Oberpullendorf. Aus der Ehe stammen der am 6.7.1969 geborene Leonhard, die am 5.3.1971 geborene Gertrud und die am 1.9.1973 geborenen Zwillinge Beate und Roman. Ein weiteres Kind starb im Alter von 2 1/2 Jahren. Ehepakte wurden nicht errichtet. In der am 7.9.1983 eingebrachten Klage begehrte der Kläger die Scheidung der Ehe wegen Alleinverschuldens der Beklagten. Er behauptete, diese kritisiere in den letzten Jahren laufend sein gesamtes Verhalten, sei ihm gegenüber lieb- und interesselos und vernachlässige seit Jahren den Haushalt. Durch diese vom Kläger als schwer beurteilten Eheverfehlungen habe die Beklagte die Ehe tief und unheilbar zerrüttet.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Scheidungsbegehrens. Sie bestritt die ihr angelasteten Eheverfehlungen. Der Kläger unterhalte ehewidrige Beziehungen zu Christa K***, was die Beklagte nicht stillschweigend hingenommen habe. Sie bemühe sich - nicht zuletzt im Interesse der gemeinsamen Kinder - den Kläger wiederzugewinnen, der im Dezember 1982, ohne von der Beklagten dazu veranlaßt worden zu sein, aus dem ehelichen Schlafzimmer ausgezogen sei und seit Sommer 1983 auch nicht mehr am Familientisch esse. Die Beklagte komme ihren Haushaltspflichten nach, soweit dies einer Frau, die vier Schulkinder versorgen müsse und daneben noch halbtags im Betrieb ihres Mannes mitarbeite, überhaupt möglich sei. Sie halte die Ehe nicht für unheilbar zerrüttet und sei jederzeit bereit, dem Kläger alles nachzusehen und mit ihm in Ehegemeinschaft zu leben, wenn er seine Freundschaft zu Christa K*** abbrechen würde.

Am 20.10.1983 erklärte der Kläger dem Prozeßrichter telefonisch, daß er die Klage zurücknehmen wolle. Das (beabsichtigte) Nichterscheinen beider Parteien zu der zur mündlichen Verhandlung anberaumten Tagsatzung vom 22.11.1983 hatte Ruhen des Verfahrens zur Folge, doch beantragte der Kläger am 7.5.1984 die Fortsetzung. In der Tagsatzung vom 29.5.1984 beantragte die Beklagte, die Mitschuld des Klägers wegen seines ehewidrigen Verhältnisses zu Christa K*** auszusprechen, wogegen der Kläger Verzeihung einwendete.

Das Erstgericht schied die Ehe "wegen überwiegenden Verschuldens

des Klägers".

Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Schon kurz nach der Hochzeit gab es Unzukömmlichkeiten, weil die Beklagte nicht sofort schwanger wurde. 1968 und 1970 hatte sie je eine Fehlgeburt. 1974 mußte sie sich wegen einer Herzerkrankung zur Durchtrennung der Eileiter entschließen, um gesundheitsgefährdende weitere Schwangerschaften zu vermeiden. Nachdem die Beklagte von 1969 bis 1973 fünf Kinder, darunter das nach 2 1/2 Jahren verstorbene und zwei behinderte, geboren hatte, war sie mit der Kinderbetreuung voll ausgelastet. Das führte dazu, daß des öfteren der Haushalt vernachlässigt wurde, bzw. der Kläger fallweise selbst beim Staubsaugen, Staubwischen oder Abwaschen helfen mußte. Dies hielt er der Beklagten vor und bot ihr eine Hausgehilfin an, was sie zunächst ablehnte. Nachdem die Ehegatten 1977 gemeinsam ein Elektrogeschäft erworben hatten, kam zur Belastung der Beklagten durch die Kinderbetreuung die Belastung durch die Mithilfe im Geschäft dazu, in dem sie die Kundenbetreuung und die Buchhaltung erledigte. Wegen dieser Mehrfachbelastung erschien sie oft unordentlich gekleidet oder frisiert im Geschäft, was Kunden beim Kläger beanstandeten. Als dieser sie diesbezüglich zur Rede stellte, gab sie ihre unordentliche Kleidung bzw. ihr unordentliches Aussehen zu und versprach Besserung. Anfang der 80-er Jahre stimmte die Beklagte der vom Kläger vorgeschlagenen Aufnahme einer Hausgehilfin zu. Es wurde eine Angestellte für das Geschäft aufgenommen, die überdies der Beklagten den Haushalt führte und kochte. Da der Kläger diese Angestellte nicht leiden konnte, wurde das Dienstverhältnis beendet. Die dann aufgenommene Angestellte wurde für die Beklagte zu einer zusätzlichen Belastung. Diese mußte sie, wenn der Kläger nicht im Geschäft war, unterstützen und ihr insbesondere auch bei der Buchhaltung helfen. Deshalb wurde das Dienstverhältnis auf Wunsch der Beklagten gelöst. Bis Ende 1983 war die Schwester des Klägers 6 Wochen im Geschäft angestellt. Seit 1.1.1984 beschäftigt der Kläger eine andere Angestellte, die nur im Geschäft mithilft. Von Juni 1982 bis Juni 1983 unterhielt der Kläger ein ehewidriges Verhältnis zu Christa K***, mit der er auch intim war. Die Beklagte hielt ihm dieses Verhältnis vor, war aber unter der Voraussetzung der Beendigung stets bereit, dem Kläger zu verzeihen. Etwa seit Beginn dieses Verhältnisses kam es zwischen den Parteien zu keinem Geschlechtsverkehr mehr. Seit Anfang 1983 übernachtete der Kläger zunächst nur fallweise, dann jedoch regelmäßig in der Werkstätte. Schließlich mied er das eheliche Schlafzimmer überhaupt. Als die Beklagte in der Ballsaison 1983 versuchte, eine Versöhnung herbeizuführen bzw. mit ihm intim zu werden, lehnte der Kläger dies ab. Ein halbes Jahr vor der Klage waren die Parteien gemeinsam beim Klagevertreter und beschlossen mit Rücksicht auf die Kinder, noch einmal den Versuch der Fortsetzung der Ehe zu unternehmen, was jedoch nicht zuletzt am mangelnden Interesse des Klägers scheiterte. Mitte 1983 begann der Kläger häufig auswärts bei seinen Eltern zu essen bzw. dort zu waschen. Manchmal machte er für sich und die Kinder das Frühstück, und zwar immer dann, wenn die Beklagte Kunden bediente, die vor der Öffnung des Geschäfts etwas kaufen wollten. Der Kläger ist vor allem wegen der Schlampigkeit der Beklagten nicht mehr bereit, die Ehe fortzusetzen. Die Beklagte ist an der Ehe nach wie vor interessiert und bereit, dem Kläger alles zu verzeihen. Rechtlich beurteilte das Erstgericht die Vernachlässigung des Haushalts bzw. das schlampige Auftreten der Beklagten als schwere Eheverfehlungen, denen es den Ehebruch bzw. das eine Jahr dauernde ehewidrige Verhältnis des Klägers mit Christa K*** und seine beharrliche Weigerung der Fortsetzung der ehelichen Gemeinschaft gegenüberstellte.

Dagegen erhob die Beklagte Berufung, in der sie in erster Linie die Abweisung des Scheidungsbegehrens beantragte.

Das Berufungsgericht wies das Scheidungsbegehren ab. Es übernahm die wiedergegebenen Feststellungen des Erstgerichts, konnte darin aber keine schuldhaften Eheverfehlungen der Beklagten erblicken. Selbst wenn man, wie das Erstgericht, die nachlässige Haushaltsführung und auch - die gar nicht als Eheverfehlung geltend gemachte - Vernachlässigung des Äußeren der Beklagten als schwere Eheverfehlungen wertete, würden diese Verfehlungen gegenüber denen des Klägers derart zurücktreten, daß ihre Berücksichtigung sittlich nicht gerechtfertigt und das Scheidungsbegehren abzuweisen wäre. In seiner Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache beantragt der Kläger die Wiederherstellung der Entscheidung der ersten Instanz.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist nicht berechtigt.

Von den der Beklagten in der Scheidungsklage vorgeworfenen Eheverfehlungen (jahrelanges laufendes Kritisieren des gesamten Verhaltens des Klägers, lieb- und interesseloses Verhalten ihm gegenüber und jahrelange Vernachlässigung des Haushalts) konnte der Kläger nur beweisen, daß die herzkranke, schon durch die Betreuung von vier, darunter zwei behinderten Kindern voll ausgelastete, durch die Mithilfe im gemeinsamen Elektrogeschäft durch Kundenbedienung und Erledigung der Buchhaltung überlastete Beklagte des öfteren den Haushalt vernachlässigte bzw. der Kläger fallweise selbst beim Staubsaugen, Staubwischen oder Abwaschen helfen mußte. Da die Kräfte der durch die häufigen Schwangerschaften, Geburten, Totgeburten, Mehrfachgeburt geschwächten herzkranken Beklagten schon durch die Pflege und Erziehung der Kinder voll beansprucht wurden, wurde die durch die Mitwirkung im vom Kläger geführten Geschäft offenbar schon überlastete Beklagte durch die Führung des im Hinblick auf die zu betreuenden zwei Erwachsenen und vier Kinder relativ großen gemeinsamen Haushaltes offenbar überfordert.

Unter den festgestellten Verhältnissen, insbesondere bei entsprechender Berücksichtigung des Gesundheitszustandes und der außergewöhnlichen Belastung durch die Pflege und Erziehung mehrerer, darunter zweier behinderter Kinder und die Mitwirkung im gemeinsamen Betrieb kann der Beklagten die vom Kläger nicht näher behauptete, vom Erstgericht nicht näher beschriebene, des öfteren vorgekommene Vernachlässigung des Haushalts gar nicht als Verletzung ihrer Haushaltsführungspflicht nach § 95 ABGB und damit auch nicht als sonstige (schuldhafte) Eheverfehlung nach § 49 EheG, keinesfalls aber als schwere Eheverfehlung vorgeworfen werden.

Anhaltspunkte dafür, daß die von den Vorinstanzen außerhalb eines diesbezüglichen Vorbringens des Klägers festgestellte Vernachlässigung der Kleidung und Frisur der Beklagten während ihrer Mithilfe im Geschäft Ausfluß einer Lieblosigkeit oder Gleichgültigkeit gegenüber dem Kläger oder einer Mißachtung seiner Wünsche war, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Dem Berufungsgericht ist auch darin voll beizupflichten, daß das Scheidungsbegehren des Klägers, der selbst schwerste Eheverfehlungen begangen hat (ehewidriges und ehebrecherisches Verhältnis während eines Jahres, nicht gerechtfertigte Verweigerung des ehelichen Verkehrs seit Beginn des genannten Verhältnisses; eigenmächtiges Verlassen des ehelichen Schlafzimmers; teilweise Aufgabe der Tischgemeinschaft mit der Beklagten und den Kindern), wegen des groben Mißverhältnisses zwischen seinem ehewidrigen Verhalten und dem Verhalten der Beklagten bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe sittlich nicht gerechtfertigt wäre (Pichler in Rummel, ABGB Rdz 6 zu § 49 EheG und die dort angegebene Judikatur). Unter diesen Umständen reicht eine allfällige tiefgreifende unheilbare Zerrüttung der Ehe für den Kläger (Verlust seiner ehelichen Gesinnung) zu einer Scheidung wegen Verschuldens nach § 49 EheG nicht aus.

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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